23.08.2010

Autor*in

Wolfgang Immerschitt
Öffentlichkeitsarbeit

Crossmediale Pressearbeit von Kulturinstitutionen

Der Wiener TU-Professor Georg Franck, hat vor Jahren eine Ökonomie der Aufmerksamkeit entwickelt. Dabei vergleicht er das kommunikative Umfeld von Unternehmen und Institutionen mit einem Bierzelt, in dem wegen dem enormen Geräuschpegel jeder brüllen muss um sich Gehör zu verschaffen. Franck nennt das eine Tendenz zur Selbstverstärkung der Reizflut. Wer diese Reizschwelle nicht übersteigt, wird nicht wahrgenommen. Mit diesem Problem kämpfen Kulturinstitutionen. Sie schaffen es sehr oft nicht, die Wahrnehmungsgrenze zu überwinden. Meist spielt das liebe Geld dabei eine nicht unwesentliche Rolle. Dieser Umstand wird nicht zu ändern sein oder sich sogar angesichts der leeren Kassen noch verschärfen. Wohl aber lässt sich die Öffentlichkeitsarbeit für die Kultur durch strategische Neuausrichtung verbessern.
Die strategische Kommunikation ist in den letzten Jahren vielfältiger, herausfordernder, komplexer geworden. Die Ansprüche der verschiedenen Dialoggruppen sind gestiegen, die klassischen Massenmedien (Print, Hörfunk, Fernsehen) haben an Zahl zugenommen und an Rezipienten verloren. Zugleich ist mit dem Internet ein neues Massenmedium entstanden, das jeden Kulturschaffenden in die Lage versetzt, selbst zum Verleger zu werden. All das zusammen hat die Anforderungen an das Kommunikationsmanagement enorm erhöht.

Nur wer profiliert ist, hat eine Chance
Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist es, der jeweiligen Institution, die kommuniziert, ein Profil zu geben. Das heißt, Sie müssen Ihrer Kultureinrichtung eine deutlich umrissene Kontur geben, die sich klar abhebt und damit erkennbar wird. Vorreiter der Branche mit Profil arbeiten an ihren Alleinstellungsmerkmalen und treten damit aus der Umgebung hervor. Nehmen wir ein paar der erfolgreichen österreichischen Beispiele: Albertina, Belvedere, Jüdisches Museum, Salzburger Festspiele, die Galerie Ropac oder das wunnnderbare Mörbisch. Viele weitere ließen sich auf regionaler (und besonders internationaler) Ebene hinzufügen.

Sie alle haben etwas gemeinsam: Eine klare Ausrichtung und einen klugen Kopf dahinter, der für das p.t. Publikum klar macht, wofür sein oder ihr Haus steht. Schauen Sie sich einfach in Ihrem speziellen kulturellen Umfeld die Beispiele an, die besonders herausragen und machen Sie sich Gedanken darüber, an welchen Drehschrauben der Kommunikation da gedreht wird. Diese Ansatzpunkte einer strategischen Kommunikation habe ich im 2009 im Gabler-Verlag in Wiesbaden erschienenen Buch Profil durch PR herausgearbeitet. Es befasst sich mit der Entwicklung von strategischen PR-Konzepten und der Rolle, die bei der Vermittlung der Botschaft der Mensch an Spitze spielt.


Öffentlichkeitsarbeit muss sich wie einst Odysseus zwischen Skylla und Charybdis bewegen. Die Klippen sind überzogene Erwartungen des Kulturmanagements, fehlende Kommunikationsbereitschaft der Dialoggruppen (belegt durch die Reader-Scans der Zeitungen) oder schlimmstenfalls die Wahl der falschen PR-Strategie. Fehlerquellen sind mannigfach. Oft scheitern PR-Treibende an der notwendigen Fantasie, am Erkennen von Geschichten die sich lohnen würden, erzählt und gezeigt zu werden, an der mangelnden Bereitschaft oder der Fähigkeit sich zu artikulieren, an der Bereitschaft bzw. Fähigkeit Geld zu investieren oder am fehlenden Wissen um die Möglichkeiten, die die Öffentlichkeitsarbeit bietet.

Die Zielsetzung der Kommunikation muss es sein, in den Köpfen der Menschen, die erreicht werden sollen, Bilder entstehen zu lassen. Diese Bilder sollen, damit sind wir wieder zum Begriff Profil zurückgekehrt, möglichst klar konturiert sein und sich von anderen Portraits abheben: Erfolgreich sind diese Meisterstücke der Legendenbildung dann, wenn Ideen, Personen, Ereignisse sich unvergesslich in die Köpfe einbrennen bis hinein ins letzte Dorf.

Kulturinstitutionen können sich nur dann profilieren, wenn sie langfristige, strategische Kommunikation betreiben. Öffentlichkeitsarbeit, die eher beiläufig betrieben wird, die konzeptlos daherkommt und keine systematische Komponente in sich trägt, hat keine Zukunft. Kommunikationsplanung beinhaltet dabei sowohl systematische als auch kreative Elemente.

Dialog mit Kulturinteressierten und Stammkunden tut not
Was ist als Thema für die Medien interessant? In erster Linie wird aufgegriffen, was Leser, Hörer oder Seher des jeweiligen Mediums anspricht. Das Themenradar der Medien ist sehr genau eingestellt. Die Inhalte unterliegen einer permanenten kritischen Beobachtung. Welche Themen kommen an, welche Aufreger bringen Quote, welche Differenzierungsmerkmale zum Mitbewerb gibt es. Redaktionelle Beiträge unterliegen permanenter Beobachtung. Themen, die gar keine Reaktion hervorrufen, verschwinden sehr schnell, solche, die eine Flut von Leserbriefen, Postings oder Anrufe auslösen, die von anderen Medien aufgegriffen werden, werden zur Serie ausgewalzt, nachdem der Hype vorüber ist, aber auch genauso schnell wieder fallen gelassen. Kulturthemen haben es dabei sehr schwer, weil sie ein Minderheitenprogramm sind. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich weg von ausgetretenen Pfaden begeben.

Die richtigen Themen anzusprechen ist eine Sache, die andere ist die Auswahl der Dialoggruppen. Über welche Kanäle diese am besten erreicht werden können, wird viel zu oberflächlich analysiert. Im Übrigen längst nicht nur in der Kulturszene. Welche Dialoggruppe kann ich mit welcher Kommunikationsmaßnahme erreichen? Dies ist die entscheidende Frage, Entscheidungen sind dringend notwendig, denn längst nicht alle Möglichkeiten können ausschöpft werden. Dazu fehlen in der Regel die nötigen Budgetmittel. Es gilt also, die richtigen Multiplikatoren auszusuchen. Das können die klassischen Massenmedien sein, müssen es aber nicht. Wer kommunizieren will, muss das dort machen, wo seine Dialoggruppen sind.

Es macht auch einen enormen Unterschied, an welche Person konkret eine Botschaft gerichtet wird. In jedem Medium gibt es Ressorts und Redakteure, die ein spezielles Thema abdecken. Um es ein wenig plakativ zu machen: Den Redakteur von Horse & Hound (das zeigt die urkomische Szene mit Hugh Grant und Julia Roberts in Notting Hill) interessieren ganz andere Geschichten als den Societyreporter, der auf den Filmstar angesetzt wird. Die redaktionellen Ansprechpartner möglichst genau zu kennen, ist ein ganz zentraler Punkt der Medienarbeit.

Soweit zum Thema Journalisten als Ansprechpartner, mindestens gleich wichtig sind die Kulturinteressenten. Nach meiner Beobachtung wissen derzeit viele Veranstalter nicht, woher ihre Besucher kommen. Wobei das woher sowohl eine geografische als auch eine soziodemographische Komponente beinhaltet. In der Wirtschaft ist Data based Marketing längst zur Selbstverständlichkeit geworden. Und noch etwas: Die Applikationen im Web 2.0 sind allesamt sehr dialogorientiert. Und wenn Sie wissen, mit wem Sie in den Dialog treten können, weil es eine Affinität zum eigenen Haus gibt, erreichen Sie allemal mehr, als wenn Sie mangels Wissen um ihre Freunde oder Sympathisanten ausziehen, um den Kulturbanausen zu missionieren.

Wenn Sie es noch nicht tun, dann sollten Sie rasch damit beginnen, die Namen und Adressen Ihrer Besucher zu sammeln. Damit die Ihnen ihre Daten geben, müssen Sie Anreize schaffen, indem Sie z.B. Karten verlosen oder ein Extrazuckerl (Backstagekarten, Sonderführungen, Diner mit dem Hauptdarsteller usw.) vergeben.

Bei den Dialoggruppen spielen die Medien natürlich eine wesentliche Rolle aber bei weitem nicht mehr eine so große wie früher. Geschickt gemachte Web 2.0-Strategien und Komponenten der direkten Kommunikation bringen besonders bei der Stammkundenbindung sehr viel. Dazu mehr im nächsten Abschnitt.

Den ganzen Globus an Kommunikationsinstrumenten im Blick
Öffentlichkeitsarbeit ist weit mehr als Medienarbeit. Aber auch die Medienarbeit ist vielfältiger geworden. Ich habe in meinem im August 2010 im Fachverlag Gabler erscheinenden Buch Crossmediale Pressearbeit die Instrumente auf einem Globus angeordnet:



Auf der Weltkugel gibt es Längen und Breitengrade. Hier gibt es einen Bedeutungsmeridian, der nicht durch London verläuft, sondern unsere Kommunikationswelt in Wichtiges und weniger Wichtiges trennt. Was auf diesem Meridian liegt, hat gegenwärtig große Bedeutung. Rechts davon, wenn Sie so wollen: im Osten finden sich Tools, die künftig wichtiger werden, nach Westen solche, die verlieren werden.

Auf unserem Globus gibt es auch einen Äquator. Von Oben nach Unten oder Nord nach Süd steigt der Grad der Dialogorientierung: Ganz oben im Norden sind die Maßnahmen, die eher monologisch, stark Information vermittelnd sind, unten die eher dialogischen, in der Mitte jene mit Feedbackschleife. Die einzelnen Maßnahmen, die im angeführten Buch vorgestellt werden, habe ich in der heute sehr gebräuchlichen Form von Tagclouds dargestellt. Was besonders häufig und erfolgreich verwendet wird, ist fetter und größer dargestellt, weniger Wichtiges in kleineren Lettern und magerem Schriftschnitt.

Momentan sieht die Medienlandschaft aus wie ein großes Forschungslabor, in dem eifrig experimentiert wird. Was heute noch gilt, kann morgen schon Makulatur sein. Das alles bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Medienarbeit. Sie ist ungleich vielfältiger und multimedialer geworden. Inhalte werden nicht mehr allein in Wort und Bild über Journalisten an die Rezipienten herangetragen. Crossmediales Denken wird in Zukunft noch wichtiger werden. Das geschriebene Wort allein reicht einfach nicht mehr aus. Das ist eine Herausforderung für die PR-Verantwortlichten im kulturellen Bereich. In sehr vielen Fällen wird es notwendig sein, Expertennetzwerke zu bilden, die die unterschiedlichen Aufgabenstellungen optimal und kostengünstig abdecken können.

Wenn die Medienarbeit über die klassischen Mittler läuft, dann sind vielfältigere Zugangskanäle und multimediale Vermittlungsformen notwendig. Die YouTube Generation will anders angesprochen werden als die lange Zeit im Fokus der Medienarbeit stehenden Leser von Tageszeitungen und Kulturjournale. Dazu kommt, dass durch die Möglichkeiten der Online-Kommunikation zunehmend auch der direkte Weg zu den Dialoggruppen gewählt wird. Es wird gebloggt, getwittert oder in sozialen Foren diskutiert. Was für Ihr Haus dabei der richtige Ansatz ist, hängt von vielen Faktoren ab. Von den anzusprechenden Personen, den Themen und Inhalten, der Möglichkeit der Visualisierung, der Kreativität, der zur Verfügung stehenden Zeit und natürlich dem Budget. Nicht alles, was machbar ist, ist auch umsetzbar. Aufgabenstellung des Kommunikationsmanagements ist es aber in jedem Fall, sich mit den Herausforderungen der neuen Medienarbeit auseinander zu setzen.

Über die neuen Publikationsmedien lassen sich Informationen direkt und unmittelbar im Internet kommunizieren und auf diese Weise gezielter steuern. Über Presseportale und Social News Communities werden Pressemitteilungen direkt im Internet veröffentlicht und damit vielen recherchierenden Konsumenten zugänglich gemacht, die sich vielleicht gerade über die von Ihnen angebotenen Waren oder Dienstleistungen informieren wollen. Artikelportale und Expertenforen bieten Platz für Fachartikel, Vorträge und Präsentationen. Corporate Blogs geben Unternehmensinformationen und News eine persönliche Note. RSS-Verzeichnisse und Twitter bieten die Möglichkeit, Neuigkeiten, Pressemitteilungen oder Fachartikel in Form von Kurznachrichten zu teasern und mit den PR-Texten auf der Unternehmenswebsite zu verknüpfen.

Eine zentrale Aufgabe der PR-Verantwortlichen ist es, qualifizierte Inhalte für die verschiedenen Medien zu entwickeln, zu publizieren und bei den Zielgruppen entsprechend zu bewerben. Null Acht Fünfzehn geht heute gar nicht mehr. Jeder Kanal will ganz individuell bespielt werden. Das verlangt nach intensiver Auseinandersetzung und fordert Zeit und Engagement. Immer individuellere Stories werden verlangt. Jedes Medium hätte am liebsten eine Exklusivgeschichte. Das ist einerseits verständlich, andererseits wird dadurch der Aufwand für die Kulturmanager (und deren PR-Agentur) multipliziert, wenn nicht gar potenziert.

Die Medienarbeit des Jahres 2010 ist viel mehr auf den Dialog ausgelegt als noch vor wenigen Jahren. Das bedeutet aber, dass die alte Form der Informationsvermittlung (Top-Down) nur noch höchst holprig funktioniert. Zweiwegkommunikation, wie wir sie heute viel stärker wahrnehmen als früher, erfordert vor allem eines: Zuhören und Mitlesen, was über Ihr Unternehmen publiziert wird.

Neue Kanäle wurden ausprobiert, vor allem solche, die sich mit niedrigen Budgets verwirklichen ließen. Möglichkeiten, Kulturinformationen zu veröffentlichen, gibt es heute mehr denn je zum Beispiel auf dieser Plattform, auf der Sie sich gerade befinden. Viele davon sind auch kostenlos zugänglich. Worauf es ankommt, sind Inhalte mit Mehrwerten und diese mediengerecht für Menschen und Maschinen aufzubereiten.

Wenn Sie es schaffen, ein strategisches Kommunikationskonzept zu erstellen und auch konsequent umsetzen, haben Sie schon viel erreicht. Wenn es Ihnen dazu gelingt, auf der neu gestalteten Klaviatur der Medienarbeit virtuos zu spielen, werden Sie den Applaus der Öffentlichkeit und Ihres Publikums ernten.

Ihre Meinung interessiert mich: w.immerschitt@pleon-publico-sbg.at

Literatur von Dr. Wolfgang Immerschitt
Crossmediale Pressearbeit, August 2010, Details
Profil durch PR, 2008, Details
 

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