20.05.2008

Autor*in

Svenja Kluckow
Rückblick Kunst - Werte Gesellschaft 2008

Freiraum oder Schutzraum: Mehr Selbstbewusstsein für Deutschlands einzigartige öffentliche Kunstinstitutionen

Die Tagung "Kunst - Werte Gesellschaft" in der Berliner Akademie der Künste suchte nach einer Positionsbestimmung der zeitgenössischen Kunst zwischen privater und öffentlicher Förderung.
Ganze 36 Fragezeichen schmückten das Tagungsprogramm, bemerkte der Präsident der Akademie Klaus Staeck zugleich in seiner Begrüßungsansprache. Damit stellten sich die Veranstalter selbst einer großen Herausforderung, wobei es anfangs so schien, als wenn die Frage nach der Rolle und Bedeutung der Kunstvereine im großen Kontext fast vergessen wurden. Dabei trat doch die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine neben der Kulturstiftung des Bundes als Gastgeber auf. Antworten waren aber auch nicht das Anliegen des Programms, eher die Präzisierung der Probleme.

Der Tagung lag die Grundthese zu Grunde, der Kunstbereich habe in den letzten Jahren eine starke Ökonomisierung erfahren. Die Diskussion schlängelte sich somit stets um die Frage, ob die Ökonomisierung der Kunst zu einer Vitalisierung oder zu ihrer Unterminimierung beiträgt. Drei damit verbundene Phänomene wurden kritisch erörtert.

Zurzeit prägen fast ausschließlich spektakulär anmutende Großveranstaltungen den Diskurs über die zeitgenössische Kunst. Die Definition von Qualität und Anerkennung generiert sich aus einem aktuell herrschenden Grundverständnis, welches Marktwert mit Symbolwert der Kunst gleichgesetzt und die ehemalige Trennung zwischen Kunstmarkt und Kunstdiskurs aufgelöst wird.

Die Forderung nach Leistungsorientierung an Museen und Ausstellungsstätten im Sinne von Publikumsorientierung und Wirtschaftlichkeit wirkt sich negativ auf die Programmgestaltung der Institutionen aus, die mit als weitgehend qualitativ minderwertig und kulturpolitisch bedeutungslosen, aber medial groß aufgezogenen Sonderveranstaltungen Aufmerksamkeit zu erreichen versuchen und dabei ihre eigentliche Zweckbestimmungen vergessen. Daraus würde eine grundsätzliche Verflachung des künstlerischen Anspruchs folgern und nur temporär ein breites Publikum aktiviert werden, ohne nachhaltig Werte zu bilden oder eine künstlerische Bildung zu ermöglichen.

Es ist weiterhin eine Beschleunigung des Kunst-Betriebes zu beobachten, die in der Konsequenz Auswirkungen auf die gesamte Produktionskette nach sich zieht und eine Eigendynamik entwickelt, deren Tempo nur von wenigen Akteuren geleistet werden kann. An die Hochschulen stellt man inzwischen große Erwartungen im Produzieren von Markt-Stars. Nicht nur unter dem Trademark Kunsthochschule Leipzig ändern sich beispielsweise die Anforderungen an die Studenten.

Als früheren Leiter des Hamburger Kunstvereins war Stephan Schmidt-Wulffen eingeladen, mit dessen Eingangsreferat der Untertitel der Tagung zu Ökonomisierung der Kunst. Fakten, Möglichkeiten und Gefahren hätte geändert werden können. Mit seinem Zahlenwerk zur Situation zeitgenössischer Künstler, von denen nach wie vor kaum ein Zehntel von der Kunst allein leben kann, bewies er aber, dass es sich eher um eine gefühlte als um eine reale Ökonomisierung handelt. Mehr Museen führen nicht zu mehr Besuchsaufkommen im Gesamten. Der Beruf, in dem er heute arbeite, sei keineswegs mehr derselbe, in dem er angefangen habe. Künstler sind heute Kreativarbeiter in den konvergierenden creative industries und arbeiten ohne Scham parallel in der Modewelt, Designwelt und Kunstwelt zugleich. Die vertrauten Regularien der Institution Kunst seien längst außer Kraft gesetzt und Schmidt-Wulffen erschien ähnlich ratlos wie jene, die ihn zum Vortrag gebeten haben. Dabei schien er selbst vergessen zu haben, dass ein Olafur Eliasson heute zwar ein Kunstunternehmer mit 37 Mitarbeitern und kein Kunstwerkproduzent mehr ist, doch am Anfang dieser Karriere eine damals unbeachtete Ausstellung im Hamburger Kunstverein eines noch unbekannten dänischen Künstlers stand.

Anne-Marie Bonnet, Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Bonn, wies mit vielen Beispielen darauf hin, das der Kunstbetrieb historisch gesehen immer schon in der Kommerzialisierung verstrickt gewesen ist, nur heute der Verlust an Kriterien es schwierig macht, damit zurecht zu kommen. Sie agierte quasi als das universitär-wissenschaftliche Gewissen des Symposiums mit der Mahnung an die Studenten, sich nicht auf die digitale Bild- und Wissenswelt zu verlassen und der Schelte an die Wirtschaft, das schwer vergeudete Humankapital zu beachten.

Das Podium des ersten Abends begann zaghaft und scheu. So sehr die Moderatorin Regina Wyrwoll, Generalsekretärin der Kunststiftung NRW, auch drängte, ihre Kollegin Hortensia Völkers ließ sich nicht zu einer Definition von Kriterien der öffentlichen Kulturförderung herab. Vielleicht lag es daran, dass mit Adam Szymszyk der Kurator einer hinterfragten Berlin-Biennale mit auf der Bühne saß. Sie beließ es bei der Argumentation (bspw. Documenta X), dass eine Bewertung des Bundesengagements sowieso nicht erlaubt sei. Dabei hätte die Tagung schon an dieser Stelle eine grundlegende Position vertragen können, auf die man sich später wieder hätte berufen können. Klar wurde, in welch luxuriöser Situation sich die deutsche Kulturförderung nach wie vor befindet. Im internationalen Vergleich bietet sie Freiräume für die Kunst unter extraordinären Arbeitsbedingungen. Im Hintergrund der Eventkultur ist heutzutage aber keine einfache Formel mehr für die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Förderung zu nennen. Je näher man die Aktivitäten betrachtet, desto mehr fallen sie zusammen und man arbeitet stets mit Mischformen.

Dann kamen die Kunstvereine zu Wort. Auf der Bühne und im Foyer präsentierten sie sich von Zwickau bis Madrid, Diaspora oder Ballungszentrum, von jung und quer wie die Produzentengalerie Hamburg bis alteingesessen und gut ausgestattet wie Münster. Das Grunddilemma aller ist das Mitgliedermodell, getragen von einer starken Mittelschicht, die sich anhand der Arbeit im Kunstverein stets selbst in Frage stellt. Die Organisationsstruktur der Produzentengalerie Hamburg mit den Anteilen GmbH, Kommanditgesellschaft und Verein ermöglicht Bewegungsspielraum und steht keineswegs im Licht der Unabdingbarkeit. Auf dem von Stefan Berg geleiteten Podium zur Frage, wie im Boom die Vereine und Institutionen ein eigenes Profil erstellen könnten, traute sich die Kunsthalle München dann endlich ein Marketing-Statement zu. Lothringer 13 zeigt nämlich, was es sonst in der Stadt nicht gibt. Aber ein anderer Name und eine attraktive Verpackung können ausschlaggebend für Attraktivität sein.

Für Museumsmodelle seien hier beispielsweise die Kunsthalle Kiel genannt, die mit der Strategie zwischen eigener Sammlung und Publicity- trächtigen Ausstellungsprojekten wie Heavy Metal und Ballermann auf hohem Niveau neues Publikum begeistert. Währenddessen möchte sich das Kunstmuseum Stuttgart laut Marion Ackermann permanent in Frage stellen, um als neu gegründete gGmbH in der Öffentlichkeit bestehen zu können.

Hier saßen wir also, die Zuhörer, im Stillen ein jeder vielleicht selber gerne Bohemian im Umfeld der Kunst, also any person who lives an unconventional artistic life, where self-expression ist the highest value and art is a serious and main focus in life. Wir schauten uns den Film Im short your house von Stephan Dillemuth, Professor an der Akademie der Bildenden Künste München, an (zu sehen unter www.societyofcontrol.com). Die Gleichsetzung des Kunstmarktes mit dem Finanzmarkt ist sein Thema. Die Spekulation mit Aktien ist wie die Spekulation mit Kunstwerken, alles made in Basel. Er unterhielt und befreite das Publikum mit seinem bitte als Performance zu verstehenden Plädoyer für die Revolution des Systems Kunst: Als erstes schlagen wir die Umverteilung der institutionellen Mittel vor (...) das einzige, was wir brauchen ist die Portokasse (...) die Zukunft ist selbst-organisiert. Zum Glück entlarvte er die neue Aufrichtigkeit der alten Figur des Kulturpessimisten mit der Diagnose, die Kritik am Kunst-Hype ist auch nur Teil des Hypes selber. Nun wurde klar, wo das Schiff hinsegeln sollte. Selbstbewusste Akteure im Hintergrund eines sich wandelnden Kulturbegriffs.

Unternehmer haben Selbstbewusstsein. Harald Falckenberg, Vorsitzender des Kunstvereins Hamburg und bekannt als Sammler, proklamierte: Die einzige objektive Kritik bietet der Markt. Und so kam es, dass Holger Kube Ventura, Mitinitiator von der Kulturstiftung des Bundes, in der abschließenden Podiumsrunde sein Resümee zog, dass der Generaltenor der Tagung von der Angst um den Ausverkauf und die Verflachung, bzw. Vereinheitlichung der Kunst bestimmt wurde, da eine Integration von Markt und Szene schwer möglich erscheint.

Für mehr Selbstbewusstsein der Museen. Neben dem korporativen Eingriff von Markt und Privatwirtschaft darf die öffentliche Kulturförderung nicht zu einem Schutzraum verkommen. An Stelle einer Beugung vor den Marketinginteressen der Sponsoren sollten sich Direktoren und Akteure der öffentlichen Institutionen mit größerem Selbstbewusstsein wieder dem aktivistischen politischen Engagement für größere Kulturetats einsetzen. Dazu forderte nicht nur Stephan Koldehoff als Kulturredakteur beim Deutschlandfunk auf. Ein Museum kann niemals mit einem ausgeglichenen Haushalt wirtschaften, noch jemals profitabel werden. Ein Museum sollte qua seiner Zweckbestimmung immer ein staatlicher Zuschussbetrieb bleiben. Kunstvereine haben eine lokale und regionale Ausrichtung was gäbe es denn da zu diskutieren? Nicht nur für den Werdegang eines Museumsdirektors ist die Leitung eines Kunstvereins der legitime Einstand, auch für den jungen Künstler ist er der Start in eine fruchtvolle Karriere.

Tino Sehgal ist zu danken, dass er das Außenministerium daran erinnerte, nicht Sponsor, sondern Auftraggeber des Biennale Pavillons 2005 gewesen zu sein und sich folglich damit ungerechtfertigterweise in die Gestaltung des Pavillons einzumischen versuchte. Hoffentlich ist es richtig, dass er nach wie vor lieber seine Werke an ein Museum verkaufen möchte als an einen privaten Sammler wie Monsieur Pinot, und wenn dieser noch so reich und einflussreich und sein Ausstellungsraum noch so elaboriert sei. Private Sammler könnten niemals die politische Macht von Kollektivität und Diskursivität leisten, die ein Museum als Vertreter der Gesellschaft innehat. Privatpersonen werden immer die Schwäche der persönlichen Note in ihrer Sammlung haben und kulturpolitische Macht die fehlende Ressource sein.

Für mehr kulturpolitisches Selbstbewusstsein aus dem Staatsauftrag. Kunst und Kommerz, Medienglamour gegen Qualität. Am Ende der Tagung bleibt die Erkenntnis, dass Sammlungsbudgets, sofern sie überhaupt noch existieren, maßgeblich zu klein sind, um gegen den Markt zu bestehen, und dass Kulturetats auf allen politischen Ebenen zu klein und begrenzt sind und keinesfalls der staatlichen Verantwortung entsprechen. An dieser Stelle sprechen wir Hortensia Völkers wieder Sympathie aus, die nicht nur die Kulturpolitiker bloß stellte, die sich nur mit Kunst und Kultur schmücken, aber sie meistens selber nicht verstehen und die Legitimation von Kulturförderung vereiteln. Sie ermahnte dazu, sich an den staatlichen Bildungsauftrag zu erinnern und die Kultur stärker in Schulen und der Grundausbildung des Volkes zu etablieren, an der Basis also.

Eine selbstbewusste Tagung. Renommierte Veranstalter, hochkarätige Referenten, die kostenlose Teilnahme und der akademisch bettende Ort formten die Bedingungen für eine erfolgreiche Tagung, die von ca. 500 Teilnehmern besucht wurde. Es sei hier noch bemerkt, dass die Programmgestaltung mit Podien an einem Samstagabend bis 23 Uhr streng und ambitioniert war. Die Idee, Beobachter einzuladen, die die gesamte Tagung verfolgten und in der abschließenden Sitzung über ihre Eindrücke referierten und organisatorisch wie inhaltlich Kritik äußerten, sollte von Tagungsveranstaltern zukünftig übernommen werden. So ist ein tatsächliches Resümee möglich und nach der Tagung kann praktisch weiter gearbeitet werden.

Für mehr Selbstbewusstsein der Kunstvereine. Nun wird der Kelch an die Kunstvereine weiter gereicht, von denen laut Bernd Fesel keiner wirkliche Werte formuliert hatte, die er vermitteln will. Vielleicht befinden sich die Kunstvereine wirklich in einer Missionsfalle, gefangen in der eigenen Darstellung. Leonie Baumann kann also selbstbewusst weiter arbeiten aber hat einige Arbeitspakete mit in ihr Büro genommen. Trotz des aktuellen Interesses an Kunstvereinen in den Medien sollte der Ratschlag von Herrn Fesel ernst genommen werden, sich um die Optimierung der öffentlichen Darstellung und nachhaltige Positionierung der Kunstvereine zu bemühen. Jetzt kommen die Kulturmanager an die Reihe.

Die Kunstvereine aktuell in den Medien:
Kunstmagazin Art, Ausgabe 05/08; http://www.art-magazin.de/kunst/5924/kunstvereine_portraet

SWR Nachtkultur vom 16. Mai 2008: http://www.swr.de/nachtkultur/-/id=200218/nid=200218/did=3358052/9t91bb/index.html
 

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