11.05.2007

Autor*in

Claudia Stemberger
Osteuropäische Kunst in Wien

Die dritte Runde. Die Wiener Kunstmesse VIENNAFAIR 2007

Interview mit Edek Bartz, Künstlerischer Direktor, VIENNAFAIR. Bereits zum dritten Mal fand von 26. bis 29. April 2007 die Wiener Kunstmesse VIENNAFAIR statt, auf der 107 lokale und internationale Galerien vertreten waren. Terminlich nah an Großevents in Köln und Düsseldorf herangerückt, möchte sich die VIENNAFAIR mit ihrem Fokus auf zeitgenössische Kunst aus Zentraleuropa dauerhaft positionieren.
Wie in den Vorjahren konnte die Zusammenarbeit mit dem Hauptsponsor ERSTE BANK fortgesetzt werden, bei dem sich fünfundzwanzig von einem unabhängigen Beirat ausgewählte osteuropäische Galerien um Unterstützung bewerben konnten. Überdies präsentierte ein kuratiertes Programm Ankäufe heimischer Sammler. Auch für die eigens aus dem Ausland angereisten Kunstliebhaber gab es in Wien viel Neues zu entdecken, und so zeigten sich die Galerien abschließend sehr zufrieden zumal einige Wiener Museen für ihre Kollektionen neue Werke ankauften.
 
Viele Kulturbetriebe boten in dieser Woche begleitende Sonderveranstaltungen: Diskussionspanels bei der viennaartweek '07, Atelierbesuche, Kuratorenführungen in den Institutionen, Galeriencocktails, die obligatorischen Partys, ein Symposion auf der Akademie der bildenden Künste, die erstmalige Verleihung des Art Critics Award. Auch wenn der Glamour noch nicht an Miami heranreicht, so bot Wien doch rund um die Uhr Gelegenheit, genussvoll in die heimische Kunstszene einzutauchen. Claudia Stemberger traf den künstlerischen Leiter Edek Bartz zu einem persönlichen Gespräch.
 
CS: Vor kurzem verabschiedete ein Clubbing der Berliner Theaterinstitution Hebbel am Ufer (HAU) den Balkan-Hype. Die Flut der Balkanausstellungen nach der Jahrtausendwende löste der aktuelle China-Boom ab. Indien und Mexiko kristallisieren sich bereits als Nachfolgeländer heraus. Wie gehen Sie als künstlerischer Leiter der VIENNAFAIR mit der zentral- und osteuropäischen Kunst und ihren Institutionen um? Wie gestaltet sich die heutige zweite Phase einer gesamteuropäischen Annäherung in intellektueller Hinsicht?
 
EB: Ein Hype kommt und geht, hilft aber gleichzeitig, Künstler zu etablieren. Ist der Hype vorbei, bleiben die Guten übrig. Dann kann man anfangen zu arbeiten.
 
Zwischen Wien und Osteuropa besteht ein gravierender Unterschied. Wien besitzt eine lange Tradition in Bezug auf osteuropäische Kunst. In keiner anderen Stadt wurde so konstant osteuropäische Kunst präsentiert. In Wien befindet sich die Sammlung der ERSTE BANK, die als eine der wichtigsten Sammlungen der klassischen Avantgarde seit Jahren die osteuropäische Kunst unterstützt. Auch die in Wien ansässige Generali Foundation sammelt seit langem osteuropäische Kunst. Zusätzlich lassen sich die Bestände der Wiener Museen anführen. Osteuropäische Künstler stellen in Wien also keine Exoten dar, sondern waren schon vor dem Balkan-Hype vorhanden. Ein Edward Krasiski war bereits bedeutend, bevor der Hype losging.
 
Gerade die zweite Phase nach dem Hype halte ich für sehr wichtig. Nun geht es darum, die Galerien mit ihren Künstlern zu etablieren. Unsere wichtigste Aufgabe liegt darin, die osteuropäischen Galerien mit dem Markt und anderen Messen zu verbinden. Wien entwickelte sich für diese Galerien zum bedeutenden Anlaufpunkt. Letztes Jahr zum Beispiel waren amerikanische Sammler hier, die über die VIENNAFAIR angefangen haben, osteuropäische Künstler zu kaufen. Als ich diese Sammler einige Monate später auf anderen wichtigen Messen traf, stellte ich fest, dass sie die Projekte der Galerien und Künstler sehr genau verfolgen. Die amerikanischen Sammler kommen dieses Jahr wieder nach Wien, um die neuen Werke anzusehen.
 
Viele Galerien aus Osteuropa wurden noch vor der politischen Wende als Art Spaces gegründet und entwickelten sich später zu Galerien. An ihrer Attitude und Sicht haben sie nichts geändert. Wenn man vorher eine Staatsgalerie geführt hat, wird man nicht sofort ein guter Kaufmann. Ihre Künstler sind zwar interessant, aber es bewegt sich nicht so viel. Dagegen agieren die neu entstandenen Galerien aus Osteuropa wie zum Beispiel Plan B anders. Sie steigen im Jahr 2006 am Markt ein und kennen die Bedingungen des Kunstmarkts. Plan B kamen das erste Mal als quasi Nobody nach Wien. In Wien ging es ihnen sehr gut, sie konnten viele Kontakte knüpfen und haben in diesem Jahr einen ihrer Künstler bei Timothy Tailor in London untergebracht. Hier wird es spannend. Die neuen osteuropäischen Galerien wissen also sehr genau, wie der Markt funktioniert und bieten in ihrem Programm sofort ausländische Künstler an. Jetzt müssen wir die Galerien halten. Der Erfolg bringt viele Einladungen zu anderen Messen mit sich. Wien muss für die osteuropäischen Galeristen so interessant sein, dass sie Wien als fixen Platz einplanen.
 
In Bezug auf Polen habe ich festgestellt, dass in der ersten Phase nur Galerien aus Warschau bei uns auf der VIENNAFAIR waren. Dieses Jahr kann man beispielsweise Galerien aus Kraków und Pozna" finden. Ich gehe mit jedem ausländischen Besucher, mit jedem heimischen Politiker zu den osteuropäischen Galerieständen. Es soll kein Gefühl entstehen, dass diese als Outsider betrachtet werden, denn als solche fühlen sie sich oft bei anderen großen Messen. Die osteuropäischen Galerien werden als Ostexoten eingeladen. Wir nehmen sie jedoch ernst. Genau darin liegt der Unterschied zum angesprochenen Hype.
 
CS: Sie sind umgeben von Beiräten, Ausschüssen, Boards, einer Geschäftsführung, Messe- und Projektleitern, städtischen und staatlichen Förderern, Sponsoren, Galeriepreisen, KuratorInnen und Sonderausstellungen. Die Vienna Art Week richtet ein zusätzliches Rahmenprogramm aus. Inwiefern erlaubt Ihnen die heterogene Organisationsstruktur der VIENNAFAIR persönliche Einflussnahme auf künstlerischer Ebene?
 
EB: Die Spielräume muss man sich schaffen. Bei einer Kunstmesse treffen viele unterschiedliche Interessen aufeinander. Meine Tätigkeit besteht nicht darin, selbst ein Profil zu entwickeln, sondern dafür zu sorgen, dass alle gegenseitigen Interessen verschmelzen. Jemand, der rein aus der Kunst kommt, würde in meiner Position ganz anders agieren, besitzt vielleicht einen differenten theoretischen Unterbau, mag andernorts sozialisiert sein. Ich möchte die Stadt und ihre Institutionen in das Geschehen der Kunstmesse einbinden. Das schaffen wir nicht als Messe, sondern als Stadt.
 
Heute liefen meine jungen Galeristen verspätet und verschlafen zu ihren Ständen. Genau das wollte ich, dass sie am Abend auf Partys gehen, Leute treffen, dass sie die Museen besuchen, dass sich Künstler und Galeristen mitten im Geschehen befinden. Erst die Stadt erzeugt das Geschehen. Denn noch vor einigen Jahren bestand geringes Interesse, die Messe zu besuchen, vor allem unter den Vertretern der Institutionen. In diesem Jahr sehe ich beispielsweise Peter Noever [Anm.: Direktor MAK, Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, Wien] und Gerald Bast [Anm.: Rektor der Universität für angewandte Kunst, Wien] jeden Tag auf der VIENNAFAIR. Die Messe hat sich in Wien positioniert und das zieht positive Kreise. Die Überdosis erzeugt die wichtigen Vernetzungen. Ich freue mich über die vielen Alternativveranstaltungen. Dass sich die Independent Spaces und die Subkultur einklinken, empfinde ich in keinster Weise als Konkurrenz. Ergänzend zum Hauptprogramm generiert das Vorprogramm die Stimmung. Aus der Stärke heraus möchte ich die anderen Optionen mit einbeziehen.
 
Den Preis der Künstler hat Kamen Stoyanov gewonnen, ein junger Künstler, der sich zum ersten Mal auf so einer Messe präsentiert. Seine Galerie [Anm.: Dana Charkasi] existiert erst seit kurzem und trotzdem hat der Künstler die Konkurrenz abgehängt. Er bekommt nun eine Show im MUMOK [Anm.: Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien]. Um ins MUMOK zu kommen, braucht er normalerweise zehn Jahre. Ich empfinde es als persönlichen Sieg, dass es Sinn macht, sich für die junge Generation einzusetzen. Davon profitiert auch die VIENNAFAIR.
 
CS: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der VIENNAFAIR? Soll sich der Kunstraum für Zentral- und Osteuropa in Wien verdichten oder sind Dependancen der VIENNAFAIR in zentral- bzw. osteuropäischen Metropolen geplant?
 
EB: Wir brauchen etwas Zeit für den letzten Feinschliff. Eine Messe entwickelt sich konstant. Man muss jedes Jahr Rücksicht nehmen auf Veränderungen in der Szene. Ich glaube, dass wir eine überschaubare Größe anbieten und diese nicht überschreiten sollten. Wir wollen nicht zweihundert Galerien und tausende Künstler durch Messehallen schleusen. Bei der aktuellen Größe kann man mit den Galeristen reden und Künstler treffen. Man fühlt noch, was gut läuft oder sich verbessern lässt. Wir müssen nicht anderen Messen nacheifern, sondern entwickeln ein eigenes Profil. Wien offeriert ein sehr gutes Potenzial an Künstlern und Galeristen, um für die Zukunft Seriöses zu bieten. Expansionspläne sind derzeit kein Thema.
 
Claudia Stemberger ist als freiberufliche Kulturmanagerin in Wien tätig. Bis Herbst 2005 Produktionsleitung des Tanzquartier Wien. 2003 Initiatorin und Co-Kuratorin der Ausstellung informing bodies in München. Erfahrung in künstlerischer Programmation, Festivalmanagement, Marketing, Presse, Sponsoring. JOINT ADVENTURES, SZENE Salzburg, Staatstheater am Gärtnerplatz.

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