08.09.2022

Buchdetails

Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership? Über die Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte
von Ulrike Gerdiken, Barbara Lämmlein, Hannah Lutz-Vock
Verlag: kopaed
Seiten: 106
 

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Autor*in

Anke Trischler
engagiert sich in Beratung, Forschung und Lehre. Sie begleitet Unternehmen bei deren Transformation zu zukunftsfähigen Organisationsstrukturen und hält Lehraufträge an Hochschulen. Sie forscht zum Thema Interventionen durch Kooperationen und ist Doktorandin an der University of Worcester. 
Buchrezension

Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership? Über die Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte

Kulturelle Bildung kann mehr, als Wissen über Kunst und Kultur zu vermitteln. So zeigt diese Publikation, dass Kulturelle Bildung etwa dazu beitragen kann, angehende zu besseren Führungskräften zu machen, die bei der Bewältigung komplexer werdender Aufgaben wertschöpfende Beiträge leisten.
 
"Wir glaubten (...) zu wissen." 
 
Das Forschungsprojekt "Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership?" wurde im Zeitraum November 2018 bis Dezember 2020 durchgeführt; also mit dem ersten Coronajahr auch phasenweise in einer Zeit, die außergewöhnlich zu nennen noch untertrieben ist. Die zentrale Frage des Projekts  ist dabei gleichermaßen Titel der Publikation, die von Ulrike Gerdiken, Barbara Lämmlein und Hannah Lutz-Vock 2021 im kopaed Verlag herausgegeben wurde. Die weiteren Autor*innen sind Susanne Blazejewski, Florian Cieslik, Regine Graml, Anne von Hoyningen-Huene, Steffen Wachter, Kinga Wagner und Adriano Werner. Das Projektziel war die Gewinnung von Erkenntnissen, ob und wie Kulturelle Bildung Einfluss auf Führungsbefähigung hat und wie die Ausbildung angehender Führungskräfte fortgeschrieben werden sollte. Die zu erforschenden Fragen lauteten beispielsweise: 
 
Kann Kulturelle Bildung Führungskompetenzen fördern? Welche Führungskompetenzen werden durch Kulturelle Bildung erweitert? Welche persönlichen Entwicklungen geschehen entlang der Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur? Was ist gute Führung und was ist dafür erforderlich?
 
Für die Beantwortung kommen Studierende, und damit junge Menschen, zu Wort. Schon dafür lohnt die Lektüre der Publikation, denn sie kommen eher selten zu Wort. Der Band umfasst neben Vorwort und Einleitung zwei zentrale Teile inklusive Umsetzungsbeispielen aus dem akademischen Bildungsprozess und Informationen zu Chancen für die berufliche Weiterbildung sowie Führungskultur und Mehrwert durch Interaktion. 
 
Die Publikation greift auch das wichtige Thema der Kooperation auf und fragt nach Chancen und Grenzen des Zusammenwirkens von Unternehmen bzw. Organisationen und Kultureller Bildung.
 
Sind Führungskräfte auf die kritischen Fragen von morgen vorbereitet? Nicht wirklich!
 
Führung ist eine komplexe Aufgabe, denn sie ist die bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen (von Rosenstiel, 2009) bei gleichzeitig konkurrierenden Prioritäten wie beispielsweise Maßnahmen für Klima- und Gesundheitsschutz, Abhängigkeiten in fragilen Lieferketten, Wahrung von Menschenrechten in globalen Wertschöpfungsketten, Mangel an Arbeitskräften mit relevanten Qualifikationen oder Mangel an Nachwuchskräften. (RRA, 2022b) Zudem sind Vorgesetzte mit steigender Qualifikation und zunehmender Spezialisierung den Mitarbeitenden gegenüber immer seltener fachlich tonangebend. Die sich verändernden Strukturen der Unternehmen mit zunehmend dezentralen Einheiten und flacheren Hierarchien stärken dabei den Einfluss der Mitarbeitenden aller Ebenen (Blickle & Schneider, 2010). Und schließlich haben sich die Werte gewandelt: Gehorsam, Unterordnung und formale Autorität haben ihre Bedeutung verloren. Unabhängigkeit, Gleichberechtigung und Work-Life-Balance sind wichtiger geworden (von Rosenstiel & Nerdinger, 2000). Die nächste Generation von Führungskräften ist deshalb entscheidend für eine stärker zweck- und menschenorientierte Führung (RRA 2022a), denn noch immer leben die wenigsten Führungskräfte diese Rolle aus Passion. 
 
Führungskräfte im Sinne von Good Leadership müssen also positiv und perspektivisch sowie pragmatisch und transparent sein und die richtige Unternehmenskultur schaffen, damit die Mitarbeiter*innen erfolgreich sein können. Sie sollten hinter den Mitarbeitenden stehen und ihnen helfen, ihre Potenziale und individuellen Bedürfnisse zu erkennen, um erfolgreich zu sein. Unternehmen müssen sicherstellen, dass Kultur und Dynamik des Führungsteams es den Führungskräften ermöglichen, sich produktiv mit aktuellen Herausforderungen auseinanderzusetzen.
 
Diese Komplexität der Aufgaben erfordert neue Denkansätze: inter- und transdisziplinär, inter- und transgenerativ. Daher empfiehlt sich in jedem Fall ein frischer Blick auf die Thematik, die zeitgemäßen Anforderungen an Führungskräfte und die erforderlichen Fähigkeiten. 
 
Aufbau des Buches
 
In Teil Eins "Forschungsbericht" werden Forschungsvorgehen und -ergebnisse des Projekts sowie ausgewählte Führungstheorien vorgestellt, die der Idee von "Good Leadership" am nächsten kommen, diese aber noch nicht umfassend darstellen. Als Forschungsstrategie wählte die Projektgruppe eine Kombination aus drei Analysemethoden: In der Dokumenten- und Textanalyse wurden die theoretischen Grundlagen des Begriffs "Good Leadership" aus Sicht von Erziehungswissenschaft und Betriebswirtschaft erarbeitet. Mit zwei Gruppen angehender Führungskräfte wurden Interviews geführt und diese qualitativ ausgewertet. Die Einordnung dieser Ergebnisse erfolgte schließlich entlang der Themenfelder "Lebensphase Studium, Bedeutung der Gruppe, Ästhetische Erfahrung, Kompetenzentwicklung durch Kulturelle Bildung". 
 
Ein Gesamtfazit und Handlungsempfehlungen runden den ersten Teil ab, indem sie aufzeigen, "was Unternehmen und Organisationen beachten sollten, wenn sie kunstbasierte Qualifizierungsprogramme einsetzen wollen." Wie solche Programme aussehen könnten, wird leider nicht beschrieben. Kulturelle Bildung und Führungshandeln hängen also zusammen. Die daraus resultierende Denkweise und Haltung sind nach dem Verständnis der Verfasser*innen maßgeblich für die Definition von "Good Leadership".
 
Und hier kommt die Kultur ins Spiel.  In Teil Zwei "Führung anders denken, Kulturelle Bildung meets Good Leadership" liefert die Publikation vier Beiträge aus der gleichnamigen Fachtagung, die im November 2021 durchgeführt wurde. Den Auftakt jedes Beitrags gestalten Graphic Recordings, die während der Workshops angefertigt wurden. Teil Zwei schließt mit einem Poetry Recording, das Eindrücke der Fachtagung zusammenfasst. Alle Elemente in diesem Teil liefern Transfers der Projektergebnisse, praktische Ergänzungen und Übersetzungen in die Praxis. 
 
Der Zusammenhang zwischen guter Führung und Kultureller Bildung besteht demnach darin, dass die Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zu einer Zukunftsfähigkeit neues Denken und Mut zu anderem Handeln erfordert. Hierbei können und sollten Kunst und Kultur maßgebliche Beiträge leisten und Führungskräfte zu geistiger Offenheit animieren. 
 
Kulturelle Bildung - das Herzstück von "Good Leadership"
 
Das Buch würdigt die zentralen Inhalte von vier Führungsmodellen: 
 
  • die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen entsprechend des Leipziger Führungsmodells  (Kirchgeorg et al., 2017)
  • das positive Menschenbild der agilen Führung
  • die humanistische Wertehaltung des dialogischen Managements
  • das Führungsselbstverständnis für Wegbereitung, Moderation und Begleitung der systemischen Führung (Arnold, 2009)
Good Leadership "als ein Führungskonzept, das durch Subjektorientierung, eine wertschätzende Haltung und einen auf Dialog basierenden gleichberechtigten Umgang miteinander gekennzeichnet ist" (Gerdiken  et al., 2021, S. 31), ergänzt diese Modelle um das Bildungskonzept "Kulturelle Bildung" und die sich daraus entwickelnde Denk- und Handlungsweise. Die Antwort auf die zentrale Frage, ob und wie Kulturelle Bildung zu Good Leadership beitragen kann, wird in der Publikation vielschichtig und aus mehreren Perspektiven erarbeitet. Beispielsweise fördern Erfahrungen mit Kunst, Diversität und Vertiefung in interdisziplinären Gruppenarbeiten die Denk- und Handlungsweisen im Sinne von Good Leadership.
 
Fazit
 
"Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership" zeigt, wie wichtig es ist, bewährte Führungsmodelle und neue Herangehensweisen wertschätzend miteinander zu kombinieren und zu erweitern. Dabei interessierten im Forschungsprojekt vor allem die bemerkenswerten Antworten auf die Frage, wohin sich angehende Führungskräfte entwickeln wollen und wie Kulturelle Bildung sie dabei unterstützen kann. Kulturelle Bildung als fester Bestandteil lebenslangen Lernens kann, darf und sollte demnach den entscheidenden Unterschied vom "weiter wie bisher" zu einer notwendigen zukunftsfähigen Entwicklung machen. 
 
Die Publikation ist eine empfehlenswerte Lektüre für (angehende) Führungskräfte, Entscheider*innen in der Personalentwicklung, Entwickler*innen von Studiengangs-Curriculae und Personalverantwortliche, die in der werte- und zukunftsorientierten Entwicklung von Mitarbeitenden ihre eigene Zukunftsfähigkeit sichern und auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber stärken wollen. Zudem ist sie lesenswert für Menschen aus dem Kulturbereich, denn auch hier wird mehr Good Leadership dringend benötigt. 
 
Forschungen wie diese sind für Weiterentwicklungen enorm wichtig. Die Umsetzung in der Praxis und die entsprechende Rückkopplung an und in die Lehre bringt dann die Bestätigung und/oder die Feinjustierung. Hier gibt das Forschungsprojekt wichtige Impulse. Offen bleibt aber leider die Umsetzung in Unternehmen und Organisationen, die als Zielgruppe angesprochen werden. Hier ist Raum für weitere Forschungsprojekte.
 
Was noch zu erwähnen wäre ...
 
(-) Die Teilnehmenden des Forschungsprojekts waren durchweg Studierende und nicht Führungsverantwortliche aus Unternehmen. Der Beweis, dass Kulturelle Bildung zu einem humaneren Führungshandeln führt, bleibt somit offen. Vielmehr wird deutlich, welche Vorstellung von guter Führung diese künftigen Mitarbeiter*innen und Führungskräfte mitbringen.
(+) Mit dem Konzept "Good Leadership" geben die Forschungsverantwortlichen dennoch eine forschungsbasierte Empfehlung ab: Kulturelle Bildung sollte in Führungskräftequalifizierungen integriert werden, wenn Organisationen und Unternehmen ihre Führungskultur auf Menschenfreundlichkeit, Dialog und Zusammenarbeit basieren wollen.
 
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Denken und entscheiden wir im Futur II, in der vollendeten Zukunft, und fragen: Was wird geschehen sein? 
 
  • Good Leadership ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Und das nicht erst bei der Ausbildung angehender Führungskräfte. Schon ab Vorschulalter erleben Kinder und Jugendliche viele Elemente der Kulturellen Bildung.
  • Sämtliche Curricula in Schule, Ausbildung und Weiterbildung im Sinne des lebenslangen Lernens sind aktualisiert und beinhalten kunst- und kulturbasierte Elemente sowie den Austausch mit Kulturschaffenden.
  • Die "Black Box" der verantwortungsvollen Führung ist ein "Offenes Buch" und vielen Menschen zugänglich. Dahinter steht der Ansatz, dass Führung stets bei einem selbst, beim Individuum, beim Ich beginnt.
  • Kultur ist systemrelevant und als Dimension nachhaltigen Handelns und Wirtschaftens verankert.
  • Förderprogramme unterstützen die Kooperation von Unternehmen und Kulturschaffenden
  • Good Leadership ist ein feststehender und gleichzeitig dynamischer Bestandteil unternehmerischer und gesellschaftlicher Entwicklung und als Katalysator der Transformation zur Zukunftsfähigkeit anerkannt. 
 
Referenzen
 
  • Arnold, R. (2009): Das Santiago-Prinzip. Systemische Führung im lernenden Unternehmen. Baltmannsweiler.
  • Blickle, G., & Schneider, P. (2010). Anpassungs‐ und Veränderungsbereitschaft angesichts des Wandels der Arbeit. In U. Kleinbeck, & K.-H. Schmidt (Hrsg.), Arbeitspsychologie 2. Aufl. Enzyklopädie der Psychologie, (Bd. D/III/1, S. 431-470). Göttingen: Hogrefe.
  • Gerdiken, Ulrike/Lämmlein, Barbara/Lutz-Vock, Hannah (Hg.) (2021): Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership? Über die Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte. München: kopaed.
  • Kirchgeorg, M., Meynhardt, T., Pinkwart, A., Suchanek, A., Zülch, H. (2017): Das Leipziger Führungsmodell. 2., überarbeitete Auflage. Leipzig. Überblick verfügbar unter: https://www.hhl.de/de/leipziger-fuehrungsmodell/
  • RRA, 2022a. Global Leadership Monitor.  
  • RRA, 2022b. Trennlinien und Erträge Deutschland. Führen für eine nachhaltigere Zukunft. 
  • von Rosenstiel, L. (2009). Grundlagen der Führung. In L. von Rosenstiel, M. Domsch, & E. Regnet (Hrsg.), Führung von Mitarbeitern (6. Auflage, S. 3-27). Stuttgart: Schäffer‐Poeschel.
  • von Rosenstiel, L., & Nerdinger, F. W. (2000). Die Münchner Wertestudien. Überblick und (vorläufiges) Resümee. Psychologische Rundschau, 51, 146-157.
  • Schulz, G. (2021). CSR in Hessen: Ein Impuls aus der Kultur. In: Trischler, A., Böhling, S. (eds) CSR in Hessen. Management-Reihe Corporate Social Responsibility. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-63004-4_11

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