05.10.2011

Themenreihe Soziokultur

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Autor*in

Gerd Dallmann
Buchrezension

Soziokultur - der "neue Raum"!?

Diskurse, Konzepte und die Praxis der Soziokultur in Österreich sind Thema dieser interessanten Neuerscheinung.

Themenreihe Soziokultur

 
Mit soziokultureller Arbeit wird ein neuer Raum geschaffen, "in dem sich das Ästhetisch-Künstlerische und das Sozial-Politische nicht nur berühren und überschneiden, sondern ein eigenes Feld schaffen, das auf die anderen Bereiche zurückwirkt" so die Herausgeber des Buchs "Initiative Soziokultur Diskurse.Konzepte.Praxis", Bettina Messner und Michael Wrentschur.

Den Kern des Bands bilden die Beiträge einer Fachtagung des Vereins SOKU Netzwerk soziokultureller Initiativen Steiermark, die nun auch denjenigen zugänglich sind, die nicht vom 6.-9. Mai 2009 in Graz und Kapfenberg waren und dafür und für ihre klugen einführenden Beiträge sei den Herausgebern herzlich gedankt.

In ihren "Annäherungen zur Soziokultur" kommen Messner/Wrentschur zunächst von der Kunst her und beschreiben die Geschichte des Kunstbegriffs als eine Entwicklung künstlerischer Praxis, die immer stärker die Grenzen der Kunst auslotet und das Verhältnis der ästhetischen Praxis zur sozialen Realität thematisiert. Bei der Beschreibung der Perspektiven sozialer Arbeit wiederum sehen sie ohne die divergierenden Handlungslogiken zu leugnen in der kreativ-kulturellen Arbeit ein wichtiges Potential zur Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten im Sinne eines Empowerment.

An dieser Schnitt- oder vielmehr Nahtstelle bewegt sich auch der Beitrag von Rainer Treptow, der sich und uns fragt, was denn "das Kulturelle und das Soziale" verbindet. Dass sich kulturelle Praxis nicht allein über ihren Eigenwert als gesellschaftlich wertvoll darstellt sondern als kulturelle Bildung mit dem Erwerb von sozialen Kompetenzen gesellschaftliche Legitimation erwirbt, kann man (nicht nur aber auch nach Lektüre dieses Beitrags) durchaus als zwiespältigen Erfolg verstehen.

Die Geschichte der Soziokultur in Deutschland als eine Geschichte der Engführung eines umfassenden kulturpolitischen Anspruchs zu beschreiben und gleichzeitig die soziokulturellen Einrichtungen für ihre Stärken zu preisen und ihnen ein großes Entwicklungspotential zu bescheinigen, dies gelingt Bernd Wagner in seinem Beitrag zu "Programmatik, AkteurInnen und Aktivitäten der Soziokultur in Deutschland".

Hanne Seitz setzt sich unter der Überschrift "Kunst als soziale Herausforderung" mit künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum auseinander - und sie tut dies so, daß es eine große Freude ist, den Widerspruchsgeist von KünstlerInnen, ihre Sensibilität und ihre soziale Phantasie aus den beschriebenen Beispielen zu erfahren, und dem Résumée von Hanne Seitz kann man nach dieser Lektüre nur zustimmen: "Am Ende begegnet uns gerade in der Kunst der verloren gegangene Geist des Sozialen."

Doch dies ist nicht weiter verwunderlich, denn so stellt Wolfgang Zinggl schon in der Überschrift seines Beitrags fest "Kunst ist sowieso sozial". Neben der eindrücklichen Herleitung seiner Aussage, "daß ein Objekt erst durch einen sozialen Prozess zur Kunst wird", liefert er auch eine streitlustige, gleichwohl aber fundierte "Abrechnung" mit dem Standard-Hohlbegriff in Sachen Distinktion: der "Qualität". Überall, wo die Grenzen von professioneller Kunst zur Breiten- oder Soziokultur markiert werden sollen, ist gemeinhin von "der" Qualität die Rede, auf die man ja bei der Wertschätzung von kulturellen Projekten nicht verzichten könne. Daß "Qualität" an sich noch nichts sagt, so lange nicht vereinbart ist, welche Qualitätskriterien zugrundegelegt werden sollen, und daß diese sich auch und gerade im Hinblick auf Kunst mit gesellschaftlichem Wandel verändert haben, bedeutet allerdings nicht das Ende eines Qualitätsdiskurses, vielmehr ist Zinggl auch hier zuzustimmen: "Der Mangel an verbindlichen Maßstäben hindert ja nicht daran, über die relativen Wertmaßstäbe zu sprechen."

Verbunden mit den Darstellungen soziokultureller Projekte (wer kennt z.B. SOHO IN OTTAKRING oder HOTEL ROLLATOR?) haben wir hier ein Buch, dessen Lektüre sich soziokulturellen Praktikern mit Interesse an Selbstreflexion ebenso empfiehlt wie Theoretikern, die dieses Praxisfeld in den (Be)griff nehmen wollen. Gern wäre ich dabei gewesen, als die hier nebeneinander stehenden Beiträge in einen gemeinsamen Diskussionsprozess eingebunden waren. Sollte dies bei der hier dokumentierten Tagung auch nur halbwegs gelungen sein, muss ich spätestens jetzt den Herausgebern an einem Punkt entschieden widersprechen: während Begriff und Praxis der Soziokultur in Deutschland in unterschiedlichen Zusammenhängen diskutiert würden, würde dieser Diskurs in Österreich nur marginal geführt; das ist ja nun vorbei.
 

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