03.08.2007
Musikvermittlung

Interview mit Prof. Dr. Elmar Lampson

Im Gespräch mit dem Präsidenten der Hochschule für Musik und Theater Hamburg fragen wir nach den jüngsten Initiativen seines Hauses für die Musikvermittlung sowie nach den Herausforderungen für die Ausbildung von Künstlern.
Dirk Heinze: Herr Prof. Lampson, die Hochschule für Musik und Theater Hamburg hat sich im Zuge der Umstellung auf die Bachelor -und Masterabschlüsse besonders dem Thema "Musikvermittlung" verschrieben und diesen Bereich in die Curricula eingebaut. Betrifft das alle Studiengänge?

Elmar Lampson: Wir haben Musikpädagogik und Musikvermittlung in alle künstlerischen Bachelorstudiengänge als Pflichtfach integriert, wir sprechen vom "künstlerisch- pädagogischen Bachelor", und auch in den künstlerischen Masterstudiengängen bleibt Musikvermittlung ein begleitendes Pflichtfach. Die Master-Absolventen müssen neben dem öffentlichen Abschlusskonzert noch ein besonders konzipiertes Konzert geben, in dem der Vermittlungsaspekt eine wesentliche Rolle spielt. Außerdem erhält jeder Studierende die Möglichkeit, eine CD zu produzieren, muss dazu ein Booklet schreiben und sich in die verschiedenen Aspekte rund um die Vermarktung einer CD einarbeiten.

DH: Welche Überlegungen gaben den Ausschlag für diesen Schritt, der wohl einzigartig unter den deutschen Musikhochschulen ist?

EL: Es wird oft von einer Krise der klassischen Musik und des Musikmarktes gesprochen. Es handelt sich meines Erachtens aber nicht hauptsächlich um eine ökonomische und auch nicht um eine künstlerische Krise, sondern letztendlich um Fragen nach dem Bewusstsein für klassische Musik und Theater, um deren gesellschaftliche Wertigkeit und um Defizite im Selbstbewusstsein und in der Selbstreflexion der Künstler. Wenn man die Akzeptanz der klassischen Kunstbereiche erhöhen möchte, dann ist es wichtig, bei den Künstlern selbst zu beginnen.

DH: Und welche Hilfen gibt ihr neues Ausbildungskonzept Ihren Studierenden dafür an die Hand?

EL: In unserem neuen Bereich der "Schlüsselqualifikationen" wird es vielfältige Seminare und Praktikumsangebote geben, die den Horizont der Studierenden erweitern. Wir dürfen nicht mehr so stark auf festgelegte Berufsbilder hin auszubilden wie etwa auf das Ziel des Orchestermusikers. Die künstlerische Ausbildung muss flexibler und vernetzter werden und erweiterte Perspektiven eröffnen: Jeder soll etwas vom Unterrichten und von Musikpräsentation verstehen, Alte und Neue Musik sowie Improvisation beherrschen oder wissen, wie man in ein Orchester oder ein Theater neue Ideen hineinbringen kann. Künstler müssen nicht nur etwas können, sie müssen auch wissen, was das ist, das sie können, dann werden sie immer individuellere Berufswege finden und zu Botschaftern für ihre Kunst in unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern werden.

DH: Sie sehen also die Aufgabe der Vermittlung nicht nur beim Kultur- und Musikmanager, sondern auch beim Künstler selbst?

EL: Für eine Musikerin, einen Musiker kann die Fähigkeit, das eigene künstlerische Tun zu reflektieren, Musik zur Sprache zu bringen, sie in andere Bereiche hinein zu vermitteln und als Musiker mit der Musik soziale Verantwortung zu übernehmen eine Erweiterung der Lebensperspektiven und auch eine Vertiefung der künstlerischen Möglichkeiten bedeuten, vielleicht sogar zu einem Aspekt der Kunstausübung selbst werden. Ich mag zwar den Begriff der "Musikvermittlung" nicht besonders, er klingt immer etwas bemüht und didaktisch, dennoch, wenn es gelingt, als Künstler auf die Welt zuzugehen, sich einzubringen und einzumischen, künstlerisch- unternehmerische Ideen zu entwickeln, werden sich für viele Musiker und Musikerinnen und auch für Schauspieler und Regisseure neue unerwartete Berufsperspektiven eröffnen.

DH: Welche Resonanz gab es aus Ihrem Lehrkörper auf diese Neuerung?

EL: Ob dieses Vorgehen nun jeder Musik- und Schauspielprofessor als wichtig erachtet, kann ich nicht sagen. Aber der Vorschlag, Musikvermittlung einzuführen, kam wirklich aus dem Kollegium und findet dort auch einen breiten Konsens das neue Studienkonzept ist von allen Gremien einstimmig verabschiedet worden.

DH: Warum wurde das Thema "Musikvermittlung" bisher in der Musikerausbildung so stiefmütterlich behandelt?

EL: Ich denke, die Hintergründe einer solchen Frage sind vielfältig, nur einige Schlaglichter dazu: Der Rückgang des Musikunterrichts in den allgemein bildenden Schulen verlagert die Aufgabe der Musikvermittlung zunehmend auch auf die künstlerischen Institutionen wie Orchester, Konzert- und Opernhäuser und Theater. Sie alle stehen vor der Herausforderung, "Education- Programme" zu entwickeln. Ein anderer Aspekt ist der, dass die klassische Musikkultur in den vergangenen Jahrhunderten in völlig anderen gesellschaftlichen Umfeldern entstanden ist und unsere heutige Welt, unsere gesellschaftlichen Lebensformen sich grundlegend verändert haben. Wenn die klassische Musik unter den neuen Bedingungen einer viel weniger von einem Bildungsbürgertum geprägten Kultur sich erfolgreich weiterentwickeln will, muss sie neu über sich nachdenken und sich neue Kommunikationsstrategien überlegen. Sie muss sich in einer veränderten Gesellschaft mit neuen Ideen neue Freunde und Kontexte schaffen. Aber bitte nicht missverstehen! Ich meine damit keine Anpassungsstrategien, sondern neue Formen oder neu gegriffene Formen für die authentischen und unbequemen, geistig anstrengenden Haltungen der klassischen Hörkultur.

DH: Kennen in der Hochschule die Studenten ihre beruflichen Chancen? Erhoffen Sie sich mit dem Angebot Musikvermittlung vielleicht sogar auch eine Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten?

EL: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Ich habe bereits bei meiner Antrittsrede als Präsident der Musikhochschule vor drei Jahren gesagt: Die Entwicklung von neuen Berufsperspektiven ist eine der zentrale Aufgaben einer Hochschule. Wenn man in diesem Bereich Wesentliches erreichen möchte, dann muss man etwas im Selbstverständnis der Musiker verändern: Sie müssen Existenzgründerfähigkeiten vermittelt bekommen. Sie müssen mit dem unglaublich hohen Gut ihrer Fähigkeiten lernen, unternehmerisch umzugehen und die Chance bekommen, sich neue Berufsfelder in neuen Kontexten zu schaffen. Es gibt eine große Nachfrage nach Musik in vielen gesellschaftlichen Bereichen, und für viele Musiker werden sich neue Perspektiven ergeben aus beweglichen Zusammenstellungen zwischen Unterrichten, Ensemblespiel, vielleicht auch Organisations- und Veranstaltertätigkeiten. Das sind Berufsbilder, die sich nicht nur auf die bekannten Stellenprofile beziehen. Es wird eine Bereicherung für alle bedeuten, wenn sich mehr Musiker auf vielschichtige Freiberuflerszenen vorbereiten, wenn sie aktiv ihre Netzwerke schaffen und auf ihre Netzwerke zurückgreifen können.

DH: Wie gut wissen Sie, was aus Ihren Absolventen der Hochschule beruflich geworden ist?

EL: Die Absolventinnen und Absolventen unserer Hochschule sind außergewöhnlich erfolgreich, man denke nur an die Sängerinnen Angela Denoke und Aleksandra Kurzak. Zahlreiche andere wären zu nennen, die an prominenten Stellen des Kulturlebens wirken. Die Auswahlkriterien unserer Hochschule sind so streng, dass diejenigen, die einen Studienplatz bekommen, in aller Regel auch ihren Platz im Berufsleben finden. - Die Ausbildung von Vermittlungskompetenzen ist aber trotz dieser großen Erfolge dringend notwendig, um immer neue Räume für Musik und Theater zu erobern, und um künstlerische Haltungen und Arbeitsweisen in viele gesellschaftliche Bereiche hineinzutragen.

DH: Herr Prof. Dr. Lampson, ich bedanke mich für dieses Gespräch!

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