16.02.2009

Autor*in

Lothar Seiwert
Lothar Seiwert ist Experte für Zeit- und Lebensmanagement. Nach seinen Stationen im Personal- und Bildungswesen sowie als Management-Consultant lehrte er mehr als 12 Jahre im Hochschulbereich, zuletzt an der Universität St. Gallen. Heute leitet er die Heidelberger Seiwert Keynote-Speaker GmbH, die sich auf sein Vortragsgeschäft zu den Themen Time- Management, Life-Leadership® und Work-Life-Balance spezialisiert hat. Prof. Seiwert ist President Elect der German Speakers Association und Aufsichtsratsmitglied der Team Connex AG.
Zeit- und Selbstmanagement

Zeit - die wertvollste Ressource

"Gehe langsam, wenn Du es eilig hast", lautet eines der Leitfragen von Prof. Dr. Lothar Seiwert, mit dem Kulturmanagement Network im Januar im Gepräch über das Thema Zeit- und Selbstmanagement war.
Das Gespräch führte Dirk Schütz.
 
KM Magazin: Zeit ist gerade mit Blick auf den Kulturbetrieb ein sehr wichtiges Thema. Viele Kulturmanager und Kulturschaffende, die "die Musen oder für die Musen managen", haben neben ihren zeitraubenden Projekten kaum noch Raum für sich, geschweige denn für die Muse im Gegenteil, viele stehen kurz vor dem so genannten "Burn Out". Wie kann man solchen Menschen es näher bringen, dass ein langsameres Herangehen häufig eine höhere Effektivität nach sich zieht?
 
Prof. Dr. Lothar Seiwert: Das ist eigentlich sehr einfach. Das Erfolgsgeheimnis besteht darin, dass man sich im Vorhinein, das heißt proaktiv, für Dinge, die einem wichtig sind, Zeitfenster in seinem Terminkalender, Organizer, Blackberry, Outlook usw. einträgt. Macht man das nicht, wird nichts passieren und es bleibt eine unverbindliche Absichtserklärung. Setzt man sich zum Beispiel einem positiven Zwang aus, in dem man ein Theaterabonnement erwirbt, ist die innere Bereitschaft um ein Vielfaches höher, eine Veranstaltung wahrzunehmen, da man es ja bezahlt hat. Der Termin mit sich selbst bzw. der Freiraum muss zu einem Fixpunkt im Kalender werden.
 
KM: Das klingt ja sehr einfach, aber warum ist es das nicht? Zeitmanagement ist ein Thema, über das doch schon lange diskutiert wird. Man kann dennoch beobachten, dass es sehr viele Menschen gibt, die ihre Abläufe nicht in den Griff bekommen. Warum ist es so schwer, die Methoden einzuhalten?
 
LS: Es hat zum einen sehr viel mit Selbstdisziplin zu tun. Von der reinen Technik her gesehen ist es eigentlich ganz einfach: Bei einem erfolgreichen Zeitmanagement spielen zwei entscheidende Faktoren eine gewichtige Rolle: erstens äussere Techniken, Methoden oder Tools wie Zeitplaner und Blackberry, und zweitens die innere Einstellung, das eigene Verhalten, die persönliche Konsequenz. Viele haben die falsche Einstellung oder das falsche Bewusstsein, also eine andere Prioritätensetzung. Ein Beispiel für unproduktives Arbeiten ist die hinderliche Einstellung, Emails sofort zu lesen und zu beantworten. Man wird praktisch von externen Einflussgrößen bestimmt und getrieben, anstatt die Vogelperspektive einzunehmen und zu sehen, was wirklich wichtig ist. Die Hauptursache liegt hierbei im Faktor "Mensch". Zum anderen ist die Welt komplexer geworden. Sie ist schnelllebiger und der Erwartungsdruck auf den Einzelnen ist enorm gestiegen. Wir sind, ohne es zu merken, zu einer 24-Stunden-Gesellschaft mutiert.
 
KM: Unser Schwerpunkt in diesem Monat beschäftigt sich ja mit der "Kunst der Pause" im weitesten Sinne. Ist es wirklich eine Kunst, Pausen zu kreieren? Wenn ja, wie bekommt man darin eine Meisterschaft?
 
LS: Bernie Ecclestone, der mächtige Chef der Formel 1, hat einmal zu einem Fahrer gesagt: "go slow and win the race!". Deshalb müssen wir, wie Rennfahrer, in unserer hektischen Zeit Boxenstopps, sprich Pausen, einlegen. Natürlich länger als 6,8 Sekunden und auch nicht ständig. Aber von Bedeutung ist es, einen Rhythmus zwischen Gasgeben und Entschleunigung zu finden. Läuft man dagegen ständig mit überdrehtem Motor, fällt man auf die Nase. Man nennt das dann auch Schlaganfall, Herzinfarkt, Tinitus usw. In der Formel 1 bleibt bei Überhitzung des Motors das Auto einfach stehen. Viele verstehen das erst, wenn sie im Krankenhaus in der Intensivstation aufgewacht sind oder eine schmerzhafte Lebenskrise in der Familie erleben, dass sie etwas in ihrem Leben ändern müssen.
KM: Aber gerade bei der Formel 1 hat man ja immer Angst, überholt zu werden. Wie kann man in einem beschleunigten Umfeld das eigene Tempo zurücknehmen und wie ist das in stressigen Projekten mit gestressten Partnern vereinbar?
 
LS: Der Titel einer meiner Bücher heißt: Die Bärenstrategie. In der Ruhe liegt die Kraft. Und auch hier denke ich wieder an Formel 1-Rennen: Wenn ich zu schnell an bestimmte Dinge herangehe, kostet es im Nachhinein das Doppelte oder Dreifache an Zeit, es richtig zu machen. Schnelligkeit alleine ist nicht die ultima ratio. Es geht um eine Balance zwischen Geschwindigkeit und Entschleunigung. Bestimmte Prozesse, wie zum Beispiel künstlerische, kann man nicht erzwingen Kreativität braucht eine gewisse Zeit. Eine spanische Lebensweisheit lautet: "Eine Olive wächst auch nicht schneller, wenn Du daran zupfst." In Amerika gibt es für dieses Gehetzt-sein bereits einen Krankheitsbegriff: "Hurry Sickness".
 
KM: Es hat also sehr viel mit Selbstverantwortung zu tun. In Ihren Büchern schreiben Sie viel über Life-Leadership, bei dem gerade die Eigenverantwortung eine sehr wichtige Rolle spielt. Was bedeutet Life-Leadership für den Einzelnen?
LS: Jeder sollte der eigene Kapitän seines Lebensschiffes sein. Life-Leadership könnte man auch mit Lebens-Unternehmer übersetzen. Jeder möge der eigene Intendant seiner Lebenskultur werden! Das ist für mich keine Kollision mit beruflichen Anforderungen, sondern im Gegenteil: Wichtig ist eine Ausgewogenheit, oder wie es neudeutsch heißt "Work-Life-Balance", aller vier Lebensbereiche aufzubauen. Das bedeutet konkret, ein persönliches und inneres Wohlfühl-Gleichgewicht herzustellen zwischen Körper und Gesundheit, Beruf und Leistung, Kontakt und Beziehungen sowie Sinn und höher geistigen Dingen wie eben Kultur. Das Eine soll und darf nicht im Widerspruch zum Anderen stehen. Es geht nicht darum, eine mathematisch gleiche Zeitverteilung herbeizuführen, sondern die individuelle Wohlfühl-Balance zu finden, die bei jedem Menschen unterschiedlich ist. "Burn Out" ist nicht nur ein physisches, sondern auch ein psychisches Phänomen. Life-Leadership heißt, dafür zu sorgen, dass man nicht erst in die schmerzhafte Lebenskrise gerät, sondern schon vorher die entsprechenden Weichen stellt. Wichtig ist das "Sowohl als auch". Deshalb der Titel Die Bären Strategie. Eisbären zum Beispiel verkörpern beides auf besondere Weise. Zuerst können sie sehr entspannt auf der Scholle liegen und dann blitzartig durchstarten und die Robbe fangen. Und trotz der Kälte strahlen sie eine Wärme aus, wenn sie im Schnee liegen und das Fell von der Sonne in goldgelb schimmert. Sie können aber auch 50 bis 60 Km/h schnell laufen. Nicht lange, aber lang genug, um uns zu kriegen!
 
KM: Das heißt, sich selber viel besser kennen zu lernen, in sich hinein zu hören. Bei vielen scheint der Autopilot eingeschaltet. Gibt es hier Techniken zu erlernen, die einen sich selber besser verstehen lassen?
 
LS: Diese Techniken sind Jahrtausende alt. Im Alltag werden wir sehr viel von der Außenwelt gesteuert und beeinflusst. Drei der schlimmsten Phänomene, unter denen ich ebenfalls leide, sind: erstens Emails, zweitens Emails, drittens Emails. Jeder will etwas von einem, am Besten schon vorgestern. Wenn man die Augen schließt und sich auf sich selbst und seine Innenwelt besinnt, kommt man automatisch in einen ganz anderen Bewusstseinszustand. Das war und ist Spiritualität !völlig losgelöst von Religiosität oder weltanschaulichen Prinzipien. Es sind uralte Grundsätze, die Sie in jeder Kultur finden: In der einen nennt man das Gebet, in der anderen Meditation, Spiritualität oder autogenes Training. Zur Ruhe kommen, sich auf sich selbst besinnen, die eigenen Gedanken und Gefühle hören. Im Spitzensport kennen wir das als mentales Training. Die Techniken und Methoden sind die gleichen, und man muss kein Heiliger werden, um das machen zu können. Es sind normale Vorgänge, die an jedem Ort und zu jeder Zeit möglich sind. Es geht darum einen Zustand, eine andere Bewusstseinsebene zu finden, die der ungarische Wissenschaftler Mihaly Csikszentmihalyi "Flow" nennt. Manche finden ihn beim Joggen, manche beim Bergsteigen, andere beim Schach, Golf spielen oder versunken ein Buch lesen. Eine Fähigkeit, die wir eigentlich schon immer besaßen, die uns nur verloren gegangen ist. Wichtig sind nicht nur die körperlichen, sondern auch die seelischen Pausen. Zeit ist vielleicht die wertvollste Ressource, die wir haben.
 
KM: Es ist also eine Archäologie des Selbst?
 
LS: So ist es. Da muss ich nicht zu einem Guru pilgern. Es ist aus meiner Sicht frei von jeglicher Ideologie. Jeder ist für sich selbst verantwortlich.
 
KM: Was hat man davon, wenn man zur Ruhe kommt?
LS: Ein glückliches, erfülltes und hoffentlich auch längeres Leben.
 
KM: Sind uns da andere Kulturkreise voraus?
 
LS: Mit Sicherheit, hier hörte ich neulich den Satz: "Als der liebe Gott die Zeit gemacht hat, machte er genug davon". Die Asiaten waren grundlegend anders. Allerdings beginnen sie, sich mehr in unsere Richtung zu entwickeln. Sie sind sehr ehrgeizig und am Aufstieg und Erfolg orientiert. Ich merke es auch daran, dass es früher oft Jahre gedauert hat, bis meine Bücher dort übersetzt wurden. Heute sind wenige Wochen nach der Veröffentlichung die Lizenzen für Korea, China, Japan weg. Sie erhoffen sich dadurch schneller und effizienter arbeiten zu können. Was ja überhaupt nicht meine Botschaft ist.
 
KM: Herr Prof. Dr. Seiwert, ich bedanke mich für dieses Gespräch.
 
Nachfolgend finden Sie noch 7 Tipps von Prof. Dr. Seiwert, um die eigene Life-Balance zu finden:
7 LIFE-BALANCE-Tipps
1. Formulieren Sie Ihre persönliche Lebensvision.
Ein persönliches Leitbild (Mission Statement) oder Lebensziel hilft Ihnen, Sinn und Richtung Ihres Lebens näher festzulegen.
2. Beachten Sie: Weniger ist meistens mehr.
Die wirklichen Zeitprobleme im Leben entstehen, wenn wir zu viele Rollen gleichzeitig ausfüllen wollen. Wer sich zuviel vornimmt und alles verplant, bleibt unflexibel und stresst sich ebenso wie andere.
3. Sorgen Sie für eine ausgewogene Zeit- und Lebens-Balance.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der qualitativen Zeit-Balance zwischen allen beruflichen und persönlichen Lebensbereichen wie Leistung/Beruf, Familie/ Privates, Gesundheit und der Frage nach dem Sinn.
4. Planen Sie Zeit für Ihre Lebensprioritäten.
Planen Sie pro-aktiv regelmäßig persönliche Zeitfenster oder Termine mit sich selbst ein auch gegen die Widerstände anderer, an denen Sie sich um Ihre Prioritäten zur Erreichung eigener Ziele kümmern.
5. Konzentrieren Sie sich immer auf das Wesentliche.
Nur die konsequente Konzentration auf das Wesentliche bei den beruflichen wie privaten Lebensrollen garantiert Erfüllung, Ausgewogenheit und Lebenserfolg.
6. Entfliehen Sie der Dringlichkeits-Falle.
Bei dringenden Dingen re-agieren wir nur, bei wichtigen Dingen hingegen agieren wir. Unterwerfen Sie sich nicht dem täglichen Diktat der Dringlichkeit, sondern fokussieren Sie sich auf die Wichtigkeit eigener Ziele.
7. Gehen Sie mit Ihrer Lebenszeit bewusst und souverän um.
Leben in Balance oder Life-Leadership bedeutet bewusster, eigenverantwortlicher und gleichgewichtiger Umgang mit dem kostbaren, knappen Gut "Zeit":
Heute beginnt der erste Tag vom Rest Ihres Lebens, den Sie mit einem neuen Zeitbewußtsein beginnen können!
 

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