12.08.2009

Autor*in

René Gottschalk
Best Practice

Landschaftswandel in der Lausitz

Das IBA Fürst-Pückler-Land 2000 2010.

Die Landschaft der Lausitz wurde seit der Industrialisierung so schwer verwundet, dass die Selbstheilungskräfte der Natur überfordert sind. Der Mensch muss also eingreifen und sanieren. Er leitet kontrolliert Wasser aus der Spree, der Neiße und der Schwarzen Elster in die stillgelegten Tagebaue und führt umgekehrt den Flüssen Wasser zu, bevor diese einen Mindestwasserstand unterschreiten. Gruben-Randbereiche werden verdichtet und Steilufer abgeflacht. In diesem Prozess der Neugestaltung kann und soll die industrielle Vergangenheit der Lausitz nicht verleugnet werden. Vielmehr geht es darum, herausragende architektonische und landschaftliche Zeugnisse der Industriegeschichte zu erhalten. Machen nicht gerade diese Zeitzeugen die Region aus? Beraubt man die Menschen durch Abriss und herkömmliche Sanierung nicht auch ihrer Identität, ihrer Geschichte und Geschichten?
Die Internationale Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land setzt sich gemeinsam mit ihren Partnern dafür ein, besonders eindrucksvolle Beispiele der Lausitzer Industriekultur vor dem Abriss und Vergessen zu bewahren. Bekanntestes Beispiel ist das Besucherbergwerk F60 in Lichterfeld: Die F60 und der angrenzende, gerade entstehende Bergheider See (benannt nach dem überbaggerten, ehemaligen Ort Bergheide) sind ein Sinnbild für das IBA-Programm: Altes wird mit Neuem verbunden, regionale Identität wird erhalten und Neues kommt mit viel Phantasie und hoher gestalterischer Qualität hinzu, um so Impulse für eine nachhaltige Regionalentwicklung auszulösen. Das gleiche Prinzip wird auch bei anderen IBA-Projekten angewandt: den Biotürmen Lauchhammer, dem ehemaligen Kraftwerk Plessa, der Slawenburg Raddusch, dem Landschaftswandel bei Welzow oder der nach ihrer Sanierung wieder gut bewohnbaren Werkssiedlung Marga in Brieske. Mit dem konzeptionellen und gestalterischen Anspruch der IBA werden heute nicht nur (Abraum)Berge versetzt, neue Seen oder Energielandschaften geschaffen sowie ausrangierte Bergbautechnik umgenutzt. Die IBA befördert auch ein Bewusstsein für den Wert der eigenen Wurzeln und entwickelt ein neues Lausitz-Image. Ein solches Vorhaben muss natürlich von möglichst vielen mitgetragen werden. Deshalb ist die IBA Knoten eines Netzwerks, das die Akteure vor Ort untereinander und mit nationalen und internationalen Fachleuten verknüpft. Dies geschieht über Hochschulen und Universitäten, über Wettbewerbe, Konferenzen, Workshops, über Exkursionen und Erfahrungsaustausche.

IBA-Projekte und Arbeitsweise

Die IBA arbeitet gleichzeitig an 25 verschiedenen Einzelprojekten, welche sich thematisch und flächenmäßig in neun Teilgebiete einordnen: ein Zentrum, sieben Landschaftsinseln und eine Europainsel. Diese "Inseln" sind Gebiete mit ganz bestimmten Gegebenheiten, Strukturen und Problemen. Jedes hat ein eigenes Thema. Da gibt es zum Beispiel die Landschaftsinsel "Industriekultur" mit ausgewählten Industriedenkmälern wie dem Besucherbergwerk F60 bei Finsterwalde, den Biotürmen Lauchhammer und dem Erlebnis- Kraftwerk Plessa. Die Landschaftsinsel "Wasserwelt Lausitzer Seenkette" hingegen widmet sich der entstehenden Seenlandschaft zwischen Großräschen und Hoyerswerda.
Die IBA ist auf die Zusammenarbeit mit Dritten angewiesen. Sie ist keine Behörde oder Gebietskörperschaft, sondern eine zeitlich befristete GmbH. Als intermediäre Organisation steht sie außerhalb der Planungshierarchie sie erstellt keine Bebauungspläne, hat keinen Planungsvorbehalt und keine Befugnisse. Sie verfügt nur über das Mittel der Kommunikation. Die IBA kann Projekte vorschlagen, initiieren und geeignete Entscheidungsträger zusammenbringen, um den ohnehin anstehenden Strukturwandel zu qualifizieren und mit gestalterischen Ansprüchen zu versehen. Die IBA "macht" keine Projekte, sondern fördert Projektträger, wo sie bereits bestehen oder gründet neue, wo für die Umsetzung ungewöhnlicher Ideen welche benötigt werden. Die IBA versteht sich somit zugleich als Initiator von Netzwerken, als Forum und Ideenfinder wie auch als Motor und Katalysator des Wandels sowie als Anwalt des industriellen Erbes und all das auf Basis einer tragfähigen Zukunftsvision. Diese Wirklichkeit werdende Vision ist bereits erlebbar: Wo im Tagebau Meuro in Großräschen noch bis 1999 Braunkohle gefördert wurde, kann man nun dem künftigen Ilse-See bereits beim Entstehen zuschauen und über Tagebauerkundungen zu Fuß, per Rad oder Jeep ganz nahe kommen. 2004 wurden an der zukünftigen Uferkante des Sees die IBA-Terrassen als spektakuläres Ausstellungsgelände und Besucherzentrum eingeweiht. Von der IBA zwischengenutzt, werden die Terrassen später Teil der Großräschener Uferpromenade sein. Seit 2005 zeigt eine Seebrücke an, dass hier bereits das Tor zum Lausitzer Seenland entsteht.
Das gilt auch für die vielen anderen entstehenden IBA-Projekte in der Lausitz. Nicht alle werden spektakulär sein, aber alle schaffen etwas Neues, was es so in der Lausitz oder anderswo noch nicht gibt. Es entsteht im Zentrum der 14.000 Hektar großen Seenlandschaft ein 7.000 Hektar großer Seenverbund mit schiffbaren Verbindungskanälen. In einigen Jahren wird zwischen den ersten der zehn Seen bereits das Wasserwandern mit Segel- und Motorboot sowie kleineren Fahrgastschiffen möglich sein.
Es wurden bereits die ersten schwimmenden Häuser zu Wasser gelassen und seit 2008 dient eine 30 Meter hohe Landmarke am Sornoer Kanal gleichzeitig als Aussichtspunkt und Wahrzeichen für diesen außergewöhnlichen, hoch attraktiven Teil des Lausitzer Seenlandes.

Rückblick und Ausblick

In den ersten fünf Jahren der IBA ging es vor allem darum, Soforthilfe zu leisten, um das durch drohenden Abriss oder Verfall akut gefährdete industrielle Erbe, aber auch vorindustrielle Kultur zu retten und damit die Identität der Region zu wahren. Nach dem Motto "Zukunft braucht Herkunft" sollte die Chance auf eine eigenständige Regionalentwicklung erhalten werden. In der ersten IBA-Hälfte wurde für diese Entwicklung das Fundament gelegt und ein Gesamtkonzept für die Landschaft nach dem Bergbau entwickelt. Zudem organisierte die IBA mit ihren Partnern erste Höhepunkte wie die Eröffnungen des Besucherbergwerks F60, der Slawenburg Raddusch und des Besucherzentrums IBATerrassen in Großräschen. Erste Partnerschaften mit internationalen Gleichgesinnten wurden geknüpft und gemeinsame EU-Projekte begonnen.
In der zweiten Hälfte der IBA wurde auf diesem Fundament erster Erfolge aufgebaut. Es entsteht Neues, das in der Region, in ihrer Geschichte und Kultur wurzelt und in die Zukunft weist. Die IBA ist weit mehr als eine normale Bauausstellung: Sie ist ein auf Dauer angelegter Prozess, eine Vision. Vor allem aber ist sie bereits Wirklichkeit, die Tag für Tag, Projekt für Projekt sichtbarer wird und mehr Bedeutung für die Lausitz bekommt.
Der mit den Objekten der Industriekultur deutlich gewordene innovative Ingenieurgeist aus der Vergangenheit soll nun in die Zukunft getragen, auf zukünftige Entwicklungen bezogen werden. Die schiffbaren Verbindungen zwischen den Seen des Kerngebietes des Lausitzer Seenlandes sind zum großen Teil schon fertiggestellt, die technisch aufwändigsten wurden bzw. werden von der IBA als "Schaubaustelle" eingerichtet. Zwei Schwimmende Häuser gibt es schon, weitere angeregt auch durch einen Wettbewerb zu "Mobiler Schwimmender Architektur" werden folgen und hoffentlich bis zum IBA-Finale 2010 auch ein schwimmendes Erlebniscenter mit Restaurant sowie ein schwimmender Steg. Die für die 2. IBA-Hälfte eingerichteten Themenjahre heben unter dem jeweiligen Jahresschwerpunkt die entsprechenden IBA-Projekte, ihre Partner und Netzwerke sowie besondere Landstriche hervor und machen diese sowohl durch eine zentrale Ausstellung auf den IBA-Terrassen als auch durch Vor- Ort-Veranstaltungen bekannt.
2010 soll die Lausitz ihr neues Gesicht zeigen: Eine Region mit neuen Landschaften, neuen touristischen und wirtschaftlichen Impulsen eine Region mit neuer Energie.

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