23.09.2019

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Manuel Bust
studierte Medienkulturwissenschaft und Management in Köln und Paris. Während des Studiums arbeitete er u.a. beim WDR, dem Deutschen Musikrat und an der Kölner Philharmonie. Beim Festival Heidelberger Frühling verantwortete er das Konzertmanagement und die Heidelberg Music Conference. 2017 übernahm er bei den Münchner Philharmonikern die Leitung künstlerische Planung und Betrieb.
Berufsbilder im Kulturbereich

Leitung eines Künstlerischen Betriebsbüros (KBB)

Sich mit Klassischer Musik auszukennen, ist sicherlich eine wichtige Kompetenz für die Leitung Künstlerische Planung und Betrieb eines Orchesters. Mut und Neugier, ein Talent um Umgang mit Menschen und ein gewisser Hang zu Zahlen sind aber mindestens genauso wichtig, wie uns Manuel Bust von den Münchner Philharmonikern für unsere Serie zu Berufsbildern im Kulturmanagement verriet.

Themenreihe Berufsbild

Würden Sie uns Ihre wichtigsten beruflichen Stationen beschreiben? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
 
Für meine jetzige Tätigkeit waren besonders zwei frühere Stationen prägend: Bereits während meines Studiums konnte ich an der Kölner Philharmonie als Assistent der Programmplanung an der Gestaltung und Struktur eines jährlich über 400 Veranstaltungen zählenden Programms mitwirken. Vielleicht noch wichtiger als diese Arbeit an Tabellen, Budgets und Abostrukturen war die Möglichkeit, all diese Veranstaltungen zu besuchen. Die Philharmonie wurde mein zweites Wohnzimmer und ich konnte in hunderten Konzerten mein Gehör, meine Repertoirekenntnisse und meine Urteilsfähigkeit schulen, Programmdramaturgien und Publikumsreaktionen beobachten, persönlichen Kontakt zu KünstlerInnen aufbauen usw. Ein besseres Trainee-Programm könnte ich mir nicht vorstellen. 
 
Nach dem Studium ging ich zunächst als Projektleiter und später als Leiter des Konzertmanagements (KBB) zum Klassik-Musikfestival "Heidelberger Frühling". Die Vorbereitung und Durchführung von ca. 120 Veranstaltungen in fünf Festivalwochen war eine ganz neue Herausforderung, ebenso die Verantwortung, ein Team aus Mitarbeitern, VolontärInnen, PraktikantInnen und studentischen MitarbeiterInnen zu führen und auch bei punktuell sehr hohen Belastungen zu motivieren. Festivals sind manchmal richtige Boot-Camps (im positiven Sinne) - wenn man dort einen kühlen Kopf bewahrt und seine eigene Freude auf andere übertragen kann, ist man ganz gut gerüstet. 
 
Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus und was erfüllt Sie dabei mit besonderer Freude?
 
Heute bin ich zum einen verantwortlich für die Planung von ca. 70 Konzerten in München (mit etwa 30 bis 35 unterschiedlichen Programmen) und ca. 30 Gastspielen weltweit. Zum anderen leite ich den "Künstlerischen Betrieb", zu dem bei den München Philharmonikern das Künstlerische Betriebsbüro (kurz KBB) und das Orchestermanagement gehören. Mein Tätigkeitsbereich macht also den in diesem Bereich typischen Spagat zwischen künstlerischen, administrativen, logistischen und tarifrechtlichen Fragen. In der künstlerischen Planung geht es vor allem um die Auswahl der Gastkünstler, die zu uns kommen, und um die Programmgestaltung der Saison. Neben dem Engagement der großen Stars an Pult, Tasten oder Saiten ist es auch das "Scouten" nach den spannendsten DirigentInnen und SolistInnen der nächsten Generation, die meine Arbeit besonders interessant macht.  
 
Dass es den "typischen Arbeitstag" gar nicht gibt, empfinde ich als großes Plus. Jede Woche sind andere MusikerInnen bei uns zu Gast, die das ganze System "Orchester" in eine bestimmte Dynamik versetzen können. Ist der Proben- und Konzertbetrieb in vollem Gange, kommt man weniger zur langfristigen Planungsarbeit; dafür bieten sich eher Tage an, an denen das Orchester frei hat. Besondere Freude empfinde ich bei Orchestertourneen. Mitzuerleben, welche Begeisterung das eigene Orchester im In- und Ausland auslösen kann, ist das größte Geschenk für jahrelange Vorausplanung und den immensen logistischen Aufwand. 
 
Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen? 
 
Mein Studiengang an der Universität Köln nannte sich "Medienkulturwissenschaft/ Management" und war einer der ersten Modulstudiengänge nach Bologna-Reform. Er bestand aus ca. 60% Theater-, Film- und Medienwissenschaft und 40% Betriebswirtschaftslehre. Den BWL-Teil absolvierte man an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät mit allen anderen Vollzeit BWL- und VWLlern, es gab also keinen "Schongang" für die Geisteswissenschaftler. Die Leistung, beide Studienbereiche inhaltlich gut miteinander zu vernetzen, wurde institutionell nicht erbracht - dafür musste man selbst sorgen, was ich im Nachhinein als Vorteil empfinde. Außerdem ließ das Hauptstudium einige Wahlbereiche zu, die ich fast komplett mit Musikwissenschaft gefüllt habe. Dank dieser Flexibilität konnte das Studium gut nach den eigenen Perspektiven ausgerichtet werden und die Kombination verschiedener Studiengänge ist für die Tätigkeit im künstlerisch-administrativen Bereich ohnehin nützlich. 
 
Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
Auch wenn es zunehmend spezialisierte Studiengänge gibt, sollte man meines Erachtens so früh wie möglich Praxisluft schnuppern. Und das bestenfalls nicht in zweiwöchigen Praktika, sondern in studentischen Nebenjobs. Davon habe ich persönlich besonders profitiert. Ab dem zweiten Semester habe ich jeweils ca. ein Jahr beim WDR im Orchestermanagement, beim Deutschen Musikrat im Dirigentenforum und im Deutschen Musikinformationszentrum sowie in Paris bei einem privaten Konzertveranstalter gearbeitet. Auch die Erfahrung, fernab des Musikbetriebs, in der Unternehmenskommunikation eines Kabelnetzbetreibers war sehr aufschlussreich. Spezifische Kompetenzen wie etwa zum TVK (Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern) lassen sich außerdem gut im Selbststudium oder durch Fortbildungen erwerben. Auch haben meine bisherigen Arbeitgeber immer Möglichkeiten für weiteren Fortbildungen unterstützt, etwa zum Thema Führung. 
 
Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
Obwohl mein erster Job in dieser Branche nun auch 10 Jahre zurückliegt, wäre eine langjährige Diagnose aufgrund meines Alters vielleicht etwas vermessen. Sicherlich ist festzustellen, dass - wenn auch verspätet - digitale Arbeitsprozesse mehr und mehr Einzug halten. Verschiedenste Planungssoftwares sind bereits Realität, aber es werden regelmäßig weitere Lösungen auf den Markt gebracht, für Veranstaltungsmanagement, Personalrecruiting etc. Dies betrifft v.a. die internen Arbeitsprozesse. Die Potenziale dieser neuen Möglichkeiten abzuschätzen, sie in die bestehenden Strukturen einzuführen oder auch bestehende Strukturen zu verändern, wird neben digitalen auch immer mehr Change-Management-Kompetenzen verlangen. Bei der künstlerischen Planung wird der kreative Umgang mit Konzert- und Programmformaten glücklicherweise zunehmen, allerdings glaube ich auch, dass das traditionelle Konzert als Gegenpol zur allgegenwärtigen medialen Zerstreuung eine neue Relevanz erfahren wird.
 
Spannend in den nächsten Jahren wird die weitere Entwicklung im Medienbereich sein - hier suchen die traditionsreichen Labels noch immer nach tragfähigen Geschäftsmodellen jenseits des CD und DVD-Marktes und das berührt natürlich auch die Medienpräsenz der Orchester. Und die Entwicklung der Märkte in Fernost oder Lateinamerika bleibt spannend. Die Münchner Philharmoniker haben jährlich mindestens eine internationale Tournee nach Asien oder in die USA. Diese werden sehr langfristig geplant und müssen auch weltwirtschaftliche Entwicklungen antizipieren. Da berühren sich künstlerische Planung und internationale Politik, was äußerst spannend ist. 
 
Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen KulturmanagerInnen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
In meinem Fall gab es eher Situationen, in denen ich mich fragte, ob ich der vor mir liegenden Aufgabe schon gewachsen sei. Gerade als mir die Leitung des KBBs in Heidelberg angeboten wurde - da war ich 26 - hab ich erstmal mit ein paar Leuten telefoniert, die mir ihre Unterstützung anboten, falls ich Rat bräuchte. Das wiederholte sich zwei Jahre später für den Schritt nach München - aber letztlich bin ich überzeugt, dass man manche Risiken einfach eingehen muss. Kernkompetenzen für die Programmarbeit, und die hat meines Wissens bisher keine Universität im Curriculum, sind Mut und Neugier. Eine Portion Demut vor der Tradition und Geschichte einer Institution schadet übrigens auch nicht. 
 

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