17.11.2022

Buchdetails

Cultural Leadership II: Instrumente der Personalführung in Kulturbetrieben (essentials 2)
von Andrea Hausmann
Verlag: Springer VS
Seiten: 62
 

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Autor*in

Regina Cosenza Arango
ist Kunstpädagogin M.A. und seit 2011 Referentin für Kulturelle Bildung in der Klassik Stiftung Weimar. Von 2016 bis 2020 war sie als Projektleiterin der Bauhaus Agenten Weimar an der Museumsentwicklung des Bauhaus-Museums beteiligt. Seit 2021 leitet sie das Projekt Kultur:Labor Thüringen. Ihr Arbeitsschwerpunkte sind Ästhetische Bildung, Museumsentwicklung und Outreach.
Buchrezension

Cultural Leadership II. Instrumente der Personalführung in Kulturbetrieben

In vielen Kulturinstitutionen fehlen Mitarbeiter*innen, die neben ihrer künstlerischen oder wissenschaftlichen Tätigkeit auch personalverantwortlich arbeiten wollen und können. Umso wichtiger, dass sich mit Cultural Leadership II ein weiteres Basiswerk zur Personalführung an alle Kultursparten und Tätigkeitsbereiche richtet.
 
Das essential Cultural Leadership II, erschienen 2020 bei Springer VS, bietet eine kompakte Einführung in die Umsetzung von Personalführung in Kulturinstitutionen. Damit knüpft es an Band I und die darin vermittelten Grundlagen zur Personalführung an. Durch die klare Gliederung in Führungselemente und -instrumente eignet sich auch die zweite Publikation zum gezielten Nachschlagen in der Praxis. Die Professorin für Kulturmanagement Andrea Hausmann, Autorin beider essentials, klärt alle einzelnen Begrifflichkeiten und beschreibt die verschiedenen Dimensionen von Personalführung sehr sachlich, bisweilen aber auch recht distanziert. Während sie die Grundlagen im Band I stärker diskursiv und zugeschnitten auf den Kulturbereich abhandelt, sind die Darstellungen der Führungsinstrumente in Band II recht allgemein gehalten. Jedoch wählt sie die theoretischen Ansätze passend zum Kulturbereich und ergänzt ihre Ausführungen gezielt durch einzelne O-Töne aus der kulturellen Praxis. So macht sie bereits im Einstieg die Relevanz des Themas Personalgewinnung (Recruiting) deutlich, denn "(…) die Kombination aus schlechterer Bezahlung und anspruchsvollen Arbeitsbedingungen (wird) nicht mehr so stark dadurch zu kompensieren sein, dass wir ja ‚Kunst‘ machen"[1].
 
FÜHRUNGSVERHALTEN ALS KOORDINATENSYSTEM 
 
Die Publikation beginnt mit einer Einführung in das Führungsverhalten als eine Art Koordinatensystem. Die Autorin beschreibt den demokratischen und autoritären Führungsstil, fokussiert sich aber auch auf Sach- und Mitarbeiterorientierung, so dass man sich und den eigenen Führungsstil hier selbst schnell verorten kann. Besonders hilfreich für die eigene Reflexion sind ihre Ausführungen zu extremen Ausprägungen, wobei sowohl Machtmissbrauch als auch ein "Glacéhandschuh-Führungsverhalten" nach dem Konfliktvermeidungsprinzip zu mangelnder Fehlerkultur führt. Daher plädiert Andrea Hausmann für eine gesunde Mischung aus Aufgaben- und Beziehungsorientierung und ein situatives Abwägen. Letztendlich ist das eigene Führungsverhalten auch stark durch die eigene Haltung, die eigene Sozialisierung durch Regeln und Werte geprägt, weshalb die Autorin empfiehlt, die eigene Haltung als Führender und Geführter durch rituelles Verhalten fest im Arbeitsalltag zu integrieren. So spiegeln vor allem regelmäßige Gesten - von der geöffneten Bürotür über Pausenrituale bis hin zu namentlichen Erwähnungen bei Arbeitserfolgen und "Großzügigkeitsritualen" - eine offene, tolerante und wertschätzende Haltung. Als eigenes Unterkapitel widmet sich die Autorin dem Thema Macht. Ihre These "Jedes Führungsverhalten benötigt Macht"[2] verdeutlicht, dass sie diese als zwingende Ressource für Führung begreift. Wichtig ist dabei, dass die Führungsposition nicht als Identität, sondern als Rolle auf Zeit angenommen wird, die dabei hilft, die Institutionsziele um- und durchzusetzen. 
 
FÜHRUNG AKTIV GESTALTEN
 
Der Schwerpunkt der Publikation liegt in der Vermittlung des "Werkzeugkastens". Dabei wird zwischen direkten kommunikativen Instrumenten der Führungskraft und indirekten koordinierenden Instrumenten der Institution unterschieden. Das wichtigste und zeitintensivste Mittel der Personalführung ist für Andrea Hausmann die Kommunikation. Sie setzt sich für das "Prinzip des ‚Management by Walking Around‘", also eine kontinuierliche und ritualisierte Kommunikation ein, "(…) da nur so Probleme identifiziert, analysiert und angegangen, Entscheidungen getroffen und Beziehungen gestaltet werden können."[3] Ein wichtiges Hilfsmittel der eigenen Reflexion ist das recht bekannte Kommunikations- oder Nachrichtenquadrat bzw. Vier-Ohren-Modell. Auch geht die Autorin auf weitere Dimensionen und Störfaktoren von Kommunikation ein, für die einem beim Lesen schnell Situationen aus der eigenen Berufsbiografie einfallen.
 
Da Kulturbetriebe keine wirtschaftlichen Motivationsbooster bieten können, ist informelles anlassbezogenes Feedback besonders wichtig. Hier stellt Hausmann die Begriffe "Kritik" und "Anerkennung" dem Begriff "Feedback" gegenüber und macht auf die soziale Botschaft und negative Folgen von Kritik aufmerksam: So kann etwa eine starke Defizitorientierung in der Kommunikation zur Rechtfertigung oder das Einnehmen einer "Verlierer-Rolle" führen. Zu formellen Feedbackformaten zählen Personalgespräche (z.B. Jahresgespräche) und Teambesprechungen. Leider erläutert Andrea Hausmann die jeweiligen Gelingensbedingungen der Vorbereitungs-, Durchführungs- und Nachbereitungsphase eher losgelöst von Kulturbetrieben. Hier wäre es hilfreicher gewesen, informellere Methoden für einen Teamaustausch aus ausgewählten Institutionen kennenzulernen.
INSTITUTIONELLE FÜHRUNG
 
Im Gegensatz zu den kommunikativen werden koordinierende Führungsinstrumente von der Institution vorgegeben bzw. möglichst abteilungsübergreifend gestaltet. Die Basis bildet das Organigramm einer Institution, das in verschiedenen Detailgraden aufgestellt werden kann und die grobe Aufgabenverteilung und -verantwortung sichtbar macht. Zwar verweist Andrea Hausmann auf Schwierigkeiten in verschiedenen Kulturinstitutionen wie unterschiedliche Abteilungsgrößen oder schwer darstellbare Fusionen, doch wird kein Beispiel für ein gelungenes Organigramm eines agilen Kulturbetriebs gezeigt. Als eng mit dem Organigramm verbunden, reißt die Autorin Stellen- bzw. Tätigkeitsdarstellungen an. Der Umgang mit Stellenbeschreibungen ist in der Praxis besonders schwierig, da diese sich oft an der Eingruppierung und weniger an sich wandelnden Tätigkeiten orientieren und viel zu selten aktualisiert werden. Da jedoch gerade ein agiler Kulturbetrieb von wachsenden Aufgaben und organischem Wandel lebt, hätte ich mir auch hier eine deutlichere Problematisierung gewünscht.
 
Als besonders identifikationsstiftende Führungsinstrumente erläutert die Autorin Organisationskulturen und Leitbilder. Während sich Organisationskulturen über Jahre hinweg entwickeln (oder verfestigen), werden Leitbilder bewusst als interner "Idealtypus" formuliert. An dieser Stelle wäre eine Vertiefung, ein Literatur- oder Praxisverweis für gute Prozessmoderation sowie die Rolle von Führungskräften und Belegschaft als Mitgestalter*innen hilfreich gewesen. Auch empfiehlt die Autorin Zielvereinbarungen und ggf. die Offenlegung von Budgets, da sie strukturiertes Arbeiten fördern und helfen, Prioritäten bei den knappen Ressourcen in Kultureinrichtungen zu setzen. 
 
Meines Erachtens zu wenig Gewicht erhält das Unterkapitel zur Personal- und Führungskräfteentwicklung. Angesichts von Hausmanns Diagnose der zunehmend schwierigen Personalakquise im Zuge des Fachkräftemangels wären konkrete Personalentwicklungsmaßnahmen "on the job" interessant gewesen, um Nachwuchskräfte sowie Führungskräfte systematisch aus- und weiterzubilden. Denn in Kultureinrichtungen arbeiten oft Mitarbeiter*innen mit unterschiedlichen Ausbildungs- und Berufsbiografien zusammen, was Teamleader verstärkt nutzen könnten, um interne Coachings und Weiterbildungen zu fördern. Eine andere Möglichkeit der praktischen Vertiefung könnten auch Vorschläge für die bereits im Band I angesprochenen Onboarding-Prozesse sein, bei denen z.B. auch verschiedene Teammitglieder als Mentor*innen eingebunden werden können.  
 
ERFOLGREICH IN DIE ZUKUNFT FÜHREN
 
Mit knapp zwei Seiten Umfang wird das Thema Führungserfolg angeschnitten. Zwar helfen Erläuterungen zu den Ebenen Kulturbetrieb, Führende und Geführte sowie eine Vertiefung zum Umgang mit Misserfolg bei der Selbstreflexion. Doch hätte ich hier mehr Informationen zur Messung von Führungserfolg, Einblick in Studienergebnisse oder Mitarbeiterbefragungen erwartet.
 
Die mit dem Titel verbundenen und sicher sehr unterschiedlichen Erwartungen der Leser*innen greift Andrea Hausmann auf, indem sie zu Beginn kurz und knapp darstellt, was das essential leistet. Vielmehr rührt die Diskrepanz zwischen meinen persönlichen Erwartungen und den Inhalten aus dem Obertitel der Publikation. Wie Martin Zierold bereits in verschiedenen Publikationen deutlich gemacht hat, gibt es mindestens zwei Lesarten für den Begriff Cultural Leadership: Das Verständnis reicht von einer "(meist kaum weiter definierte[n]) Bezeichnung von Führung von bzw. in Kulturorganisationen" bis hin zur Verwendung "im Sinne des Wertekanons"[4]. Hausmann leitet ihr Verständnis für den Begriff bereits im Band I her und spricht sich für einen Mittelweg zwischen den zwei oben genannten Polen aus, wobei sie im Band II eher etablierte Führungsinstrumente bespricht. 
 
Die beiden Bände von Andrea Hausmann sind bereits 2019 und 2020 erschienen, also eher am Beginn der Auseinandersetzung mit Leadership im deutschsprachigen Raum. Seither wird das Thema auf kulturpolitischer Ebene im Sinne der Organisationsentwicklung und mit einem erweiterten Verständnis von Cultural Leadership reflektiert. Auch deswegen ist es schwierig, eine Einführung auf knapp 50 Seiten mit aktuellen und zukunftsweisenden Themen zu verknüpfen, zumal die Publikation durch die Geschwindigkeit der letzten Jahre (und digitaler Austauschformate) rasant überholt wurde. Doch gerade da Cultural Leadership ein Desiderat im Kulturbetriebs-Alltag ist und ein grundsätzliches Verständnis für die Relevanz von Personalführung fehlt, wären kurze exemplarische Verweise und Tipps für die diskursive und methodische Vertiefung innerhalb des Fließtextes hilfreich gewesen. Auch um zu zeigen, wie spannend das Arbeitsfeld ist. Kulturbetrieben kommt eine besondere Verantwortung für die Gesellschaft zu und Cultural Leader sollten eine Vorreiterrolle für Zukunftsaufgaben wie Digitalisierung, Diversifizierung und Demokratiebildung sowie die Einhaltung der SDGs einnehmen.
 
Trotz dieser verschiedenen Kritikpunkte ist auch dieser zweite Band zur Personalführung empfehlenswert, vor allem als erster Einstieg für Mitarbeitende und Nachwuchskräfte. Für Führungskräfte und Personalleitungen dient es eher als schnelles Nachschlagewerk. Cultural Leadership wird sicher auch in Zukunft ein spannendes Lernfeld bleiben. Denn die wichtigsten Ressourcen eines Kulturbetriebs sind nicht seine künstlerischen Werke, Objekte und Liegenschaften, sondern das gesamte Personal.
 
Fußnoten
 
[1] von Hoensbroech, Raphael zit. nach Hausmann, Andrea: Cultural Leadership II, S. 1.
[2] zit. Hausmann, Andrea: Cultural Leadership II, S. 9.
[3] zit. ebd., S. 14.
[4] zit. Zierold, Martin: Auf der Suche nach ‚Cultural Leadership‘, in: Zeitschrift für Kulturmanagement, Band 2019/1, S. 9.

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