16.09.2020

Buchdetails

Ausverkauft – das ganze Jahr!: So füllen Sie den Saal durch Abonnements (Das Orchester)
von Magnus Still
Verlag: Schott Music
Seiten: 128
 

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Autor*in

Felicitas Irene Birckenbach
Kultur- und NPO-Management und Diplom-Volkswirtin, widmet sich seit Jahren in verantwortlichen Positionen als Expertin für Marken- und Kulturkommunikation in gemeinnützigen Institutionen und renommierten Unternehmen den Themenfeldern Kultur, klassische Musik, Bildung, Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusste Unternehmensführung.
Buchrezension

Ausverkauft – das ganze Jahr! So füllen Sie den Saal durch Abonnements

Das ganze Jahr ausverkauft - diese Vorstellung klingt für Konzertveranstalter verlockend, sieht man von den spezifischen Corona-Herausforderungen ab. Magnus Still verspricht in "Ausverkauft", diese Vorstellung wahrwerden zu lassen.
 
Das Buch erschien 2019 im Schott Verlag als deutsche Übersetzung der 2016 veröffentlichten Ausgabe "Fill Every Seat - Every Week". Erklärte Ziele des Autors Magnus Still sind:
1) einen Diskurswechsel hin zur Überzeugung der Möglichkeit von Abo-Zuwächsen,
2) Erfahrungen zu Prinzipien und Strategien zu teilen (die Marketingtechnik sei nicht das Kernproblem, wohl aber Strategie und Aufteilung der Ressourcen) und nachdrücklich
3) Führungspersonen im Konzertmanagement für eine Zusammenarbeit mit StillArt zu gewinnen.

Dabei plädiert er in 12 Kapiteln auf gut 100 Seiten für zielgruppenorientierte Abonnements als zentrales strategisches Element des Kultur- und Marketing-Managements. Dies lässt größere finanzielle und künstlerische Ressourcen entstehen, die wiederum Freiräume für zukunftsorientierte Projekte schaffen und zur Zufriedenheit von Stakeholdern beitragen können. Entsprechend erläutert der Autor im ersten Kapitel an Beispielen die Vorteile von Abonnements. Kapitel 2 fragt: "Kann man heute noch Abonnements verkaufen?" und beantwortet diese Frage, wie der Buchtitel bereits verheißt, mit "ja". Kapitel 3 erwähnt den "Lebenszyklus des Publikums" und geht hier auf die Sorge vor dem hohen Durchschnittsalter des Konzertpublikums ein. Kapitel 4 stellt acht Arten von Abonnements vor, stellt das "feste Abo" als das Vorteilhafteste heraus und betont Nachteile von flexiblen Varianten. Kapitel 5 erwähnt "Grundlagen des Erfolgs" wie Vision, Marke, Strategie. Kapitel 6 deutet "fünf praktische Marketingschritte" an, Kapitel 7 zitiert Erfahrungen aus Abonnentensicht und Kapitel 8 fragt, ob jede Organisation ein Abo anbieten könne (ja). Kapitel 9 ist insofern von Bedeutung, als es die Frage nach Obergrenzen, Inflexibilität, leeren Plätzen und dem Spannungsfeld zwischen hoher Abo-Zahl versus Öffnung für breite Schichten anspricht. Kapitel 10 stellt ein "Mischpult" zum Aufbau und zur Steuerung des Vorhabens vor, gefolgt von einer Einordnung in übergeordnete Managementthemen in Kapitel 11. Kapitel 12 ist der Auftakt für den Anhang und will für ein mögliches Projekt mit StillArt gewinnen. Aufgelistet werden auch die bisherigen Kunden (Orchester aus Schweden, Norwegen, Finnland der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland) sowie die jeweils erzielten Erfolge.

In einem umfangreichen Anhang werden der Autor, die Consulting-Firma StillArt Limited, Referenzen und vor allem die ‚Subscription-Builder-Programme‘ dargestellt. In der "StillArt Redbox" findet sich auch der Zugangscode zu einigen Videos, Interviews sowie Artikeln aus "Das Orchester" (2018).
Festes oder flexibles Abo?
 
Die Argumente pro und contra festes Abo sowie hoher Abo-Anteil an den insgesamt verfügbaren Karten sind sicherlich Überlegungen jeder Konzert-Institution. Nach Auffassung von StillArt haben feste Abos die Vorteile einer besseren Planbarkeit und höherer künstlerischer Freiheit, da das ‚Rosinenpicken‘ (z.B. nach Stars, beliebten Komponisten) entfällt. Entsprechend äußern sich dann einzelne Abonnenten auch positiv überrascht von bisher unbekannten Stücken oder Künstlern, für die sie sich im Einzelverkauf oder beim Wahl-Abo nicht entschieden hätten. Für einen hohen Abo-Anteil insgesamt spricht ebenfalls die höhere "garantierte" Auslastung, während aber viele (potentielle) Interessenten für Einzelkonzerte leer ausgehen und sich die nicht zu dieser "Exklusiv-Gruppe" der Abonnenten zählenden Besuchergruppen womöglich noch stärker ausgeschlossen fühlen, als dies ohnehin bereits beobachtet wird (Stichwort: Barrieren durch Bildungshintergrund und verunsichernde Rituale).

Herausforderungen für den Konzertbetrieb Ante- und Post-Corona 

Pandemiebedingt können die Konzertveranstalter aktuell nur mit funktionierenden Hygienekonzepten vor einer überschaubaren Auswahl von Gästen - meist Abonnenten, Kritiker oder Inhaber von bereits gekauften Tickets - ihre Programme aufführen. Losgelöst davon gilt jedoch: Eine hohe Auslastung und mehr Eigenerlöse sowie der Aufbau von Sponsoren-, Partner- und Freundeskreisen, waren und werden auch künftig wieder wichtige Aufgaben im klassischen Konzertbetrieb sein. Zumindest dann, wenn ein öffentliches Konzertleben eines Tages wieder möglich sein wird. Diese Themen, besonders aber die (im Buch nicht zentrale) Frage nach der "Relevanz", werden angesichts der knappen öffentlichen Kassen noch wichtiger.

Kundengewinnung und -bindung sind inzwischen im Kulturbereich als "Audience Development" längst als Aufgabenfeld erkannt, nachdem sie im Marketing für Nicht-Kulturgüter schon seit Jahrzehnten bearbeitet werden. Neu ist aber die These, den Anteil fester Abonnements in Zeiten des Kulturflaneurs, der aus einer bisher nie gekannten Vielfalt von Freizeit- und Kulturangeboten wählen kann, der Digitalisierung und des demographischen Wandels sowie der Entwicklung hin zu einer multikulturellen Gesellschaft deutlich steigern zu können.

Abo als Teil eines umfassenden Management-Pakets

Der Publikations-Titel suggeriert zwar, dass das (feste) Abo "die Lösung" darstelle - dies wird jedoch durch die Thematisierung von grundlegenden Management- und Marketing-Themen im Block "Mischpult" und im letzten Kapitel richtiger Weise wieder relativiert. Es stehen demnach umfassendere Konzepte hinter den angestrebten und im Text genannten Programmen und Erfolgen, als allein das "Drehen an der Schraube" Abo. Anbieter von klassischen Konzerten werden nur erfolgreich und zukunftsfähig sein, wenn sie ein Bündel von Lösungen für zentrale Herausforderungen geschickt miteinander verbinden. Überraschend ist dabei die Priorisierung (die vom Abo als erstem Punkt auszugehen scheint) der Arbeitsfelder, die Still auflistet und erläutert. Diese ist zwar in dem auf Abo fokussierten Beratungsansatz von StillArt zu verorten, verkennt jedoch, dass zunächst Grundlagen zu schaffen bzw. zu optimieren sind, die längst nicht nur beim Thema Abo gelten: etwa Vision, Kernprodukt in Form der Konzeption und Entwicklung von künstlerisch hochwertigen, attraktiven Programmen und Formaten, Klarheit über Zielgruppen. Basis hierfür sollten fachliche, technische sowie Führungs-Fähigkeiten als essentielle Grundlagen im Kulturmanagement bilden. Erst dann können Markenaufbau und -führung, Vermittlung, Customer Relationship- und Customer Retention-Marketing gelingen.

Gerade die Felder Produkt, Programm, Bezugsgruppen sind angesichts der verschärften Relevanz-Debatte eine elementare Herausforderung und werden aktuell u.a. unter der Überschrift "Concert Studies" erforscht. Insofern ist es schade, dass konkret inhaltlich-programmatische Beispiele von besonders gelungenen Abo-Reihen in der Publikation fehlen. Auch wäre eine Einordnung der Punkte des "Mischpults" in Ober- und Sub-Kategorien, wie man sie u.a. vom Ansatz der Balanced Scorecard kennt, sinnvoll. Dies gilt gerade dann, wenn im Text strategisches Denken und Investieren gefordert wird, was eine klare Ziel-Mittel-Relation bedingt.

Vieles richtig und unbestritten, offene Fragen bleiben

Richtig und unbestritten sind also die benannten Arbeitsfelder und Hinweise, dass etwa eine Verwässerung der Marke durch verschenkte und zu billige Karten zu vermeiden ist. Richtig und wichtig ist auch die Diskussion um eine Abwägung und Ausbalancierung einer hohen Abo-Auslastung durch einen geringen Anteil vorrangig gut situierter älterer Bildungsbürger gegenüber der Frage kultureller Partizipation, um eine Mehr-Klassen-Gesellschaft zu vermeiden.

Ärgerlich ist jedoch die nicht belegte Behauptung, das Abo-Publikum älterer Generationen wachse nach. Denn zahlreiche Studien tragen ein Szenario vor, dass dieser früher funktionierende ‚Automatismus‘ aufgrund von Kohorteneffekten ab den Generationen der Baby-Boomer aufgrund der Sozialisation mit einer Vielfalt an Musikgenres, fehlendem Musikunterricht und anderer kultureller Sozialisation nicht mehr greift. Zumal die Konzertakteure diese Altersgruppen jahrzehntelang in Marketing und Musikvermittlung (weitgehend) vernachlässigt haben (vgl. u.a. Gembris 2018, Reuband 2016, MIZ 2008, ARD E-Musikstudie 2005, Sinus-Milieu-Studien, die ein Schwinden des früheren Bildungsbürgertums aufzeigen). Enttäuschend ist auch, dass kaum Erfahrungen zum praktischen Umgang der Kultureinrichtungen mit dem Thema Datengewinnung, Database-Marketing, Kundenresponse, der Verbindung möglicher analoger und digitaler Kanälen etc. geteilt werden. Immerhin versucht eine ganze Marketing-Industrie seit Jahrzehnten hier systematisch mehr Effizienz und Erfolge zu erreichen, wobei viele scheitern. Allein das Management der Kundendaten ist eine Herausforderung, an der sich zahlreiche Unternehmen die Zähne ausbeißen - oft im Glauben, es gehe vorrangig um technische Plattformen.

Fazit

Das Buch ist schnell gelesen, enthält plausible Überlegungen und nennt einige konkrete Tipps und Erfahrungen. DASS man die Auslastung mittels Abos erhöhen kann, wird anhand entsprechend genannter Erfahrungswerte gezeigt. Vergeblich sucht man jedoch einen Rat, WIE man konkret - was der Subtitel "So füllen Sie den Saal…" jedoch verheißt - das Ziel der Erhöhung von Abonnenten umsetzt: Dazu wird nachdrücklich auf das Beratungsprogramm verwiesen.

Das Buch erinnert damit an die Whitepaper, die Consultants und Marketingagenturen typischerweise als Appetizer und zum Nachweis ihrer Kompetenz, Erfahrung und Referenzen zur Verfügung stellen. Allein die wiederholten Hinweise in den Kapiteln und im ausführlichen Anhang machen etwa 20 Seiten Werbung für das Beratungsprogramm aus. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Aufforderung zum Einloggen in das "interactive subscription program". All das macht den Text weniger geeignet für das Buchformat, was auch die eher eingeschränkte Leseempfehlung begründet: Der Band scheint insbesondere für solche Kultureinrichtungen als Arbeitsgrundlage lesenswert, die sich auf eine Ausschreibung zu einer Beratung im Hinblick auf die Optimierung ihres Marketing und ihrer Verkaufs- und Abo-Zahlen vorbereiten. Für all die, die im Kulturmanagement tätig sind oder sein werden und sich über Grundlagen und Techniken von Markenführung, Marketing und speziell des CRM sowie des Database-Marketing informieren möchten, wären eher die in der Marketingliteratur seit vielen Jahren zahlreich vorhandenen Fachbücher zu empfehlen.

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