01.03.2012
Buchpreisbindung

Wer profitiert am meisten?

ABSTIMMUNG Sollen für Bücher fixe Preise gelten? Am 11. März stimmt die Schweiz über das Buchpreisbindungsgesetz ab. Umstritten ist, wem das neue Gesetz nützen würde und wer den Schaden hätte.
PRO
 
Kommentar von Dirk Vaihinger, Vizepräsident Schweizer Buchhändler- und Verlegerverband
 
Preisabsprachen sind unschön. Da blickt man nie genau durch, wer mit wem abspricht und zu wessen Nachteil. Noch unschöner ist es, wenn mit Steuergeld die Flurschäden des entfesselten freien Marktes ausgeglichen werden müssen da hat man als Bürger erst recht keinen Durchblick mehr.

Ein Buch ist ein Kulturgut und eine Ware. Seit der Abschaffung der Preisbindung vor vier Jahren ist es nur noch eine Ware. Seither wurden alle Bücher teurer, die nicht Bestseller sind (Eurokurs-Anpassungen nicht gerechnet). Es gibt aber keine Konsumenten, die ausschliesslich Bestseller kaufen. Jeder braucht auch mal ein Fachbuch oder ein Bilderbuch fürs Patenkind. Und jeder sollte sich darüber ärgern, wenn er für diese Bücher mehr bezahlen muss, nur weil sie gerade nicht von der Mehrheit gekauft werden. Oder wenn er in Thusis mehr dafür bezahlt, nur weil er gerade nicht im Hauptbahnhof Zürich steht.

Am 11. März stehen zwei Optionen zur Wahl: Entweder wir lassen es zu, dass die Preise von den Verlagen festgelegt werden. Die Preiskonkurrenz unter ihnen ist so massiv, dass sie ihre Produkte ohnehin viel zu günstig anbieten müssen. Mit der Preisbindung können sie aber Bücher produzieren, bei denen nicht der kommerzielle Erfolg im Vordergrund steht. Buchhändler nehmen diese Nicht-Bestseller genau dann ins Sortiment, wenn sie keine Rabatte auf Bestseller geben müssen oder dürfen.

Oder aber die Händler bestimmen die Preise. Um die Bestsellerrabatte zu kompensieren, werden die weniger verkäuflichen Bücher teurer. Dann werden diese entweder nicht mehr verlegt oder es wird für sie eine staatliche Förderung geben, deren Vergabe für alle undurchsichtig ist. Da kaum jemand in Frage stellt, dass das Buch ein Kulturgut ist, wird dann wohl dieses Zweite geschehen.

Als einzige Kulturbranche erhält die Buchbranche bislang keine Subvention, und sie ist stolz darauf. Mit einer Preisbindung wird sie ihre strukturellen Probleme nicht lösen. Aber es ist die für den Konsumenten billigste Lösung, ein Kulturgut zu erhalten, für das er sonst Steuern zahlt, deren Vergabe er nicht kontrolliert. Und das ist die unschönste Lösung überhaupt.
 
KONTRA
 
Kommentar von Franziska Troesch-Schnyder, Präsidentin Konsumentenforum
 
Der Zweck des Gesetzes, die Vielfalt und die Qualität des Kulturgutes Buch zu fördern sowie möglichst vielen den Zugang zu Büchern zu den bestmöglichen Bedingungen zu gewährleisten, ist unbestritten. Doch das vorliegende Gesetz ist dazu das falsche Mittel.

Profitieren werden ausländische Verlage und Importeure; zirka 90 Prozent der in der Schweiz verkauften Bücher werden importiert. Es ist nicht anzunehmen, dass die bindenden Preise tiefer angesetzt würden als die heute unverbindlichen Listenpreise, welche für die Schweiz höher angesetzt sind als für das umliegende Ausland, aber unterschritten werden dürfen. Mit Preiserhöhungen ist zu rechnen.

Ebenso profitieren werden die grossen Buchhandlungen, welche mehrheitlich in ausländischem Besitz sind. Diese bestellen grosse Mengen oder kaufen direkt beim Verlag ohne Zwischenhändler in Euro ein. So haben sie bessere Einkaufsbedingungen, welche sie nur mit maximal 5 Prozent Rabatt weitergeben dürfen. Profitieren werden auch ausländische Online-Anbieter, weder ist Schweizer Gesetzgebung auf diese anwendbar, noch hat der Zoll die Befugnis, Buchpreise bei der Einfuhr zu überprüfen und allenfalls zu sanktionieren.

Anzunehmen, die höheren Gewinne würden zur Förderung des Buches oder zur Unterstützung von Schweizer Autoren eingesetzt, darf als blauäugig bezeichnet werden.

Verlierer der Vorlage, über die wir am 11. März abstimmen, sind die Konsumenten, kleine Bibliotheken, Schulen, Schüler und Studenten, da sie für Bücher mehr bezahlen müssen und weder von Mengenrabatten, noch andern Aktionen profitieren können. Dies fördert den Einkaufstourismus auch für Bücher und den ausländischen Online-Handel. Dies zum Schaden der kleinen unabhängigen Buchhandlungen wie auch den inländischen Online-Anbietern, welche dem Preisdiktat unterstehen und mit ungleich langen Spiessen kaum wettbewerbsfähig bleiben. Überleben würden die «Grossen», wie dies im Detailhandel schon der Fall ist.
Wollen wir das? Wohl kaum.

Das seit dem 1. Januar in Kraft stehende Kulturförderungsgesetz ist besser geeignet, das Kulturgut Buch wie auch das Lesen zu fördern.
 
Mit freundlicher Genehmigung der Luzerner Zeitung
zur Veröffentlichung auf Kulturmanagement Schweiz!
 

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