02.02.2013

Autor*in

Otto Penz
Schönheitsbegriff

Schönheit ist nicht mit Kants Ästhetik gleichzusetzen

Dr. Otto Penz über Definition und Wandel des Schönheitsbegriffs, die Mittel und Grenzen der Schönheitsindustrie sowie die Frage, wer in der heutigen Zeit noch stilbildend ist.
Das Gespräch führte Dirk Heinze.
 
Kulturmanagement Network: Was ist eigentlich schön? Und unterliegt ein so subjektiver und wandlungsfähiger Begriff Schönheit überhaupt einer Definition?
 
Dr. Otto Penz: Eine Definition des Schönheitsbegriffs ist in der Tat schwierig, weil sich die Schönheit ja nicht aus der Summe der Einzelteile zusammensetzt, sondern im Gesamtbild liegt, das in den Augen des Betrachters als schön erscheint. Ich würde Schönheit eher über die Sehgewohnheiten, die sich ändern, definieren, also darüber, was und wer in einer bestimmten Epoche vor allem durch die Massenmedien als schön propagiert wird. Das menschliche Schönheitsideal ändert sich relativ stark, allein wenn man die Geschichte der letzten hundert Jahre Revue passieren lässt: von der weißen Haut der "Damen der Gesellschaft", die vor der Sonne geschützt wird, und voluminösen Figuren hin zu sonnengebräunten, athletischen Silhouetten.
 
KMN: Wenn Sie von Sehgewohnheiten sprechen, inwiefern sind diese beeinflussbar?
 
OP: Die bereits erwähnten Massenmedien und vor allem das Fernsehen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Weil hier unzählige Bilder kursieren, die einen permanenten visuellen Diskurs über Schönheit erzeugen und zur Veränderung der Sehgewohnheiten beitragen. Das, was die Bilder ausdrücken, ist wiederum Resultat von sozialen Veränderungen: Denken Sie an die seit den 1970er Jahren zunehmende Sportlichkeit von Frauen. Das verändert die Vorstellungen von Weiblichkeit, wie wir sie gewohnt waren.
 
KMN: Wie beeinflussen Schönheitsideale unser soziales Leben, wenn wir an Erfolg, Macht oder Aufmerksamkeit denken?
 
OP: Es gibt eine Unzahl psychologischer Studien, die belegen, dass Schönheit gewisse soziale Vorteile mit sich bringt. Zentraler Punkt ist die Aufmerksamkeit bzw. soziale Anerkennung, die über ein attraktives Aussehen sehr viel leichter zu gewinnen ist. Insofern beeinflusst das Aussehen die personale Interaktion. Um die Schönheit herum hat sich zudem eine riesige Industrie entwickelt, die unser alltägliches Leben nachhaltig beeinflusst. Das reicht von der Körperhygiene und den Kosmetikprodukten, die wir kaufen, bis hin zu Schönheitsoperationen.
 
KMN: Setzt man sich im Museum oder in der Theaterwelt eigentlich kritisch mit diesem Phänomenen auseinander? Schließlich nimmt der Kulturbetrieb gern für sich in Anspruch, selbst für das Schöne im Leben zuständig zu sein.
 
OP: Die erfolgreichste Ausstellung der letzten Zeit in Wien war beispielsweise zum Thema "Der nackte Mann" und damit auch zu männlicher Schönheit. Die zeitgenössische Auseinandersetzung mit männlicher Körperlichkeit nimmt im Veränderungsprozess der Geschlechterverhältnisse durchaus zu. Im Bereich der Hochkultur wurde allerdings bisher relativ selten der Mann als Sex- und Lustobjekt thematisiert.
 
 
Foto: Pierre&Gilles, Vive la France [Es lebe Frankreich], 2006, Privatsammlung, Courtesy Galerie Jérome de Noirmont
 
KMN: Warum sind Schönheitsideale meistens so unerreichbar und dennoch versuchen wir sie zu um jeden Preis zu erlangen?
 
OP: Sie sind nur als massenmediale Ideale unerreichbar, wo mit einem hohen technischen Aufwand an der Verbesserung der Erscheinungsbilder gearbeitet wird. Vor allem aber regen uns die medialen Ikonen dazu an, uns zu verbessern, für unser Aussehen etwas zu tun, nicht zuletzt um auf den neuen Partnerschaftsmärkten zu reüssieren. Die Beziehungen haben sich stark gewandelt, von lebenslangen Ehegemeinschaften zu Lebensabschnittspartnerschaften und flüchtigen Bekanntschaften, also in Richtung Pluralisierung der Lebensformen.
 
KMN: Im Vergleich zu früher haben wir mehr denn je Möglichkeiten, auf unser äußeres Erscheinungsbild Einfluss zu nehmen. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen?
 
OP: Die Grenzen sind nicht absehbar. Die chirurgischen Methoden der Verschönerung beispielsweise werden gerade auf einen neuen technischen Stand gehoben. Man kann inzwischen jeden Körperteil mehr oder weniger modifizieren oder ersetzen. Die Frage ist, wenn man das weiterdenkt, in welcher Weise Verschmelzungen von technischen Artefakten und menschlichen Körpern stattfinden werden und es zu Veränderungen Richtung hybrider Körperlichkeiten kommt. Das Feld ist relativ unbegrenzt. Es zeigt sich zudem, dass der Schönheitsbegriff nicht unbedingt mit herkömmlichen Vorstellungen von Ästhetik gleichzusetzen ist, wenn Sie an Piercing und Tattoos denken.
 
KMN: Gibt es noch stilbestimmende Autoritäten?
 
OP: Einige Kulturbereiche sind enorm einflussreich: der Modebereich auf der einen Seite, die Stars der Popbranche auf der anderen. Oder auch die Pornoindustrie, die über das Internet zunehmend Einfluss auf die Gestaltung der Körper der Nutzer ausübt, etwa im Hinblick auf die Enthaarung der Intimzone.
 
KMN: Hat Ihr Buch über "Schönheit als Praxis" einen eher deskriptiven Charakter oder verfolgen Sie auch ein bestimmtes gesellschaftspolitisches Ziel, beim Leser für ein anderes Bewusstsein auf Fragen der Schönheit zu sorgen.
 
OP: Es ist ein analytisches Buch, das soziale Gesetzmäßigkeiten herauszuarbeiten versucht, aber es enthält keine Verhaltensempfehlungen im Umgang mit dem, was uns die Schönheitsindustrie anbietet. Es zeigt vielmehr auf, wie sich die sozialen Verhältnisse in letzter Zeit geändert haben insbesondere wie sich der Wandel der Geschlechterverhältnisse auf die körperlichen Verschönerungsprozeduren auswirkt.
 

Über den Autor

Otto Penz ist derzeit Gastprofessor am Institut für Höhere Studien in Wien und lehrt Soziologie an der Universität Wien und an der Wirtschaftsuniversität Wien.
 

Buchempfehlung

"Schönheit als Praxis. Über klassen- und geschlechtsspezifische Körperlichkeit" (2010): www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3593392127/ref=nosim/kulturmanagement
 
Das Interview gehört zum Schwerpunkt Kosmetik und Schönheit im Januar 2013. Dazu erschien das KM Magazin, das hier kostenfrei als PDF zum Abruf bereitsteht: http://www.kulturmanagement.net/downloads/magazin/km1301.pdf
 
Ausstellung "nackte männer" im Leopold Museum: www.leopoldmuseum.org/de/ausstellungen/46/nackte-maenner
 

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