20.10.2008

Autor*in

Tanja Stenzl
Corporate Governance in Kulturinstitutionen

Zwischen Modetrend und Notwendigkeit

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Konflikte in Führungsgremien von Kulturinstitutionen die direkt Betroffenen und die Öffentlichkeit bewegt. Erinnert sei stellvertretend an Krisen und Konflikte am Zürcher Schauspielhaus oder an der Tonhalle. Sie zeigten, wie sich in einem veränderten gesellschaftlichen Umfeld die Erwartungen an kulturelle Organisationen und ihre Leitung verschärft haben: Der Konkurrenz- und Rechtfertigungsdruck steigt, da Publikum und finanzielle Mittel nicht gleichermassen zugenommen haben wie das kulturelle Angebot. Die Qualität von Führung und der Umgang mit Subventionen werden aufmerksam beobachtet und öffentlich verhandelt. Mediale Tendenzen der Skandalisierung und Emotionalisierung tragen zu den erhöhten Anforderungen bei. In einer solchen Situation ist es folgerichtig, dass die Diskussion um Corporate Governance (CG), die in der Privatwirtschaft intensiv geführt wird und die seit kurzem auch Nonprofit- Organisationen erfasst hat, auf den Kultursektor übergreift.
Ein Beitrag aus: KMF Newsletter 01/2008, Kulturmanagement-Forum (KMF) Schweiz
In einer vom KMF angeregten Diplomarbeit am Kulturmanagement-Studiengang in Winterthur ging es darum, Grundlagen für diese Diskussion zu liefern. Die Analyse, die auf der Auswertung von Forschungsliteratur und Codes einerseits sowie auf Dokumenten, Interviews und aktuellen Beispielen aus der Praxis andererseits beruht, hat ein durchaus vielschichtiges und ambivalentes Bild ergeben.
Speziell im kulturellen Sektor haben sich Führungsstrukturen als äusserst komplex erwiesen: In ihnen verknüpft sich die typische NPO-Konstellation (hauptamtliche Geschäftsführung, ehrenamtlicher Vorstand) mit unterschiedlichen Strukturen, Prozessen und Wertehaltungen rund um die Dichotomie von "Kunst" und "Geld". Daraus entstehen zahlreiche immanente Widersprüche, Dilemmata und Paradoxien. Überdies geraten Kulturinstitutionen und ihre Führungsorgane in Krisen besonders schnell in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Ihre Konflikte weisen eine hohe Nachrichtenwertigkeit auf, lassen sich in einfache Schemata fassen und verhandeln den alten Topos von der Kunst und der Gesellschaft immer wieder neu.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Rückgriff auf Corporate Governance naheliegend, erweist sich jedoch bei einer genaueren Betrachtung als voreilig. Dem Prinzip von Corporate Governance sind zumindest in der Form, wie es heute diskutiert wird Grenzen gesetzt, die gerade im spezifischen NPO-Feld der Kultur sichtbar werden. So bleibt nicht nur der Gegenstand terminologisch eher unscharf und thematisch weit gespannt. Auch die gängigen theoretischen Konzeptionen, wie etwa der auf die Eigentümerproblematik in grossen Publikumsgesellschaften zugeschnittene Principal-Agent-Ansatz, können nur eingeschränkt auf den kulturellen Sektor übertragen werden.
Die Selbstreflexion verordnen kann ein CG-Code nicht
Weitaus entscheidender sind aber die Grenzen, welche CG-Regelungen angesichts der führungsspezifischen Merkmale in Kulturbetrieben gesetzt sind. Denn das Bewältigen der strukturellen Problematiken entzieht sich hier besonders hartnäckig der Reglementierbarkeit. Der gegenseitige Respekt, das Ausbalancieren zwischen künstlerischem Anspruch und finanziellen Möglichkeiten, die Bereitschaft zur Kooperation und die persönliche Integrität, die zur Überwindung der genuin angelegten Spannungsfelder nötig sind, lassen sich nicht durch Empfehlungen festschreiben oder befördern.
Damit soll nicht gesagt werden, dass es für die Führung in Kulturinstitutionen keine Optimierungsmöglichkeiten gibt, und dass dabei Aspekte aus der Diskussion um CG nicht hilfreich sein können. Solche Ansätze können etwa bei der Zusammensetzung von Verwaltungsräten, bei der Klärung von Verantwortlichkeiten, beim Umgang mit Informationen hilfreich sein und werden in der Praxis immer mehr beachtet: So werden Kultur-Verwaltungsräte etwa vermehrt funktional zusammengesetzt. Richtlinien klären die Zusammenarbeit von VR und Direktion. Kompetenz und Professionalität treten an die Stelle von Honoratioren-Sitzen. CG-Codes können also als Instrument dienen, in einer Institution das Nachdenken über Rollen, Aufgaben und Anforderungen anzuregen und zu befördern. Sie können helfen, das Bewusstsein zu schärfen und Sensibilität zu entwickeln. Sie können Anstoss und Leitplanken sein für Reflexions- und Entwicklungsprozesse, denen sich in einem dynamischen Umfeld auch nicht mehr entziehen können.
"Boards need to become more reflexive", fordert Chris Cornforth, einer der Forscher auf diesem Gebiet, und CG-Codes können die Führungsorgane auf diesem Weg unterstützen. Die Selbstreflexion verordnen kann ein Code jedoch nicht.
 
TANJA STENZL *1971. Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft und Pädagogik in Zürich und Bern. Mehrjährige Tätigkeit am Millers Studio und Schauspielhaus in Zürich. Leitende Redaktorin beim "Theaterlexikon der Schweiz". Seit 2004 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kulturamt des Kanton Thurgau.
 

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