13.03.2020

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Autor*in

Sönke Behrens
(*1991) studierte Orchestermusik und Kultur- und Medienmanagement. Erfahrungen im Business Development sammelte er in diversen Kulturinstitutionen. 2017/18 war er Produktionsleiter und Regieassistent am Saarländischen Staatstheater. Seit der Spielzeit 2019/20 arbeitet er als Mitarbeiter im Bereich Kommunikation & Marketing am Schauspiel Hannover.
Buchrezension

Theaterrecht - Handbuch für Theatermacher

An einem Theater zu arbeiten, ist für viele, die im Bereich der Darstellenden Künste tätig sind, ein Traum. Allerdings stehen die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an Deutschen Stadt- und Staatstheatern in der Kritik und werden immer mehr in Frage gestellt - nicht zuletzt von den Bühnenmitgliedern selbst. Wer diese Strukturen verstehen und hinterfragen möchte, muss sich mit den derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut machen. Um sich in diesem Informationsdschungel zurecht zu finden, hilft Christoph Nix’ "Theaterrecht - Handbuch für Theatermacher".
 
Das Handbuch, 2019 im Theater der Zeit Verlag erschienen, fügt sich gewinnbringend in einen diskursiven Veränderungsprozess ein, der im Kern nach "guter" und "fairer" Arbeit außerhalb und innerhalb des Theaters bereichsübergreifend fragt. Hierbei schafft die Publikation eine schnelle, gemeinsame und verbindliche Gesprächsgrundlage, auf der vertiefende Diskussionen stattfinden können, ohne jedoch ein vollumfängliches Werk auf dem Gebiet des Theaterrechts zu sein. Das ist erfreulich, denn im Berufsalltag geht es darum, schnell auf allgemein verständliche Formulierungen zurückgreifen zu können. Insbesondere das Abkürzungsverzeichnis zu juristischen Fachbegriffen macht es leicht verständlich. Dabei geht der Autor über den bloßen Abdruck der verschiedenen theaterrechtlichen bzw. tarifvertraglichen Texte hinaus, auch wenn das Verhältnis von Hauptteil (100 Seiten) und Textsammlung (150 Seiten) auf den ersten Blick seltsam ausbalanciert erscheint und man sich bei aller Objektivität gelegentlich eine noch stärkere Kommentarfunktion auch mit Blick auf die Herleitung einer bestimmten Rechtsauslegung wünscht.

Die Publikation ist überwiegend gut strukturiert aufgebaut, gliedert sich stringent und arbeitet die wesentlichen Rechtsfragen nacheinander ab. Die Wahl und Einarbeitung der Praxisbeispiele und Literaturtipps sind überaus erfreulich und lockern die Ausführungen zwischenzeitlich auf, hätten für ein Handbuch jedoch durchaus noch umfassender ausfallen können. Einige Kapitel könnten aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe noch stärker miteinander verzahnt sein.
 
Theaterrecht - so vielschichtig wie das Theater selbst

Theaterrecht existiert nicht als einheitliche Disziplin, sondern setzt sich aus einer Vielzahl an Gesetzen und Regelungen diverser Rechtsgebiete (u.a. Gesellschafts-, Vertrags-, Arbeits-, Urheberrecht) zusammen. Diese skizziert der Autor mit Blick auf die praktische Anwendbarkeit getrennt, aber doch in Bezugnahme aufeinander. Geschrieben aus dem Blickwinkel der Theaterpraxis, schöpft Nix als examinierter Jurist dabei aus seiner jahrzehntelangen Arbeit als Intendant verschiedener Theaterbetriebe. Er arbeitet dazu die zentralen theaterrechtlichen Fragen, die sich an das deutsche Theatersystem ergeben, sukzessive ab:
  • Welche (tarif-)vertraglichen Rahmenbedingungen gelten für die Arbeit am Theater?
  • Wer verhandelt, vertritt und wahrt sie?
Jedes Kapitel beginnt damit, die wesentlichen Fragestellungen noch einmal zu benennen, die im betreffenden Abschnitt beantwortet werden sollen.

Der spezifischen theaterrechtlichen Betrachtung geht eine Erläuterung unserer allgemeinen Rechtsordnung (Öffentliches Recht, Strafrecht, Privatrecht) voraus, in der die Struktur des Rechts (Zivil- vs. öfftl. Recht) und die Hierarchie von Rechtsnormen (EU-, Bundes-, Landes- und autonomes Recht) grundlegend beschrieben werden. Dies hilft bei der Verortung, welche Rechtsfrage auf welcher Ebene von welchen Akteuren mit welchen Kompetenzen behandelt bzw. beantwortet werden kann und darf.

Darauf aufbauend, legt Christoph Nix die Vielschichtigkeit der deutschen Theaterlandschaft dar, die sich sektoral in Privattheater, öffentliche Theater sowie Regie- und Eigenbetriebe unterteilen lässt. Daraus ergibt sich wiederum eine rechtsformale Vielfalt, also die Koexistenz verschiedenen Rechtsformen. Ob als GmbH, Stiftung, Verein oder anderer gesellschaftlicher Formierung: die Rechtsform definiert die Rechtsfähigkeit eines Theaterbetriebes, gibt Aufschluss über dessen Trägerschaft und liefert bereits Hinweise zur tariflichen Bindung bzw. Autonomie, folglich auch der innerbetrieblichen Mitbestimmung der Theaterschaffenden.

Ein nicht-normativer Normalvertrag

Die Ausführungen zum Theaterarbeitsrecht nehmen den größten Platz in dieser Publikation ein. Und zu Recht. Denn hier tritt zutage, was den Theaterbetrieb (vor allem an Mehrspartenhäusern) aus rechtlicher Perspektive als besonders komplex und anspruchsvoll erscheinen lässt: eine innerbetriebliche tarifrechtliche Vielfalt (TVöD/TV-L, NV-Bühne inkl. Sonderregelungen, TVK), die sich aus der Diversität der Berufsgruppen (Verwaltung, Technik, Kunst) selbst ergibt und verschiede Beschäftigungsverhältnisse (normale vs. atypische Beschäftigungsformen) und Vertragsformen (Dienst- oder Werkverträge) nach sich zieht. Hier setzt der Autor einen Schwerpunkt, um die verschiedenen Anwendungs- und Geltungsbereiche klar voneinander zu trennen, die in der Praxis einer gewissen Unschärfe unterliegen.

Das Anstellungsverhältnis gemäß Normalvertrag (NV)-Bühne erfährt dabei eine intensivere Betrachtung. Dieser Tarifvertrag wurde 2002 zwischen der Gesellschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) und dem Deutschen Bühnenverein verhandelt und bestimmt seither das Beschäftigungsverhältnis aller Solomitglieder (inkl. Opernchor und Tanzgruppenmitglieder). Er umfasst dabei alle (in)direkt am künstlerischen Prozess beteiligten Mitarbeiter*innen (darunter z.B. auch die Öffentlichkeitsarbeit und das Künstlerische Betriebsbüro) sowie Bühnentechniker*innen mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit. Dezidiert wird hier die besondere Rechtslage und deren Auslegung in Fragen der Befristung, Nichtverlängerung, Vergütung, Rechteabgeltung, Mitwirkungspflicht, Beschäftigungsanspruchs sowie im Falle von Uneinigkeiten auch der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit erörtert. Gespickt mit einigen Beispielen aus der beruflichen Praxis, z.B. über die richterliche Auslegung selbstständiger bzw. abhängiger Arbeitsverhältnisse und deren sozial- und arbeitsrechtliche Bewertung oder die gegenwärtige Rechtsprechung in der Frage des Urheber- und Leistungsschutzrechts von Regisseure*innen an ihren Inszenierungen, ergibt sich hierbei ein erkenntnisreiches Bild über einen besonderen Tarifvertrag, der in voller Länge und aktualisierter Form in einer anhängenden Textsammlung ebenso abgedruckt ist wie u.a. die wesentlichen Auszüge aus der Bühnenschiedsgerichtsordnung, dem Sozialgesetzbuch oder dem Betriebsverfassungsgesetz.

Den anschließenden Erläuterungen zum Urheberrecht, den spezifischen Aspekten der Sozialversicherung für Künstler*innen (z.B. Künstlersozialkasse, Bayerische Versorgungskammer) sowie den Ausführungen zu Fragen der Mitbestimmung (Betriebs- und Personalräte), lässt der Autor zum Abschluss des Hauptteils grundsätzliche Gedanken zur Kunstfreiheit und der Geschichte des Theaterrechts folgen. Diese lassen sich mitunter auch als interessens- bzw. kulturpolitischen Appell lesen. Es ist dem Autor ein Anliegen, den Diskurs über den Stellenwert des Theaters auch weiterhin aktiv generationsübergreifend zu führen und durch Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven zu bereichern, sich über die Zukunft und den Platz des Theaters in der Gesellschaft miteinander zu verständigen oder eben zu streiten. Wenngleich man die theaterhistorischen Ausführungen auch ebenso gut hätte weitere voranstellen könne, tut es gut, darauf aufbauend einen Blick nach vorne zu wagen.

Theaterrecht für alle

Christoph Nix legt eine lesenswerte Publikation vor, in der die theaterrechtlichen Kernfragen und Wirkungszusammenhänge prägnant erfasst sind und somit der Anspruch eines allgemein verständlichen und praxistauglichen Handbuches für Theatermacher*innen erfüllt ist. Dabei ist es nicht ausschließlich für die Bücherregale von Theaterleitungen geschrieben. Es eignet sich für alle (angehenden) Theaterschaffenden, die einen ersten Überblick über die rechtlichen Teilgebiete erlangen wollen, die es bei der Arbeit innerhalb der deutschen Theaterlandschaft zu bedenken gilt. Inwieweit sich jedoch durch dieses Handbuch alle Theaterschaffenden mit den rechtlichen Bedingungen sich und ihren Berufsalltag repräsentiert sehen, bleibt fraglich, da in Teilen eine Schauspiel-fokussierte Sichtweise durchschimmert. Das tut dieser insgesamt lesens- und lohnenswerten Publikation aber keinen Abbruch. Dieses Buch ist empfehlenswert, da es neben seinem praxistauglichen Kern auch Lust macht, sich tiefergehender mit theaterrechtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen.

Auch für Leser*inneren anderer Berufsgruppen und Anstellungsverhältnisse, im Speziellen für Kulturpolitiker*innen und Kulturmanager*innen, darf dieses Handbuch von Interesse sein. Den vom Autor beobachteten Abwehrimpulsen von Künstler*innen gegenüber rechtlichen Fragestellungen, die, laut Nix, größtenteils in der Unverständlichkeit juristischer Texte begründet liegen, wirkt es entgegen. Denn es schafft den Spagat komplexe juristische Zusammenhänge in einfachen Worten wiederzugeben, und kann daher als Handreichung und Einladung zur weiteren Diskussion verstanden werden.

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