06.03.2007

Autor*in

Daniel Florian
Think Tanks

Vordenker der Politik

In den USA blüht das Geschäft der unabhängigen Politikberater, die an der Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Wirtschaft stehen. Auch in Deutschland sind solche %u201EIdeenmakler%u201C auf dem Vormarsch und befruchten die gesellschaftspolitische Debatte.
Alle Bundestagsparteien haben einen, BMW hat einen, Madonna hat einen: Think Tanks haben sich in den letzten 15 Jahren zu einer Mode entwickelt, die es schwierig macht, zu erklären, was ein Think Tank im Deutschen oft auch als Denkfabrik bezeichnet eigentlich ist. In der Politikwissenschaft gelten Think Tanks als regierungsunabhängige, gemeinnützige Forschungsinstitute, die Lösungsvorschläge für die Politik entwickeln und an die politischen Entscheidungsträger vermitteln. Der Begriff stammt aus dem Zweiten Weltkrieg und bezeichnet ursprünglich einen abhörsicheren Raum, in dem Strategien und Taktiken geplant wurden. Inzwischen gilt Think Tank als Synonym für einen Raum für neue und unkonventionelle Ideen, der eben auch für die BMW Car IT, eine Tochter des Autoherstellers BMW oder für Madonnas Tanztruppe benutzt wird.

 

Geschichte

Think Tanks entstanden in den USA im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als Unternehmensstiftungen der großen amerikanischen Industriebosse und Philanthropen und prägten schnell das politische, aber auch soziale und kulturelle Leben der Vereinigten Staaten. In Europa hatten es Think Tanks schwerer. Die Formulierung politischer Programme und die Analyse gesellschaftlicher Problemlagen wurde und wird in Europa vor allen Dingen durch politische Parteien übernommen, die in den USA verhältnismäßig schwach sind. In den 1970er Jahren veränderte sich die Think-Tank-Landschaft in den USA grundsätzlich, als mit der Heritage Foundation die ersten großen ideologischen Think Tanks aufkamen. Die konservative Heritage Foundation steckt einen großen Teil ihrer Mittel in Marketing und schafft es dadurch, einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Die konservative Wende unter Präsident Reagan ist vor allen Dingen auf die Arbeit der Heritage Foundation zurückzuführen.

In Deutschland entstanden die ersten Think Tanks Anfang des 20. Jahrhunderts. Die älteste auch heute noch existierende Denkfabrik ist das 1914 gegründete Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Auch die Parteistiftungen gehörten zu den ersten Think Tanks, allen voran die 1925 gegründete Friedrich-Ebert-Stiftung. In Deutschland spielt allerdings staatliche Förderung eine wichtigere Rolle als in den USA. Privat finanzierte und operativ arbeitende Institute sind selten, die bekannteste Ausnahme ist die Gütersloher Bertelsmann Stiftung. Auch die anderen Unternehmensstiftungen fördern inzwischen immer weniger und führen mehr Projekte in Eigenregie durch. Damit existieren insgesamt rund 150 Denkfabriken in der Bundesrepublik.

 

Wer, wie, was? Das Aufgabenspektrum der Denkfabriken

Think Tanks leisten einen wichtigen Beitrag zur Politik, indem sie neues Wissen und neue Ideen generieren und an politische Entscheidungsträger und zunehmend auch Verbände oder Wirtschaftsunternehmen vermitteln. Durch die Organisation von Seminaren und Konferenzen bieten sie außerdem einen Ort für den Austausch unterschiedlicher Interessen. Last but not least bieten Think Tanks einen Pool gut ausgebildeter Experten, die zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft wechseln und damit die unterschiedlichen Systeme um neue Ideen bereichern. Letzteres ist in Deutschland jedoch nur sehr schwach ausgeprägt. In den USA dagegen werden manchmal halbe Regierungen aus den Büros der Denkfabriken rekrutiert. Dabei ist dieser Drehtür-Effekt das Wechseln zwischen den verschiedenen Systemen eine der wichtigsten Funktionen von Think Tanks. Das Vor-Denken von konkreten politischen Programmen jenseits von Wahlkämpfen und Legislaturperioden ermöglicht es, langfristige und globale Probleme wie den Klimawandel oder die Ausbreitung von Infektionskrankheiten frühzeitig zu erkennen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Politische Instanzen haben kaum Anreize, sich diesen Problemen zu widmen, weil konkrete Erfolge nur schwer nachzuweisen sind und Ergebnisse sich nur langfristig zeigen. Think Tanks können hier einen entscheidenden Beitrag leisten.

 

Politik- oder Gesellschaftsberatung?

Diese besondere Form der Beratung, die langfristig auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist, ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal von Think Tanks im Vergleich zu kommerziellen Beratungsunternehmen sowie Unternehmensoder Politikberatern, die oft lediglich Gutachten schreiben und Auftragsforschung betreiben und dabei größere gesellschaftliche Zusammenhänge außer Acht lassen. Die Unabhängigkeit der Think Tanks ist das größte Pfund der Denkfabriken. Immer öfter werden sie deswegen auch von Unternehmen, Verbänden oder Nichtregierungsorganisationen nachgefragt auch, weil Think Tanks nicht im sprichwörtlichen Elfenbeinturm sitzen.

Das Themenspektrum der Denkfabriken ist breit gefächert. Auch wenn es eine Dominanz von außen- und wirtschaftspolitischen Think Tanks gibt gerade kleine Institute suchen sich bevorzugt Nischen, in denen sie dann besonders brillieren können. So gibt es kaum ein Politikfeld, in dem Think Tanks nicht aktiv sind. Im Bereich der Kulturpolitik sind neben der Bertelsmann Stiftung etwa das Bonner Zentrum für Kulturforschung oder das erst 2005 gegründete Institut für Medien- und Kommunikationspolitik hervorzuheben. Mit neuen Formen des Managements, der Aufbereitung und des Marketings haben Think Tanks in den letzten 10 Jahren ihre Angebotspalette enorm erweitert. Viele Mitarbeiter in den deutschen Denkfabriken sind heute nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Journalisten, Berater, Unternehmer und Marketingfachleute in eigener Sache. Das zeigt sich auch in der Nachfrage nach Think Tanks, die nie so groß war wie heute. Und das nicht nur bei BMW, sondern auch in der Bundesregierung.
 

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