14.10.2022

Themenreihe klimafreundlich

Autor*in

Miriam Szwast
absolvierte ein Studium der Kunstgeschichte und anschließend ein Volontariat bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Seit 2013 arbeitet sie als Kuratorin für Fotografie am Museum Ludwig Köln, seit 2021 mit der Zusatzbezeichnung Kuratorin für Ökologie. Sie initiierte das Team Nachhaltigkeit am Museum Ludwig sowie das Green Culture Lab, ein Verbund lokaler klimaaktiver Kulturinstitutionen mit dem Ziel des gemeinsamen Lernens und Empowerns. 
Vera Hefele
ist Kultur- und Transformationsmanagerin. Vor der Gründung von WHAT IF im Jahr 2020 war sie u.a. beim Ensemble Musikfabrik, an der Oper Köln, bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks und an der Bayerischen Staatsoper tätig. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen.
Teresa Trunk
ist Betriebswirtin, Kultur- und Transformationsmanagerin. Sie arbeitete u.a. beim Jazzlabel ACT Music und der Künstleragentur Künstlersekretariat am Gasteig. Im Jahr 2020 gründete sie mit Vera Hefele das Projektbüro für nachhaltige Kultur. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen. 
Nachhaltigkeit bottom-up beim Museum Ludwig Köln

Die Grenzen des musealen Wachstums

Auch Museen stehen unter Wachstumsdruck. Und auch bei Museen lässt sich das nur schwer mit klimafreundlicherem Arbeiten verbinden, wie Miriam Swaszt gelernt hat. Sie ist Kuratorin für Ökologie am Kölner Museum Ludwig für moderne Kunst und hat dort das Team Nachhaltigkeit mitgegründet. Im Interview erklärt sie, wie sie den nachhaltigen Wandel des Museums voranbringt. Das Interview führten Vera Hefele und Teresa Trunk vom What if Projektbüro für nachhaltige Kultur.

Themenreihe klimafreundlich

Wie ist der Nachhaltigkeitsprozess damals im Museum Ludwig gestartet? 
 
Miriam Swaszt: Als das Thema Ökologie aufkam, befand sich das Museum schon seit einigen Jahren in einem Transformationsprozess. Wir hatten uns verstärkt mit Diversität und Diskriminierung auseinandergesetzt, als Team dazu Workshops besucht und uns darin geübt, klarer zu erkennen, wie wir als Museum - oft auch unbewusst - agieren. Welche Werke zeigen wir, wessen Geschichten werden erzählt? Wen stellen wir ein und wen beauftragen wir? Das heißt, wir sind immer wieder einen Schritt zurückgetreten, um zu überprüfen, ob wir auf allen Ebenen so handeln, wie wir es als Institution wollen. Diese Erfahrung und das wachsende Bedürfnis, Klima- und Umweltschutz nicht nur im Privaten zu praktizieren, ermutigten mich, die Betriebsökologie mehr in den Blick zu nehmen. Ich wollte einfach wissen, wie das Museum Ludwig zur Klimakrise beiträgt und wie Museen ihr bereits begegnen. 
 
Womit haben Sie konkret losgelegt? 
 
MS: Zunächst ging es darum, zu verstehen. Also habe ich mit Menschen gesprochen, die schon aktiv sind, gelesen und mit kleinen, überschaubaren Projekten angefangen. Beispielsweise das Projekt "Fahrradständer". Da wir ein städtisches Museum sind, ging es darum, Ansprechpartner:innen in der Stadt zu finden und Bedarf anzumelden. Es hat dann mehrere Monate gedauert, bis alle Gespräche geführt, Entscheidungen gefällt und die ersten zusätzlichen Fahrradständer installiert waren. Natürlich ist das kein großer Schritt auf dem Weg zur Dekarbonisierung, aber es hat das Gefühl der Selbstwirksamkeit gestärkt und zu guten Gesprächen im Museum und mit unseren Partner:innen geführt. Mit der Zeit kamen intern immer mehr Kolleg:innen auf mich zu und das Ganze nahm Fahrt auf, von Anfang an übrigens getragen von der Direktion. Bei dem Thema Strom hat sich Yilmaz Dziewior (Direktor d. Museum Ludwig) zum Beispiel dafür eingesetzt, Akteur:innen in der Stadt darauf aufmerksam zu machen, dass eine Neuausschreibung anstand, und den Wunsch formuliert, auf 100 Prozent Ökostrom zu wechseln. Dazu muss man wissen: Es gibt einen Vertrag für alle öffentlichen Gebäude der Stadt, der alle paar Jahre neu ausgeschrieben wird. Tatsächlich beziehen wir nun 100 Prozent Ökostrom und alle anderen städtischen Gebäude auch. Das lag nicht nur an uns. Aber die Gespräche mit den unterschiedlichen Abteilungen und Ämtern zu führen hat uns klar gemacht, dass wir nur vorankommen, wenn wir unser Wissen und Bestreben bündeln. So formte sich das "Team Nachhaltigkeit". 
 
Sie haben als eines der ersten Projekte angefangen, die Dachterrasse des Museums zu begrünen. Können Sie uns dazu etwas erzählen?
 
MS: Wir haben zwei Dachterrassen, die zum Teil schon bei der Eröffnung des Gebäudes 1986 begrünt waren. Aber das meiste wurde vernachlässigt und geriet in Vergessenheit. Die Terrasse, mit der wir 2020 angefangen haben, ist 400 qm groß. Unsere Vision ist, dass sie lebendig grün wird und wir nur aus Abfallprodukten Hochbeete bauen. Vom Forstamt bekommen wir per Amtshilfe Holzhäcksel, die Folie in den Beeten ist Malerfolie, die nicht mehr gebraucht wurde, und die Beete sind entweder alte Transportkisten oder wurden aus alter Ausstellungsarchitektur gebaut. Bis jetzt haben wir auf diese Weise ungefähr sieben Hochbeete da oben und es wächst stetig weiter - immer dann, wenn wieder Kisten zur Verfügung stehen. Wir nehmen uns Zeit. 
 
Was war besonders schön an dem Prozess? 
 
MS: Das fröhliche Ärmelhochkrempeln im Team, das gemeinsame Pflanzen mit Besucher:innen. Und das gemeinsame Lernen. Zum Beispiel: Woher kommt die Erde, die uns das Grünflächenamt zur Verfügung stellt? Ist sie torffrei? Warum ist es so wichtig, darauf zu achten? Gibt es auf der Dachterrasse genug Wasser? Woher kommt es? Ach, wir haben einen Brunnen unter dem Museum! Mit welchen Klimafolgen können wir jetzt schon rechnen? Wir bilden eine wirkliche "learning community" mit den unterschiedlichen Abteilungen im Museum, den Ämtern, den Besucher:innen, den Förderern. Und am Ende sitzt man zusammen im Freien, hört den Insekten zu, riecht den Lavendel und genießt die Lebendigkeit. Inzwischen erhalten wir sogar Pflanzenpost von Besucher:innen mit Samen aus dem eigenen Garten, unsere Meetings werden zum Picknick und die museumseigene Gastronomie freut sich über Kräuter von der Dachterrasse. 
 
Wie funktioniert das Team Nachhaltigkeit im Museum Ludwig heute? 
 
MS: Alle Mitarbeiter:innen sind eingeladen, einmal im Monat für 90 Minuten zusammenzukommen, um über Klimaschutz zu lernen und zu sprechen und Aktionen auf den Weg zu bringen. Die Teilnahme ist freiwillig. Ungefähr 30 von 60 Mitarbeiter:innen sind dabei, inklusive Direktion. 
 
Im Team Nachhaltigkeit gibt es verschiedene Untergruppen...
 
MS: Ja, zum Beispiel das Team Dachterrasse oder das Team CO2-Bilanz oder die Kolleg:innen, die sich mit Abfall und Recycling beschäftigen. Mehrere Kolleg:innen haben etwa recherchiert, was wo und wie oft entsorgt wird und wie viele Liter das jeweils sind, von den einzelnen Büros bis zur zentralen Abholungsstelle durch die Abfallwirtschaftsbetriebe. Dann haben wir ausgerechnet, was uns das monetär kostet und wieviel CO2(-Äquivalente) wir verursachen, wenn unser Abfall verbrannt wird. Wir haben uns auch ein Video angeschaut aus der Müllverbrennungsanlage Köln... also ein bisschen "Sendung mit der Maus". Es hat Spaß gemacht, weil es so real und handfest ist und uns geholfen hat, die Mülltrennung wirklich durchzusetzen, auch wenn es unbequemer sein mag. Wir haben jetzt nur noch Papiermülleimer in den Büros und in den Küchen sind fünf verschiedene Tonnen zum Trennen. Jetzt heißt es natürlich, Müll zu vermeiden, Materialkreisläufe zu etablieren usw. Es bilden sich so immer wieder neue Themengruppen. 
 
Wie war das Commitment am Anfang unter den Mitarbeiter:innen und wie hat es sich entwickelt? 
 
MS: Es gab da anfangs eine Mischung aus Neugierde, Euphorie und Zögern. Ideen wurden gesammelt, Mini-Workshops organisiert, Fragen gestellt. Die Skeptiker:innen waren und sind aber im Prozess genauso wichtig wie die, die gleich loslegen, weil durch sie Themen adressiert werden, über die wir bisher noch nicht genug gesprochen haben. Beispielsweise, dass manche trotz Interesse aus Zeitgründen nicht an den Treffen teilnehmen können. Das führt natürlich zu der Frage, nach welchen Werten wir uns am Museum ausrichten? Wie können sich Mitarbeiter:innen einbringen und weiterentwickeln in einem System, das bisweilen von Ausstellung zu Ausstellung hetzt? Die Antworten suchen wir noch, probieren Dinge aus. Neben der Freude über die ersten gemeinsamen "Erfolge" gibt es immer wieder Phasen der Frustration und Ratlosigkeit. Das ist normal. Da tut es besonders gut, im Team zu arbeiten und sich gegenseitig weiterzuhelfen. 
 
Hat Sie während des bisherigen Prozesses etwas überrascht? 
 
MS: Wir lernen uns innerhalb des Museums nochmal ganz anders kennen, begegnen uns neu. Viele sind im Privaten längst aktiv im Klima- und Umweltschutz, bringen Wissen und Erfahrung mit, die bislang einfach nicht abgerufen worden waren. Es ist schön, durch die Nachhaltigkeit voneinander zu lernen, außerhalb der sonst existierenden Hierarchien. 
 
Was für Erkenntnisse gab es noch durch den Prozess? 
 
MS: Mir ist während dieser ersten drei Jahre klar geworden, dass Transformation in einem "überdrehten" Museum nicht wirklich möglich ist - und genau das ist ihre enorme Chance. Der Druck, die Zahl der Ausstellungen, Leihgaben und Förderungen stetig wachsen zu lassen, ist groß. Wem tut das gut? Wo sind die Grenzen? Und was gewinnen wir, wenn wir Klimaschutz bei jedem Schritt mitdenken? Dann fängt man an, Werte zu überdenken. Woran messen wir uns? Der Wandel in der Kultur vieler Unternehmen hin zu mehr Gemeinwohl, wie wir ihn mehr und mehr beobachten können, ist auch ohne die Klimakrise begrüßenswert. Mir scheint, Museen stehen da erst am Anfang. 
 
Wie beziehen Sie externe Partner:innen mit ein? 
 
MS: Das Museum Ludwig hat beispielsweise ein externes Reinigungsteam. Mit den Fachkräften und der Unternehmensleitung haben wir uns über die Reinigungsmittel ausgetauscht. So haben wir gelernt, was es schon gibt und verwendet wird und woran man noch arbeitet. Wir durften die Erfahrung machen, dass sich viele Fremdfirmen längst auf den Weg gemacht haben, nachhaltiger zu werden, ohne dass wir mit ihnen je darüber gesprochen hätten. Unsere Nachfrage motiviert dann nochmal und verleiht noch mehr Dringlichkeit. Genauso übrigens umgekehrt, wenn zum Beispiel Sponsor:innen uns fragen, wie nachhaltig wir arbeiten. 
 
Welche besonderen Herausforderungen gibt es durch die enge Anbindung an die Stadt? 
 
MS: Als Amt 4511 der Stadt Köln sind wir Teil eines komplexen Systems, was dazu führt, dass Maßnahmen mit sehr vielen Personen besprochen werden müssen und Entscheidungen nicht allein von uns getroffen werden können. So wird das Gebäude etwa vom Amt für Gebäudewirtschaft unterhalten. Eine Lichtdecke auf LED umzurüsten, ist auch deshalb ein zeitaufwändiges Unterfangen. Ich lerne immer wieder, dass die Transformation kein Hauruck-Prozess ist, dass sie Zeit braucht. Aber die Zeit ist nicht vergeudet, denn jedes Gespräch führt zu mehr Wissen und Erfahrung auf allen Seiten. 
 
Gibt es viele Frustrationsmomente in Ihrer Arbeit im Museum Ludwig? 
 
MS: Es läuft natürlich nicht alles glatt. Wir erleben immer wieder Momente der Frustration oder Ungeduld, das gehört dazu. Unsere CO2-Bilanz ist immer noch rudimentär, wir haben immer noch nicht vollständig auf LED umgerüstet, unsere Klimaanlage läuft mit einem Kältemittel, das mit einem "grünen Museum" absolut nicht zu vereinen ist und, und, und. Es ist ein Ausbalancieren zwischen den großen Projekten, die viel Vorlauf benötigen, und denen, an denen man schneller wirksam werden kann. Wichtig scheint mir, da auch ehrlich zu kommunizieren und immer wieder daran zu erinnern, dass dies kein Kurzstreckenlauf ist, sondern wohl eher eine Lebensaufgabe. Das heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen, aber dass wir den Druck auch nicht übergroß werden lassen dürfen. Kann es uns gelingen, diesen Prozess vielleicht sogar zu genießen? Immerhin geht es beim Klimaschutz um Lebensqualität, Gesundheit, Awareness. Das gelingt nur, wenn es uns gelingt, schon den Weg dahin umsichtig zu beschreiten, uns dabei lebendig zu fühlen, mit allem Frust und aller Freude. 
 
Dieses Interview stammt aus unserem Leitfaden "Nachhaltigkeitsmanagement
 

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB