Bemerkenswerte Studie der niederländischen Museumsvereinigung

 

Bemerkenswert ist allein schon der Titel: "More than worth it The Social Significance of Museums". Die Museen wollen offenkundig nicht als reines kulturelles Angebot verstanden werden, sondern als sozialer Faktor, als unabdingbarer Teil der Gesellschaft. Die Museumsvereinigung untermauert dieses Selbstverständnis durch 5 Schlüsselfaktoren, die wir Ihnen vorstellen möchten:

 

Es überrascht nicht, dass man mit dem Wert der eigenen Sammlungen und Ausstellungen beginnt, und zwar unabhängig davon, ob sie eine lokale, nationale oder gar internationale Ausstrahlung besitzen. Zentrale Begriffe hierbei sind die Vermittlung der eigenen Geschichte und der Bezug zur Identität. Unterstrichen werden auch neue Formen der Präsentation sowie die Bedeutung der Digitalisierung, die die Zahl der Museensnutzer nach eigenen Berechnungen um den Faktor 3,7 erhöhen. Museen erzählen Geschichten, kommentieren die Gegenwart, zeigen soziale Beziehungen auf oder zeigen Hintergründe kultureller Phänomene.

 

Bereits als zweiter Schlüsselfaktor wird die Vernetzung, das Museum als Treffpunkt und Kommunikationsplattform genannt. Die Studie führt zahlreiche Beispiele auf, wie vielfältig diese Verbindungen aussehen können: zu gesellschaftlichen Gruppen, zu Schulen, zu Künstlern oder Forschungseinrichtungen. Museen sind außerdem attraktiv für das ehrenamtliche Engagement und Freundeskreise - etwa 21.000 Volunteers arbeiten neben den 8.500 Mitarbeitern in niederländischen Museen. Museen sollen Generationen und Kulturen zusammenführen, sich als soziales Netzwerk verstehen, den Austausch von Wissen ermöglichen, Debatten befördern. Kein Wunder, dass in diesem Kapitel die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter breite Erwähnung finden. Hier dürfen sich viele Museen in den Niederlanden durchaus als Vorreiter der Entwicklung verstehen.

 

Das Museum als Lern- und Bildungsort gehört auch hierzulande mittlerweise zum Selbstverständnis, wenngleich in der Praxis dann doch mangels Finanzen, klugen Ideen oder personeller Kompetenz gelegentlich Wünsche offen bleiben. Den Museen wird zugute gehalten, dass sie sich für die Wissensermittlung besonders gut eignen. Man lernt schlicht bei jedem Museumsbesuch etwas Neues dazu. Spannend an der niederländischen Studie ist die Einbindung der Forschung in den Bildungskontext. Ganz offensichtlich soll die Forschungsarbeit in den Häusern grundsätzlich wissens- und anwendungsorientiert bleiben und nicht um ihrer selbst willen passieren.

 

Hier spielen die Autoren wortwörtlich die Vorteile der englischen Sprache aus: In Experience steckt sowohl die Erfahrung als auch das Ausprobieren. Gerade Kinder erleben das Museum als Ort, wo sie jenseits des Alltags Erfahrungen sammeln und Dinge erforschen können. Museen ermöglichen nicht nur, dass wir denken und hinterfragen, sondern mitunter inspirieren sie uns zur eigenen Aktivität - so die Autoren der Studie. Aspekte wie Freude, Erfüllung, Faszination oder Unterhaltung zeugen von einem Verständnis eines Museums, das gleichermaßen Verstand und Emotion anspricht.

 

An fünfter Stelle schließlich wird der ökonomische Wert von Museen angesprochen. Da geht es um die Zahl der Touristen, die sie besuchen, ebenso wie die Jobs, die sie direkt oder indirekt schaffen, die Möglichkeiten zur Talenteentwicklung oder die Attraktivität der Häuser für lokale Unternehmen und die gesamte Region. Von den fast 10 Millionen jährlichen Touristen in den Niederlanden besuchen immerhin 41 % ein Museum. Dabei enthält die Studie Beispiele dafür, das der ökonomische Faktor eines Museumsbesuchs sich nicht allein auf den Kauf der Eintrittskarten beschränkt.

 

Insgesamt stellt die Publikation der niederländischen Museumsvereinigung eine inhaltlich wie gestalterisch ausgesprochen gelungene Arbeit dar. Sie zeichnet das Bild eines modernen Museums, das sich als wichtigen Teil der Gesellschaft versteht und in vielfältiger Weies auf sie positiv einwirkt. Insofern dürfte die Studie allein schon als hervorragende Argumentationshilfe gegenüber politischen Entscheidungsträgern dienen. Doch auch im deutschsprachigen Raum sollte sie ausreichend Beachtung finden, denn sie hinterfragt tradierte Rollenverständnisse. Sind die vier bekannten Kernaufgaben eines Museums - sammeln, bewahren, forschen und vermitteln - noch zeitgemäß? Oder nicht vielmehr selbstbezogen und damit nicht ausreichend auf ihre Bedeutung für die Gesellschaft gerichtet? Dies ist eine wichtige Frage, die beantwortet werden muss.

 

Download der Publikation: