20.12.2021

Autor*in

Johannes Hemminger
studierte Philosophie sowie Neuere und Neueste Geschichte in Tübingen und arbeitete danach im Marketing, Community Management und Projektmanagement in der Videospielbranche. Von 2021 bis 2023 war er Redakteur bei Kultur Management Network.
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Wahlkultur 2021

Kulturpolitik im Koalitionsvertrag

Unsere Reihe Wahlkultur stellte vor der Bundestagswahl 2021 die Kulturprogramme der größten Parteien vor und verglich zentrale Punkte. Mit dem Beschluss des Koalitionsvertrages zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist es nun an der Zeit, die Pläne der drei Parteien für die Kulturpolitik der nächsten Jahre zu beleuchten.
I. Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Koalitionsvertrag
 
Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP findet sich die "Kultur- und Medienpolitik" im Großkapitel VI "Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie", das der Innenpolitik gewidmet ist. Mit dieser Einordnung wird der Fokus, wie bereits im letzten Koalitionsvertrag, auf die demokratiefördernde Komponente von Kunst und Kultur gelegt. Die Ampel plant daher, "Kunst und Kultur und ihre Vielfalt zu fördern und die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern zu verbessern" als "ein(en) Beitrag zur Sicherung unserer Demokratie. Wir setzen uns daher für eine starke Kulturszene und Kreativwirtschaft ein, die fortbestehen und wieder erblühen kann" (S. 103).
 
Dabei verschieben sich auch die kulturpolitischen Leitlinien von "Kultur für alle" zu "Kultur mit allen": Die Agenda der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth zielt damit auf partizipative Ansätze und die Einbettung von Kunst und Kultur in der Zivilgesellschaft, wozu auch ein breiteres Kulturverständnis als Grundtenor gehört, das "unabhängig von Organisations- oder Ausdrucksform, von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen" sein soll (S. 121). Ob es die Bezeichnung von Clubs als Kulturorte oder viele explizite Erwähnungen freier Künstler*innen ist: Hier soll vermittelt werden, dass Kultur auch außerhalb der klassischen Museen, Opernhäuser und Theater stattfindet und förderwürdig ist. Wenngleich der Kulturpolitik mit alldem eine wichtige, gesamtgesellschaftliche Rolle zugeschrieben wird, wird ihr mit knapp 6 von 178 Seiten jedoch weiterhin - wie im vorherigen Koalitionsvertrag und in den Parteiprogrammen - recht wenig Platz eingeräumt. 
 
II. Besonders betonte Inhalte im kulturpolitischen Programm
 
Das Ziel der Kulturpolitik wird klar gesetzt: Kulturelle und künstlerische Impulse sollen diskriminierungsfrei die Gesellschaft inspirieren und Raum für Debatten bieten. Damit das funktioniert, soll Kultur als Staatsziel verankert werden, was alle drei Parteien in ihren Wahlprogrammen gefordert hatten. Dabei will die Ampelkoalition für "Barrierefreiheit, Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit" einstehen (S. 121). Eine führende Handschrift lässt sich im kulturpolitischen Teil jedoch nicht ausmachen. Vielmehr finden sich Aspekte aller drei Programme wieder: so etwa Flexibilisierung und Vereinfachung von Förderstrukturen und Bürokratie von der FDP, ein Fokus auf Breitenkultur anstatt Hauptstadtprojekten von der SPD und Nachhaltigkeit in allen Bereichen von den Grünen. 
 
III. Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte
 
Gesellschaftliche Teilhabe
 
"Kultur mit allen" ordnet sich im Koalitionsvertrag direkt nach den Kapiteln zu verschiedenen Lebensrealitäten, vom queeren Leben bis zur Migration, ein und schließt direkt an den Punkt Antidiskriminierung an. Die Bekämpfung von Rassismus, Homophobie und anderen Formen der Diskriminierung steht damit bereits strukturell in der Nähe der Kultur. Auffällig ist aber, dass diese Themenfelder umfassender betrachtet werden. So stehen zum Beispiel konkrete Vorhaben zur Einbürgerung direkt vor der Unterstützung muslimischer Jugendvereine gemeinsam im Kapitel "Vielfalt". Trotzdem wirkt es befremdlich, dass Kultur, Vielfalt und Gleichstellung es nicht zu einem Gesamtkapitel gebracht haben, sind doch so viele Punkte untereinander eng vernetzt. Das im Unterkapitel "Vielfalt" betonte Vorhaben, Haftungsrisiken bei ehrenamtlichen Tätigkeiten zu minimieren und das Ehrenamt generell zu stärken, ist beispielsweise ein Punkt, der für viele Kulturinitiativen in Deutschland ebenfalls handfeste Auswirkungen haben kann. Im Kulturkapitel wird es jedoch nicht erwähnt.
 
Ebenfalls sollte man sich fragen, ob die Punkte zu verschiedenen Lebensrealitäten nicht auch einen Platz im deutschen Kulturteil bräuchten, um die Bedeutung von "Kultur mit allen" bereits im Koalitionsvertrag zu konkretisieren. Insofern bleiben auch die meisten Absichtserklärungen oft vage und ergebnisoffen. Es liest sich zwar zunächst gut, wenn ein Partizipationsrat die Partizipation in der Einwanderungsgesellschaft befördern soll. Greifbare Kompetenzen oder auch nur Aussagen zur Besetzung fehlen jedoch. Weiterhin bleibt abzuwarten, inwieweit "Kultur als Staatsziel" wirklich im Grundgesetz verankert werden kann, oder ob dieses Vorhaben eher ein symbolisches bleibt. Denn für dessen Umsetzung bräuchte die Ampel eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. 
 
Erinnerungskultur
 
Ein weiteres besonders betontes Ziel zur Förderung der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist die Stärkung der Erinnerungskultur. Dazu gehört auch die Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit. "Die Aussöhnung mit Namibia bleibt für uns eine unverzichtbare Aufgabe, die aus unserer historischen und moralischen Verantwortung erwächst," so greift der Koalitionsvertrag den Völkermord an den Herero und Nama unter deutscher Kolonialherrschaft auf. Weiter soll die Aufarbeitung auch im Kontext von Sammlungen gehen: "Wir unterstützen insbesondere die Rückgabe von Objekten aus kolonialem Kontext." Digitalisierung, Provenienzforschung und Transparenz möchte die Koalition dafür unterstützen. Dieser vermeintlich klaren Ansage mangelt es für die konkrete Umsetzung an Details und expliziten Versprechen. So wird etwa die Forderung nach Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria nicht explizit erwähnt, obwohl diese für 2022 angekündigt wurde.
 
Ebenso werden Kulturgüter aus der Kolonialzeit vage als "kolonial belastetes Sammlungsgut" bezeichnet, während bei NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern eindeutig von "Raubkunst" gesprochen wird. Dort sind auch die Versprechen greifbar: So will die Ampel "einen Auskunftsanspruch normieren, die Verjährung des Herausgabeanspruchs ausschließen, einen zentralen Gerichtsstand anstreben und die ‚Beratende Kommission‘ stärken". Ebenso soll das Bundesprogramm "Jugend erinnert" verstetigt und modernisiert werden. Immerhin. Unkonkret bleibt jedoch der kurze Absatz zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Mehr Geld soll der Bund nur bei einer grundlegenden Verbesserung der Governance geben und das Humboldt Forum soll Ort für weltoffene, demokratische Debatten sein. Was das genau heißen soll, bleibt der Koalitionsvertrag aber schuldig. Nach den schleppenden Diskussionen der letzten Jahre wären hier klarere Ansagen anstelle nebulöser Absichtserklärungen nötig gewesen.
 
Medien
 
Ebenfalls unklar ist, was die Ampelkoalition beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk plant. Die FDP war mit der Forderung nach einer Konzentration auf Nachrichten, Kultur, politische Bildung und Dokumentationen im Wahlprogramm angetreten. Das sollte auch die Zahl der Fernseh- und Hörfunkkanäle reduzieren und eine Beitragssenkung möglich machen. Im Koalitionsvertrag ist davon allerdings nichts zu sehen. Die Deutsche Welle soll sogar weiter ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang, aber auch für Kulturschaffende von Bedeutung, steht das Vorhaben, ein Presseauskunftsrecht auf Bundesebene zu schaffen. Das wird schon seit vielen Jahren gefordert und könnte die Berichterstattung auch in der Kulturpolitik beleben und für mehr Transparenz sorgen, indem beispielsweise Vergabeverfahren im Nachhinein besser aufgearbeitet werden können. Ein solches Presseauskunftsrecht war bereits von der Großen Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart worden, wurde aber nicht umgesetzt. Sowohl Grüne als auch FDP scheiterten in der vergangenen Wahlperiode mit entsprechenden Gesetzesentwürfen.
 
IV. Arbeitsbedingungen im Kulturbereich
 
Soziale Lage und Gerechtigkeit
 
Besonders im Blick hat die Ampel in ihren kulturpolitischen Plänen die sozioökonomische Situation - besonders von freien - Kulturschaffenden. Dafür ist zum einen eine statistische Berichterstattung zur sozialen Lage von Künstler*innen geplant. Eine große Neuerung in der Förderung ist die Ergänzung der Förderrichtlinien des Bundes um Mindesthonorierungen. Besonders für Freischaffende soll auch die Zuverdienstgrenze aus nicht-künstlerischer Tätigkeit erhöht werden, Bürokratie abgebaut und die Künstlersozialkasse finanziell stabilisiert werden. Anspruch auf Arbeitslosengeld sollen zudem Geschäftsführer einer GmbH erhalten. Im Rahmen der Neustarthilfen ist außerdem geplant, die Überbrückungshilfe III Plus "so lange wie nötig" fortzuführen. Für eine schnellere und bessere finanzielle Unterstützung von Selbstständigen in künftigen Krisenzeiten will die Ampel "kein neues Regelsystem" schaffen, sondern eine "Vorsorge für steuerfinanzierte Wirtschaftshilfen" treffen. Hier wird die praktische Umsetzung - und in vielen Fällen auch die noch nicht festgelegten Zahlen - zeigen, ob substanzielle Änderungen umgesetzt werden, die (Solo-)Selbständigen und freischaffenden Kulturakteur*innen wirklich helfen. 
 
Weiterhin will die Ampel "die Gleichstellung von Männern und Frauen in diesem Jahrzehnt" erreichen (S. 114). Speziell für den Kulturbereich soll der Gender-Pay-Gap transparent gemacht und geschlossen werden. Dafür soll das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickelt werden. Dabei sollen Arbeitnehmer*innen ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozesstandschaft geltend machen, um die Durchsetzung des Gesetzes zu stärken. Ebenso sind paritätisch und divers besetzte Jurys und Gremien sowie eine Amtszeitbegrenzung geplant. Damit verbundene Erfolge und weitere Handlungsbedarfe sollen mit einer erweiterten "Berichterstattung der jährlichen Informationen der Bundesregierung über die Entwicklung des Frauen- und Männeranteils an Führungsebenen und in Gremien der Privatwirtschaft und des Öffentlichen Dienstes" sichtbar gemacht und bei Bedarf gesetzlich nachgeschärft werden (S. 114). 
 
Ebenso für Kulturschaffende relevant ist das Vorhaben der Ampelkoalition, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Dafür soll die sogenannte "Überforderungsklausel" überarbeitet und für Unternehmen übersichtlicher gestaltet werden. Damit sollen mehr Beschäftigte in Brückenteilzeit gehen können. Die Familienbesteuerung will die Koalition "so weiterentwickeln, dass die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit mit Blick auf alle Familienformen gestärkt werden. Im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung werden wir die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen, das dann einfach und unbürokratisch anwendbar ist und mehr Fairness schafft." (S. 115) 
 
Verwaltung und öffentlicher Dienst
 
Zudem ist eine Modernisierung der Verwaltung und des öffentlichen Diensts geplant, was auch Kultureinrichtungen mit entsprechenden Strukturen betreffen wird. Der Staat soll dabei für "Vielfalt, Gleichstellung und flexiblen sowie digitalen Arbeitsbedingungen Vorbild sein". Silodenken soll überwunden werden, wofür die Ampel "feste ressort- und behördenübergreifende agile Projektteams und Innovationseinheiten mit konkreten Kompetenzen ausstatten" möchte. Weiterhin sollen die "Leitung der Ministerien und den Führungskräften im Öffentlichen Dienst (…) eine moderne Führungs- und Verwaltungskultur vorantreiben und für digitale Lösungen sorgen." Ebenso sollen "Personalaustausch und die Rotation zwischen verschiedenen Behörden, zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Verwaltung und Privatwirtschaft" vereinfacht und gefördert werden. Einstellungsvoraussetzungen sollen in Richtung praktischer Berufserfahrungen flexibilisiert und das Altersgeld gestärkt werden (Vgl. S. 9). 
 
Digitalisierung und Urheberrecht
 
Zentrales Thema der Kultur- und Medienpolitik bleibt weiterhin die Digitalisierung und damit einhergehend das Urheberrecht. Hier sollen die Mitte 2021 zu im deutschen Recht gemachten Neuerungen, mit denen die europäische DSM-Richtlinie zum digitalen Binnenmarkt umgesetzt wurde, auf Praxistauglichkeit geprüft werden. Das ist nur folgerichtig, denn den aktuellen Regelungen fehlt Weitsicht, womit sie langfristig nicht praktikabel wären. Auch auf europäischer Ebene stehen hier noch weitere Verhandlungen an. Die Absichtserklärungen, allen voran der Interessensausgleich zwischen Kreativen und Plattformen, bleiben ohne konkrete Zielsetzungen etwas verloren im Koalitionsvertrag zurück. Als Beispiel seien die Uploadfilter genannt, die - wie von der Vorgängerregierung - abgelehnt werden. Um Uploadfilter jedoch zu vermeiden, müsste sich die Gesetzeslage ändern, die aktuell so gestaltet ist, dass sie fast zwangsläufig kommen werden. Dieser Punkt wird jedoch nicht ausgeführt. In anderen Bereichen ist der Koalitionsvertrag konkreter: So bekennen sich die Koalitionsparteien zu Open Data und zur verschlüsselten Kommunikation. Zudem soll ein Dateninstitut zukünftig bei öffentlichen Stellen für mehr Standardisierung und Verfügbarkeit sorgen. Verbunden mit dem Fokus auf eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung, nicht zuletzt durch das Onlinezugangsgesetz, müssen sich Kultureinrichtungen der öffentlichen Hand hier auf Neuerungen einstellen. Absolut zu begrüßen wäre das, sofern es zu einem verantwortungsbewussteren und gleichzeitig effizienteren Umgang mit den Daten und Möglichkeiten der Digitalisierung führt. Hilfreich dafür könnte auch das Vorhaben sein, Digitalisierung zu einem allgemeinen und behördenübergreifenden Bestandteil der Ausbildung zu machen.
 
V. Gestaltung des Verhältnisses zwischen Bund, Ländern und Gemeinden
 
Wenngleich es weiterhin kein Bundeskulturministerium geben soll, will die Ampel zumindest neue Anlaufstellen auf Bundesebene schaffen, die insbesondere die Förderberatung für Kommunen verbessern sollen. Drei davon sind bereits geplant: So soll ein Plenum der Kultur etabliert werden, an dem sich Länder, Kommunen, Kulturproduzenten, Verbände und Zivilgesellschaft beteiligen sollen, um den Austausch über Kooperationen und Standardisierungen zu verbessern. Ebenso geplant sind "Green Culture" für nachhaltige Transformation und ein Kompetenzzentrum für digitale Kultur, die Kulturakteur*innen beraten und qualifizieren sollen.
 
Auch für die Kultur- und Kreativwirtschaft sollen ein*e Ansprechpartner*in in der Bundesregierung verankert werden und speziell nicht-technische Innovationen gefördert werden. In diesem Bereich soll die Games-Förderung verstetigt werden, aber es wird auch mehr Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus und eine Prüfung der Förderung unabhängiger Verlage versprochen. Die Filmförderung soll zusammen mit den Ländern novelliert und neu geordnet werden. Dabei soll es vor allem um Steuersicherheit, aber auch um steuerliche Anreize gehen. Spezifische Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit, Diversität und Gleichstellung im Film, wie besonders im Wahlprogramm der Grünen gefordert, finden sich aber nicht.
 
Zudem soll die gesamte Förderinfrastruktur vereinfacht und flexibilisiert werden. Ebenso liegt ein besonderer Fokus der Förderung auf Klimaschutz, strukturschwache Regionen, Infrastrukturpflege und Barrierefreiheit. Sehr begrüßenswert ist, dass alle Bundesförderprogrammen regelmäßig und einheitlich evaluiert werden sollen. Selbstverständlich wird hier es an der konkreten Umsetzung hängen, ob für den Kulturbereich dadurch mehr leere Bürokratie oder tatsächliche strukturelle Verbesserungen entstehen. Speziell für Kommunen wird eine Reduzierung von Eigenanteilen in Aussicht gestellt. Um diese zu flexibilisieren, sollen nicht abgerufene Mittel den Kommunen überjährig weiterhin zweckgebunden zur Verfügung gestellt werden. Sicherlich eine sinnvolle Neuerung, die mehr Freiraum bei Antragsfristen bieten sollte. Im allgemeinen Teil des Vertrags angesiedelt und für den Kulturbereich relevant ist das Vorhaben, im ländlichen Raum die Schaffung gebündelter Angebotsräume zu unterstützen - wie Dorfbüros und Gemeinschaftshäuser. 
 
VI. Auswärtige Kulturpolitik und -förderung
 
Die internationale Kulturpolitik beschreibt die Ampelkoalition im Koalitionsvertrag "als dritte Säule der Außenpolitik" und schreibt der Kultur eine demokratie- und gesellschaftsfördernde Rolle zu. Dabei werden ähnliche Ziele wie auf nationaler Ebene verfolgt: Nachhaltigkeits-, Klima-, Diversitäts- und Digitalstrategien will die Ampel auch hier verabschieden. Insbesondere mit Blick auf die interantionale Bewältigung der Klimakrise will die Koalition "die Zusammenarbeit mit multilateralen Foren wie der UNESCO, den G7 und G20 stärken und eigene Maßnahmen wie den KulturGutRetter ausbauen" (S. 127). Um die koloniale Vergangenheit aufzuarbeiten, ist der Ampelkoalition das Versöhnungsabkommen mit Namibia wichtig. Angesichts der Proteste ist es aber fraglich, ob das Abkommen, das nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedet wurde, vom namibischen Parlament in seiner jetzigen Form ratifiziert wird. Generell soll die Kulturpolitik "einen Beitrag für eine gemeinsame Zukunft zwischen Europa und Afrika" leisten. Mit dem Sonderprogramm "Globaler Süden" will die Ampel "koloniale Kontinuitäten überwinden, (…) in Partnerschaft auf Augenhöhe begegnen und unabhängige wissenschaftliche Studien zur Aufarbeitung des Kolonialismus (veranlassen)" (S. 126). 
 
Generell soll die Auswärtige Kulturpolitik und -förderung gestärkt, flexibilisiert und über Ressortgrenzen koordiniert werden. Mittlerorganisationen wie das Goethe Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Alexander von Humboldt-Stiftung, das Deutsche Archäologische Institut und das Institut für Auslandsbeziehungen will die Ampel stärken und "in der kulturellen Bildung neue Präsenzformate auch in Deutschland ermöglichen" (S. 126).
 
Fazit
 
Zusammenfassend finden sich im Ampel-Koalitionsvertrag zahlreiche schöne Absichtserklärungen, die aber fast ausnahmslos die Frage nach der konkreten Umsetzung unbeantwortet lassen. Andere Bereiche, wie die kulturelle Bildung, werden kaum erwähnt. Hier wird eine Evaluation angestrebt, aber ansonsten keine Maßnahmen angekündigt. Angesichts der Debatte um das Verhältnis von kultureller und politischer Bildung ein Versäumnis. Das mag auch der Schwierigkeit geschuldet sein, drei Parteiprogramme in relativ kurzer Zeit vereinbaren zu müssen, was Auslassungen und ein Fehlen von konkreten Aussagen erklären mag. Auch bleibt durch den Aufbau der Koalitionsvereinbarung manchmal offen, welche Vorhaben auf den Kulturbereich anwendbar sind. In welchem Umfang werden beispielsweise Kommunen bei nachhaltigen Renovierungsmaßnahmen in Kulturhäusern unterstützt? Schaut man über den Kulturtellerrand hinaus auf den vorgelegten Nachtragshaushalt, erscheint es wahrscheinlich, dass hier viele Mittel fließen könnten.
 
Diese Unklarheit im Koalitionsvertrag (die übrigens aber diesem Dokumententyp stets zu eigen ist) führt dazu, dass viel von der Amtsführung der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth abhängen wird und davon, welche Freiräume sie für die Kultur im Regierungshandeln herausverhandeln kann. Denn nach der Lektüre des Koalitionsvertrags bleibt man bisher mit dem Eindruck zurück, dass viel Gutes gewollt wird, aber völlig offen ist, wie man es erreichen wird.

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