28.11.2011
Personalmanagment im Kulturbetrieb

Mitarbeiter als Erfolgsfaktoren für Kulturbetriebe

Am Freitag beginnt an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) ein zweitägiges Symposium zum Personalmanagement im Kulturbereich statt. Wir sprachen mit Frau Prof. Dr. Andrea Hausmannn über den heutigen Stellenwert des Themas.
KM Magazin: Frau Prof. Hausmann, Sie führen gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern im Dezember das 3. Viadrina Kulturmanagement Symposium zum Personalmanagement durch. Welchen Stellenwert sehen Sie für das Thema im Kulturbereich?
 
Prof. Dr. Andrea Hausmann: Ich sehe für das Thema einen sehr großen Stellenwert in allen Kultureinrichtungen egal ob groß oder klein, ob Museum, Orchester oder soziokulturelles Zentrum. Die Mitarbeiter spielen im Kunst- und Kulturbetrieb eine Schlüsselrolle, ob als Künstler auf der Bühne oder als Servicemitarbeiter im Kassenbereich. Und kaum ein anderer Bereich ist so personalintensiv. Das sehen Sie zum Beispiel auch daran, dass in den Theatern über 80 Prozent der Kosten Personalkosten sind. Als Besonderheit kommt hinzu, dass zur Erstellung eines Kulturprodukts so verschiedene Berufsgruppen wie Künstler, Techniker, Verwaltungsangestellte oder Wissenschaftler aufeinander treffen. Die haben in der Regel sehr unterschiedliche Denkweisen, sprechen jeweils eine andere (Fach-)Sprache, verfügen über individuelle Ansprüche und Erwartungen. Aber auch die Unterschiede im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse und Beschäftigungsstatus spielen eine Rolle: Festangestellte, befristet Beschäftigte, Ehrenamtliche, alle diese Mitarbeitergruppen finden sie im Kulturbetrieb und denen muss das Personalmanagement gerecht werden. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass viele Institutionen mit einem chronischen Personaldefizit kämpfen: Immer weniger Mitarbeiter müssen immer mehr Aufgaben übernehmen. Diese ausgewählten Beispiele zeigen bereits, welche besondere Bedeutung dem Personalmanagement im Kulturbetrieb zukommt.
 
 
KM: Dann überrascht es allerdings, dass das Thema in Forschung und Praxis des Kulturmanagement in den letzten Jahren vergleichsweise stiefmütterlich behandelt worden ist. Oder wie ist Ihre Einschätzung diesbezüglich?
 
AH: Mich verblüfft es auch immer wieder, wie wenig Substanzielles bislang vorliegt. Wer sich bisher intensiver mit dem Thema auseinander setzen wollte, musste vor allem auf betriebswirtschaftliche Quellen zurückgreifen. Im Kunst- und Kulturmanagement steckt die Forschung zum Personalmanagement derzeit noch weitgehend in den Kinderschuhen. Das ist auch ein Grund, warum das Thema bei uns am Lehrstuhl höchste Priorität hat. Neben der praxisorientierten Konferenz, die wir im Dezember ausrichten, haben wir deshalb auch unsere Forschung in diesem Bereich verstärkt. Was meines Erachtens auch ein Grund dafür ist, warum das Thema so lange im Verborgenen geschlummert hat, ist die eher abwehrende Haltung in vielen Einrichtungen, vor allem auf der Führungsebene. Hier höre ich immer wieder Aussagen wie "Personalmanagement? Das brauchen wir nicht, unsere Leute sind total zufrieden". Es wäre ja wirklich sehr schön, wenn es so wäre, aber es entspricht eben nicht immer der Realität. Das ist auch empirisch bewiesen. So hat sich jüngst eine in Großbritannien erschienene Studie mit dem Thema Mobbing beschäftigt. Diese belegt, dass Mobbing im Kunst- und Kulturbetrieben viel verbreiteter ist als in anderen Wirtschaftszweigen: Zwei von fünf Befragten gaben an, dass sie unter Mobbing am Arbeitsplatz leiden. Nicht nur hieran zeigt sich die Notwendigkeit eines professionellen Personalmanagement, welches in den meisten Kulturbetrieben noch fehlt.
 
KM: Was könnte Ihrer Meinung nach die Ursache hierfür sein?
 
AH: Ich sehe eine Ursache darin, dass die meisten Kulturmanager eher zu Führungskräften "werden", mehr, als dass sie es vorher erlernt haben. Deshalb legen wir beispielsweise auch in unserem Masterstudiengang großen Wert darauf, dass die Studierenden zu diesem Thema frühzeitig ausgebildet werden. Natürlich kommt es dann in der Praxis zu wichtigen weiteren Lerneffekten im Sinne eines "learning by doing". Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass erst das theoretische Rüstzeug vermittelt werden muss, bevor man erfolgreiches Personalmanagement praktisch betreiben kann.
 
KM: Als eines der wichtigsten Handlungsfelder im Personalmanagement gilt die Beschaffung von Mitarbeitern. Denn nur wer gute Mitarbeiter gewinnt, kann seine Leistungserstellung erfolgreich vorantreiben. Früher gab man Stellenanzeigen auf und was machen die Kulturbetriebe in Zeiten von Web 2.0?
 
AH: Ganz grundsätzlich gibt man auch im Internetzeitalter noch Stellenanzeigen auf. Aber Sie haben Recht: Internetplattformen wie Facebook oder Xing spielen bei der Beschaffung und Gewinnung von Personal eine zunehmend wichtigere Rolle. Im Wettbewerb um die besten Köpfe müssen die Arbeitgeber heute vielfältige Wege nutzen, um potenzielle Bewerber auf sich aufmerksam zu machen und zu rekrutieren. Und vor allem jüngere Arbeitnehmer tummeln sich überdurchschnittlich häufig und lang in den sozialen Netzwerken. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund müssen sich auch Kulturbetriebe den Anforderungen einer immer stärker digitalisierten Gesellschaft stellen. Der gezielte Einsatz von Social Media kann Kulturbetrieben dabei helfen, sich im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter einen entscheidenden Vorteil zu verschaffen und sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Ich sehe auch tatsächlich seit geraumer Zeit zunehmend mehr Ausschreibungen auf Facebook von Kultureinrichtungen.
 
KM: Gute Mitarbeiter zu gewinnen ist die eine Sache. Wie aber kann es dem Kulturbetrieb gelingen, gute Mitarbeiter zu halten? Denn schließlich ist der Weggang von Topkräften mit einigen Verlusten verbunden, z.B. im Hinblick auf Know-how, Kontakte und Erfahrungen.
 
AH: Ohne Zweifel sind gute Mitarbeiter Gold wert! Ein Kulturbetrieb kann sein Personal in erster Linie erfolgreich und langfristig an sich binden, wenn die Mitarbeiter zufrieden sind. Diese Zufriedenheit hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab, aber Anerkennung durch Vorgesetzte, ein konstruktiver Umgang miteinander, angemessene Arbeitsbedingungen, Möglichkeiten zur Entfaltung und Weiterbildung sind auf jeden Fall wichtige Aspekte. Was dabei oft vergessen wird: Zufriedenheit bei den Mitarbeitern hat auch einen direkten Effekt auf die Außenwirkung der Einrichtung. Ob freundliches Kassenpersonal, begeisterte Pädagogen oder engagierte Künstler; sie alle haben eine große Wirkung auf das Besuchserlebnis. Deswegen sollte Themen wie Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeitermotivation, aber z.B. auch Konfliktmanagement in der Personalpolitik von Kulturbetrieben eine besondere Rolle zukommen.
 
KM: Diese und weitere Themen des Personalmanagement finden sich auch im Programm ihrer Konferenz. Was erhoffen Sie sich vom diesjährigen Symposium?
 
AH: Das Symposium hat sich seit 2007 als Forum für die Diskussion von aktuellen Fragestellungen im Kulturmanagement etabliert. Unser primäres Ziel war es von Anfang an, Wissenschaft und Praxis zusammenzubringen und gemeinsam den Erkenntnisgewinn zu bestimmten Themen im Kulturbereich voranzutreiben. Um das zu erreichen, kooperieren wir auch in diesem Jahr wieder mit einem renommierten Partner aus der Praxis. Und wir haben eine spannende Mischung von Vorträgen und Praxisforen zusammengestellt: Am ersten Tag werden im ehrwürdigen Senatssaal der Europa-Universität Viadrina ausgewiesene Experten zu aktuell drängenden Themen im Personalmanagement referieren. Am Samstag besteht dann in den spektakulären Räumlichkeiten der Berliner Philharmonie die Möglichkeit, unter Anleitung erfahrener Moderatoren und Coachs, die Themen des Vortags in kleinen Gruppen praxisnah und im Kontext der eigenen Arbeitssituation zu vertiefen. Natürlich haben wir zudem für ausreichend Möglichkeiten gesorgt, dass sich die Teilnehmer in angenehmem Ambiente während der Pausen und abends beim Empfang intensiv miteinander austauschen können.
 
KM: Wie auch in den Jahren zuvor, arbeiten Sie wieder mit einem renommierten Kooperationspartner aus der Praxis zusammen. Was bedeutet Ihnen die Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern?
 
AH: Die Berliner Philharmoniker mit im Boot zu haben, ist für das Symposium ein großer Gewinn. Dieses weltweit bekannte Haus ist ja nicht nur künstlerisch besonders ausgewiesen, sondern zeigt sich auch in allen managementrelevanten Themen als Best-Practice-Beispiel. Ob das die Sponsoring- Partnerschaft mit der Deutschen Bank, das vorbildliche Education-Programm oder die wirkungsvollen Marketingkampagnen sind. Auch im Bereich Personalmanagement übernehmen sie eine Vorreiterrolle unter den Kulturbetrieben. Es freut uns daher sehr, diesen Partner an unserer Seite zu wissen und unseren Gästen hierdurch auch ein erstklassiges Rahmenprogramm und Ambiente bieten zu können.
 
KM: Zu guter Letzt noch eine Frage: Wo sehen sie die Zukunftsthemen im Personalmanagement von Kunst und Kultur?
 
AH: Ich würde sagen, dass der Demographische Wandel ein besonders drängendes Thema im kulturbezogenen Personalmanagement der Zukunft sein wird. Kultureinrichtungen werden sich in den nächsten Jahren einem immer stärkeren Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter gegenüber sehen. Employer- Branding, d.h. der Aufbau einer Arbeitgebermarke wird daher auch im Kulturbetrieb eine zunehmend wichtigere Rolle spielen: Institutionen müssen ein starkes Profil entwickeln, um die besten Mitarbeiter gewinnen zu können. Ein weiteres Thema, das sich aus dem demographischen Wandel ableitet, ist die Leadership-Gap, d.h. es wird sich eine Lücke bemerkbar machen zwischen dem Angebot und dem Bedarf an qualifizierten Führungskräften, den so genannten "high potentials". Eine weitere Herausforderung des kulturbezogenen Personalmanagement wird wohl auch die an vielen Stellen unumgängliche personelle "Verschlankung" der Kultureinrichtungen sein, wobei Qualität der Arbeit und Professionalität trotzdem aufrechterhalten werden müssen. In jedem Fall wird ein professionelles und wirksames Personalmanagement in Zukunft eine immer entscheidendere Rolle im Kulturbereich spielen!
 
KM: Vielen Dank für das Gespräch!
 
 
KM Magazin zum Thema Personalmanagement: http://www.kulturmanagement.net/downloads/magazin/km1009.pdf
 
Das Interview mit Frau Prof. Hausmann erschien im KM Magazin Nr. 60 (Oktober 2011)
 

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