23.09.2021

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Esther Knuth
arbeitet in den Bereichen Kommunikation, Marketing und Digitales des Museums Barberini. Nach ihrem Bachelorstudium in Kulturmanagement in Friedrichshafen arbeitete sie in der Vermittlung am Bucerius Kunst Forum, Hamburg und in der Sammlung Boros, Berlin. In New York absolvierte sie einen Master in Museumsmanagement an der NYU und war u.a. als studentische Mitarbeiterin im Kuratorenteam des Whitney Museums tätig.
Remigiusz Plath
betreut das Museum Barberini in Potsdam rund um alle Themen der Informationssicherheit und Digitalisierung. Nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik arbeitete er für Unternehmensberatungen im Bereich öffentlicher und privater Organisationen aus unterschiedlichen Branchen. Seine Schwerpunkte sind Cybersecurity und IT-Architektur. Er ist stellvertretender Sprecher des Arbeitskreises Gebäudemanagement und Sicherheit des deutschen Museumsbundes sowie Mitglied des ICOM ICMS.
Besucherdatenanalyse im Museum Barberini

Mit Daten das Museumserlebnis verbessern

Digitale Technologien bereichern längst Ausstellungen und Angebote von Kultureinrichtungen. Ein besseres Erlebnis für die Besucher:innen können sie aber auch durch die intelligente Zusammenführung und Analyse bereits verfügbarer Daten erzielen, etwa den Bewertungen durch Besucher:innen, den Besucher:innenzahlen oder der hauseigenen App. Wie das funktionieren kann, zeigt die Analyse-Plattform "Barberini Analytics", die das Hasso-Plattner-Institut (HPI) und das Potsdamer Museum Barberini 2020 entwickelt haben und deren Programmcode nun öffentlich verfügbar ist.

Themenreihe Digitale Formate

Das von der Hasso Plattner Foundation gegründete Museum Barberini in Potsdam zeigt neben der Impressionismus-Sammlung seines Museumsgründers bis zu drei Ausstellungen im Jahr. Ob Pablo Picasso, Vincent van Gogh, Rembrandt oder Gerhard Richter, antike Skulpturen, französischer Impressionismus oder barocke Malerei - das Museum widmet sich allen Stilen und Epochen und eröffnet stets neue Perspektiven auf die Kunst. Das Ausstellungsprogramm bietet Besucher:innen eine hohe Abwechslung, erfordert aber auch die stetige Anpassung und Weiterentwicklung der digitalen Produkte des Hauses. Ausstellungen und Exponate werden durch ein umfängliches Begleitprogramm, Audioführungen auf der Museums-App sowie multimediale Inhalte auf der Website und den sozialen Medien vermittelt. Auf diese Weise soll der Museumsbesuch ein nachhaltiges Erlebnis für vielfältige Besucher:innengruppen bieten.

Von der Datensammlung bis zur Visualisierung: die vier Phasen des Datenanalyseprojekts

Das Ziel des mit dem Hasso-Plattner-Institut (HPI) entwickelten Bachelorprojekts war die Sammlung, Aufbereitung, Analyse und Präsentation verfügbarer Daten rund um den Museumsbesuch. Betreut wurden die sechs Studierenden von Professor Felix Naumann, Leiter des Fachgebiets Informationssysteme am HPI, sowie Dr. Ralf Krestel, Tim Repke und Julian Risch. Das Projekt, das in enger Abstimmung mit Mitarbeiter:innen des Museums Barberini erfolgte, durchschritt sämtliche Schritte eines typischen Datenanalyseprojekts und umfasste mehrere Aufgabenpakete:

  • Datensammlung: In dieser ersten Phase wurden alle vorhandenen Systeme identifiziert und die darin enthaltenen strukturierten und unstrukturierten Daten extrahiert sowie zentral gespeichert. Hierbei wurden Export-Funktionen der bestehenden Systeme und den darin bereits gesammelten Daten nutzbar, aber auch z.B. Webcrawler oder API-Schnittstellen genutzt und entwickelt. Webcrawler sind Computerprogramme, die in der Lage sind, vordefinierte Bereiche im Internet automatisiert nach bestimmten Informationen und Daten zu durchsuchen. Die Daten lassen sich anschließend auswerten, nach vorgegebenen Kriterien sortieren und speichern. Eine API (Application-Program-Interface) ist ein Programmteil, das die Verbindung eines Programms zu anderen Programmen oder Systemen auf Quelltext-Ebene ermöglicht. Die API stellt die Kommunikation zwischen zwei Programmen oder Systemen in Echtzeit her. Dabei werden Informationen zwischen einer Anwendung und einzelnen Programmteilen standardisiert ausgetauscht. Die Übergabe der Daten und Befehle erfolgt strukturiert nach einer definierten Syntax.
  • Datenaufbereitung: In der zweiten Phase wurden die Rohdaten so formatiert und strukturiert, dass sie für eine automatisierte Analyse verwendet werden konnten. Hierbei galt es, ein Datenmodell zu entwickeln, das eine optimale Auswertung ermöglichte, und alle Daten in diese Struktur überführte.
  • Datenanalyse und Erstellung von Handlungsempfehlungen: In dieser Phase wurden Analysemethoden entwickelt, die eine möglichst ergiebige Datenauswertung aus textuellen Daten ermöglichten, z.B. durch deskriptive statistische Algorithmen (Lageparameter wie z.B. arithmetisches Mittel, Median, Modus sowie Streuungsparameter wie z.B. Spannweiten, mittlere/absolute Abweichung, Interquartilsabstand, Häufigkeiten etc.). Aus den Ergebnissen der Datenanalyse wurden dann konkrete Empfehlungen abgeleitet.
  • Visualisierung und Präsentation der Ergebnisse: Die Kernergebnisse der zugrundeliegenden Handlungsempfehlungen wurden in diversen multifunktionalen Dashboards visualisiert. Der Begriff Dashboard bedeutet wörtlich übersetzt "Armaturenbrett". In der IT handelt es sich bei Dashboards um grafische Benutzeroberflächen, also eine Anordnung verschiedener grafischer Elemente, die der dynamischen Visualisierung von Daten dienen.
Seit Sommer 2020 nutzen die verschiedenen Abteilungen des Museums Barberini von Kommunikation und Marketing bis Vermittlung nun das Besucher:innen-Datenanalyse-Tool. Daten aus unterschiedlichen Quellen wie dem Ticketsystem, Social-Media-Kanälen und Bewertungsportalen werden seither pseudonymisiert extrahiert und für detaillierte Analysen zur Verbesserung der Angebote für Besucher:innen genutzt. Bei der Pseudonymisierung wird z.B. der Name oder ein anderes persönliches Identifikationsmerkmal durch ein Pseudonym (z.B. eine ID Nummer) ersetzt, um die Feststellung der Identität der betroffenen Personen auszuschließen. Daten von Bewertungs- und Social Media-Plattformen sind ohnehin öffentlich, werden vor der Verwendungen jedoch ebenfalls pseudonymisiert verarbeitet.
Vielfältige Anwendungsbeispiele des Analyse-Tools im Museum Barberini

Das Tool hat sich bereits in vielerlei Hinsicht bewährt: Die Dashboards der Museumsbesucher:innen-Analyse etwa zeigen auf, wer für wann welche Tickets gekauft hat und woher die Besucher:innen des Museums kommen (Abb. 1). So erleichtern beispielsweise Erkenntnisse über die Herkunft von Nichtbesucher:innen die Ausrichtung von Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen. Basierend auf der Besucher:innenanzahl nach Wochentag und Zeitfenster wiederum können Führungen und Workshops im Museum besser terminiert und die Preispolitik der Tickets nachhaltiger gestaltet werden. Aus der Museumsbesucher:innen-Analyse zog das Museum aber auch einen Nutzen, als Besucher:innenströme während des Betriebs in der Corona-Pandemie neu geplant und Ticketkontingente entsprechend reduziert werden mussten.
 

Eine weitere Sektion von Dashboards widmet sich nur den Schulen. Diese zeigt unter anderem auf einer interaktiven Karte auf, welche Schulen in Berlin und Brandenburg bereits mindestens einmal an einer Führung oder einem Workshop im Museum Barberini teilgenommen haben und welche noch nicht zu Besuch waren (Abb. 2). Mit nur einem Klick können nun also die Schulen und Kitas identifiziert und in einem nächsten Schritt eingeladen werden, die noch nicht von den Vermittlungsformaten des Museums profitiert haben.
 


Eine ebenfalls wichtige Besucher:innengruppe für das Museum sind die Barberini Friends. Das Museum hat keinen klassischen Freundeskreis, mit einer Jahreskarte, der Barberini Friends-Karte, können die Ausstellungen des Museums aber ein Jahr lang beliebig oft besucht werden. Die unterschiedlichen Dashboards zu den Barberini Friends geben zum Beispiel Aufschluss darüber, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit die Jahreskartenbesitzer:innen vorzugsweise ins Museum kommen und helfen so bei der Vorhersage von Besucher:innenströmen und -andrang (Abb. 3). Darüber hinaus lässt sich nachvollziehen, wie viele neue Barberini Friends während einer bestimmten Ausstellung gewonnen wurden oder aber wie groß das Interesse und wie rege die Teilnahme der Friends an Veranstaltungsformaten ist.
 


Die Dashboards zur Instagram-Analyse sammeln und analysieren seit letztem Jahr diverse Daten der Instagram-Aktivitäten und werden vom Kommunikationsteam des Museums fast wöchentlich genutzt. Facebook und Twitter bieten Nutzer:innen bereits komplexe Analytics Tools kostenfrei an. Bei Instagram, der reichweitenstärksten Social Media-Plattform des Barberini, haben hilfreiche Einblicke wie etwa die Reichweiten über längere Zeiträume hinweg oder der Erfolg bestimmter inhaltlicher Post-Serien bisher gefehlt. Dabei können nun mit nur einem Klick demographische Informationen zu den Follower:innen gewonnen, aber auch der Erfolg von Posts und deren Reichweiten in einem manuell zu bestimmendem Zeitraum gemessen und mit anderen verglichen werden (Abb. 4).
 


Zahlreiche weitere Dashboards sind aus dem Austausch und der Zusammenarbeit zwischen den HPI-Student:innen und den Mitarbeiter:innen des Museums hervorgegangen. Die Analyseergebnisse geben konkrete Handlungsempfehlungen und helfen dem Museumsteam dabei, Besucher:innen- und Nutzer:innengruppen besser zu begleiten und Ausstellungen und deren weitere Angebote entsprechend noch attraktiver zu gestalten.

Barberini Analytics als Open-Source-Projekt: individuell erweiterbar und kostengünstig

"Barberini Analytics" ersetzt zwar keine klassische Besucher:innenbefragung, ist aber aufgrund seiner ganzheitlichen, repräsentativen Datengrundlage oftmals sehr viel genauer und zudem wesentlich kostengünstiger. Das HPI und die Museen der Hasso Plattner Foundation haben nun den gesamten Quellcode sowie die dazugehörige technische Dokumentation als Open-Source-Projekt auf der internationalen Entwicklungsplattform GitHub online gestellt. Kulturinstitutionen können damit von den bisherigen Entwicklungen und Erfahrungen des Museums Barberini mit der Analyse-Plattform profitieren und diese auch individuell erweitern. So besteht durch die Anpassung des Codes auch die Möglichkeit, weitere Datenquellen einzubinden, um Anwendungsmöglichkeiten für das eigene Haus optimal abzudecken.
 
Der Beitrag erschien zuerst im Schwerpunkt des Kultur Management Network Magazin Nr. 160: Digitale Besucher:innen.

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