10.03.2021

Themenreihe Corona

Autor*in

Martin Juhls
prägt als Kulturmanager und Kommunikator seit 20 Jahren aktiv das Kulturleben im Ruhrgebiet. Im vergangenen Jahr hat er die Initiative Kulturkommunikation ins Leben gerufen. Die digitale Kommunikations- und Strategieberatung unterstützt Kulturinstitutionen und Veranstalter dabei, ihre Kommunikation strategisch auszurichten und sich erfolgreich in den neuen Kanälen zu positionieren.
Kommunikation zur Wiedereröffnung

Damit der Neustart nicht zum Fehlstart wird

Mit dem 10. März jährt sich der Tag, ab dem das kulturelle und gesellschaftliche Leben in Deutschland in weiten Teilen zum Erliegen kam. Inzwischen ist ein Neustart für die Kultur- und Eventbranche absehbar. Deshalb sollte sie jetzt über Aspekte für die erfolgreiche Kommunikation von Wiederöffnungen und neuen Eventformaten nachdenken.

Themenreihe Corona

Die neue Realität bringt nicht nur neue Bedingungen für die Durchführung von Veranstaltungen mit sich. Abstandsregeln, Maskenpflicht, Kontaktreduzierung, soziale Isolation und die latente Angst vor drohender Ansteckung bei der Begegnung mit anderen, all das wird auch die Gewohnheiten, Bedürfnisse und das Verhalten des Publikums im Kulturbereich nachhaltig beeinflussen. Die wichtigsten Parameter für eine Anpassung der Kommunikation an diese Aspekte werden im Folgenden kurz vorgestellt.
 
Wenn wir einfach davon ausgehen, ab einem Zeitpunkt X wäre alles wieder beim Alten, werden wir überrascht sein, wie sehr sich die Dinge geändert haben. Viele unserer bisherigen Kommunikationsstrategien und -abläufe werden unter den veränderten Bedingungen nicht mehr aufgehen. Zwar haben viele Kulturinstitutionen ihre Kommunikationskompetenzen mit digitalen Vermittlungsformaten und Online-Veranstaltungen im letzten Jahr sichtbar erweitern können, bei den Ankündigungen von Präsenzveranstaltungen und Wiedereröffnungen gab es jedoch immer wieder Überforderung. Nur wenigen scheint es zu gelingen, die veränderte Situation in der Kommunikation mitzudenken und adäquat darauf einzugehen.
 
Im vielen Kulturbereichen und Veranstaltungsorten haben wir im vergangenen Herbst bereits einen ersten Neustart erlebt, der mit dem neuerlichen Lockdown abrupt zum Fehlstart wurde. Aus den daraus gewonnenen Erfahrungswerten können wir aber lernen und Parameter benennen, die beachtet werden sollten, wenn wir unsere Kommunikation erfolgreich an die Anforderungen anpassen wollen. 
 
Ankündigungen, Verlegungen und Absagen
 
Seit März 2020 sind nicht nur Künstler*innen und Veranstalter*innen, sondern auch Millionen Ticketkäufer*innen in Deutschland von Veranstaltungsabsagen und -verlegungen betroffen. Viele Veranstaltungen mussten gleich mehrfach abgesagt und auf einen vermeintlich zuverlässigen Zeitpunkt in der Zukunft verschoben werden. Und in der aktuellen Situation besteht für keine Veranstaltung eine Garantie für eine verlässliche Durchführung zum angekündigten Zeitpunkt. Das ist auch dem Publikum bewusst. Wenn jetzt für diese unsichere Zukunftslage eine neue Veranstaltung angekündigt und sogar aktiv für den Ticketkauf geworben wird, werden Tatsachen geschaffen, die auf wackeligem Grund gebaut sind. 
 
Die meisten Menschen verfolgen die aktuellen Entwicklungen täglich in den Medien. So prasseln auf das potenzielle Publikum kontinuierlich Nachrichten über Lockdown-Verlängerungen, Reiseverbote und längerfristige Einschränkungen ein. Das Resultat: Unsicherheit und Irritation. Die Gefahr für Kultureinrichtungen, dabei die eigene Glaubwürdigkeit und das langjährig aufgebaute Vertrauen zu verlieren, ist groß. Empfehlenswerter ist es stattdessen, transparent und offen zu kommunizieren und die eigene Unsicherheit aktiv in die Kommunikation miteinzubeziehen. Von dieser authentischen Position aus kann man dann kontinuierlich mit den jeweiligen Entwicklungen arbeiten.
 
Corona-Schutzkonzepte
 
Im vergangenen Jahr entstanden viele, oft lange Hygienekonzepte mit komplizierten Texten, prominent platziert an oberster Stelle auf der jeweiligen Homepage. Diese Maßnahme sollte eigentlich Vertrauen aufbauen, hatte oftmals aber eher abschreckende Wirkung. Dabei ist ein solches Vorgehen in gewisser Weise sogar überflüssig. Denn der Anspruch an ein Sicherheitskonzept ist, dass es vor Ort auch ohne Vorwissen funktionieren muss. Zudem: Solange ein Mensch nicht konkret vor dem Einlass ansteht, können Kultureinrichtungen weder seine Sicherheit noch die anderer gefährden. Wenn aber ein langer Katalog an Regelungen und Vorschriften so kommuniziert wird, als müsste das Publikum sich damit im Vorfeld ausführlich auseinandersetzen, dann schreckt das ab und kann überfordern. 
 
Der beste Weg, die Vertrauenswürdigkeit des eigenen Corona-Schutzkonzeptes zu kommunizieren, ist die Anführung konkreter Belege etwa von externen Zeug*innen, wie Ämtern, Behörden, Fachärzt*innen und Sicherheitsexpert*innen, die in die Entwicklung und Genehmigung des Konzeptes involviert waren. Nichts ist jedoch vertrauensbildender als Besucher*innen, die glaubwürdig bestätigen können, dass sie sich bei einer Veranstaltung in jedem Moment sicher gefühlt haben, und dabei das Konzept der Organisatoren sowie das Engagement aller Mitarbeitenden lobend hervorheben.
 
Mangelnde Erfahrungswerte, fragliche Mehrwerte und veränderte Gewohnheiten
 
Wenn es gelingt, dem Publikum zu vermitteln, dass Veranstaltungen zuverlässig stattfinden können und die Sicherheit der Besucher*innen gewährleistet ist, genügt das, um Menschen für Veranstaltungen und Wiedereröffnungen zu begeistern? Die Antwort lautet: Nein. 
 
Den meisten Menschen ist nicht klar, wie der konkrete Besuch einer Veranstaltung vom Ticketkauf bis zum Nach-Hause-Weg ablaufen wird. Muss Zeit für den Einlass eingeplant werden? Wie ist die Bestuhlung organisiert? Wann und wo muss eine Maske getragen werden? Wird es eine Pause geben? Was passiert im Anschluss? Diese fehlenden Erfahrungswerte sollten vorab geklärt werden - transparent und leicht verständlich.
 
Eine weitere Frage, die sich potentielle Gäste stellen, ist die des konkreten Nutzens, der sich für sie aus dem Besuch ergibt. Wie sehr schränken Regelungen und Abläufe das individuelle und kollektive Erlebnis ein? Worauf muss verzichtet werden und welche neuen Möglichkeiten ergeben sich aus der Situation? Hier sollte man alle relevanten Entscheidungsargumente gesammelt sichtbar machen und mögliche Bedenken bereits im Vorfeld aktiv entkräften.
 
Eine der größten Herausforderungen ist es, einzuschätzen, wie sehr Menschen nach über einem Jahr Pandemie ihre Gewohnheiten und ihr Verhalten geändert haben. Was macht das mit Menschen, wenn die Anlässe von kollektivem Erleben so lange auf begrenzt waren? Wie viele haben erst einmal gar kein Bedürfnis nach Veranstaltungen, sondern erweitern zunächst den Kreis der möglichen Kontakte in kleinen Schritten? Hier müssen wir die Menschen bewusst wieder hungrig machen nach Kultur, Veranstaltungen und Begegnungen. Wir müssen ihnen aktiv das Gefühl vermitteln, dass sie im Zweifelsfall ein besonderes Erlebnis verpassen.
 
Medienwandel und Digitalisierung
 
Eine weitere Entwicklung, die die Pandemie mit sich bringt, ist der beschleunigte Medienwandel. Viele der bislang zuverlässigen Kanäle werden zukünftig an Effektivität einbüßen. Dies betrifft insbesondere Printmagazine, die aufgrund ihrer langen Vorlaufzeiten kaum flexibel auf eventuelle Änderungen reagieren können. Aber auch Plakate und andere Werbemittel sind wenig dafür geeignet, flexibel auf die kommenden Entwicklungen zu reagieren. 
 
Das Resultat: Im Falle von Absagen oder wichtigen Änderungen verfällt das eingesetzte Budget und es muss erneut in die gleichen oder weitere Werbemaßnahmen investiert werden. Doch auch die Wahrnehmung von Werbemitteln hat sich deutlich geändert. Menschen, die im Alltag auf das Einhalten von Abständen konzentriert sind und deren Wahrnehmung durch das Tragen von Masken eingeschränkt ist, haben weniger Möglichkeiten, auf Werbemittel im öffentlichen Raum aufmerksam zu werden.
 
Größeres Potential bietet sich hingegen bei bezahlter Werbung in digitalen Kanälen. Hier sind Menschen bereits in der Grundhaltung, offener Neues zu entdecken, informiert und unterhalten zu werden. Datenbasiertes Marketing und komplexe Funnel-Strukturen, um aus Interessierten Besucher*innen zu machen, bieten zudem die Möglichkeit, die Vielzahl an nötigen Impulsen für die Entscheidungsfindung individuell in die digitale Erfahrungswelt des Publikums einzubetten. 
 
Fazit
 
Die neuen Bedingungen sind nicht nur eine große Herausforderung für die Organisation und Durchführbarkeit von Kulturveranstaltungen, sondern bringen auch neue Anforderungen für die Kommunikation mit sich. Ein erfolgreicher Neustart im Kultur- und Veranstaltungsbereich kann dann gelingen, wenn bisherige Kommunikationsstrukturen überprüft und alle Kommunikationsmaßnahmen an die neuen Anforderungen angepasst werden. Im Mittelpunkt sollte dabei weniger das eigene Sendebedürfnis im Sinne eines "Wir sind wieder da" stehen, sondern das Informationsbedürfnis des Publikums in Bezug auf Zuverlässigkeit, Abläufe und die spezifischen Mehrwerte der Angebote und Veranstaltungen für jeden Gast.

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