29.06.2009

Autor*in

Svenja Kluckow
Debatte auf deutsch-französischem Kulturkanal Arte

Keine Angst vor Unternehmensförderung!

Die Frage Kultursponsoring vor dem aus? beschäftigte am letzten Donnerstag die Gäste der Sendung Paris-Berlin, die Debatte auf dem deutsch-französischen Kulturkanal Arte. Im Angebot von Arte Plus Sieben ist sie neben anderen ausgewählten Formaten innerhalb der ersten Woche nach der Ausstrahlung weiterhin im Internet abzurufen.
Der Zuschauer hat in der Debatte die Möglichkeit, Grundsätzliches über die verschiedenen Systeme der Kulturfinanzierung und die dementsprechenden Gedankenparameter der Akteure in beiden Staaten zu erfahren. Inwiefern Wirtschaft und Kultur miteinander können und wie gegenseitige Vorurteile zwischen Künstlern und Sponsoren auszuräumen sind, das beschäftigt die Kulturwelt seit eh und je. Wer demnach davon ausgeht, dass Franzosen und Deutsche zeitgleich die selben Probleme und Fragen beschäftigen, wird von der souveränen Arroganz eines französischen Theater-Intendanten in Bezug auf die Selbstverständlichkeit öffentlicher Finanzierung überrascht, von der traurigen Abhängigkeit eines französischen Theater-Direktors von seinem privaten Eigentümer Francois Pinot betrübt, von einer Universitäts-Professorin belehrt und von einem souveränen Unternehmenssprecher eines bayerischen Automobilkonzerns beeindruckt.

Die Deutschen haben im Verhältnis mehr Kulturfördermittel zur Verfügung, sowohl öffentliche als auch private. Die Moderatorin Isabelle Giordano kann zwar vor laufender Kamera ihren Zettel mit den Branchen-Daten nicht finden, doch Thomas Girst, Leiter der Kulturkommunikation von BMW, hilft schnell und sicher mit konkreten Zahlen aus. Zum Vergleich: Das öffentliche Budget für Kultur in Frankreich liegt derzeit bei rund 2 Milliarden Euro, wogegen es sich in Deutschland auf rund 8-9 Milliarden Euro beläuft. Dazu kommen die Aktivitäten von enorm vielen Stiftungen, die es in dieser Rechtsform in Frankreich nicht gibt. Neben rund 400 Millionen Euro aus der Wirtschaft fließen rund 150 Millionen Euro seitens dieser Stiftungen in den Kulturbereich.

Die Frage der kecken Moderatorin, ob Geld für die Kultur stinkt oder nicht stellt sich folglich in Deutschland so überhaupt nicht und dürfte sich ein Franzose im Grunde auch nicht mehr erlauben. Tatsächlich überlegen die Diskutanten aus Frankreich in der Sendung noch, ob man grundsätzlich mit privaten Geldern Probleme hätte. Beispielsweise proklamiert der französische Theater-Intendant Christian Schiarotti, dass er durchaus Probleme mit einem BMW-Logo auf seinen Eintrittsgeldern hätte, auch wenn in seinem Haus derzeit jede Karte bei einem Eintrittspreis von 7 Euro mit ungefähr 140 Euro subventioniert werden muss.

Seine strikte linkspolitische Haltung verwundert vor dem Hintergrund, dass Präsident Sarkozy persönlich vor kurzem an seine Kultusministerin einen Brief geschrieben hat, indem er eine Prüfung der Mittelverwendung anordnet. Schiaretti, der fast ausschließlich für staatliche Theater gearbeitet hat, interessiere sich aber nicht dafür, ob es finanzielle Probleme gibt oder nicht. Als Künstler und betonter Weise als auch Bürger folgt er dem öffentlichen Auftrag an die Gesellschaft und fordert als Theaterintendant die öffentlichen Mittel ein, um seine künstlerische Freiheit zu bewahren. In Krisenzeiten sichern öffentliche Mittel künstlerische Mittel. Er sieht eine große Gefahr darin, Inszenierungen durch Besuchszahlen zu rechtfertigen oder zu bewerten. Darüber hinaus könne eine therapeutische Verbissenheit für vergessene Theaterstücke durchaus auch geniales Theater hervorbringen. Schiaretti empfiehlt, in Zeiten finanzieller Engpässe auf dramaturgische Mittel zurück zu greifen. So wie Shakespeare seinerzeit seinem Publikum übermittelte, dass er zwar gerne ein Kornfeld darstellen würde, aber nicht die Mittel dazu hätte. In dieser Situation sollte das Publikum sich einfach ein Kornfeld vorstellen. Lösungen mit dem Mittel des Theaters lassen sich immer finden und ohne politische Ambitionen mit dem Geldvolumen des Theaters realisieren.

Im Kern gibt man ihm gerne Recht, doch die Realität sieht leider anders aus. Man erinnert sich an die großen Worte von Museumsdirektoren vor 15 Jahren in Deutschland. Die finanziellen Realitäten werden sich voraussichtlich auch in Frankreich früher oder später ändern. Schiaretti spricht sich dennoch gegen privates Sponsoring aus, die Absicherung im öffentlichen Bereich müsse gesichert sein. Er setze sich weiterhin für das obligatorisches Sponsoring im Rahmen von Steuern mit nationaler Regulierung durch den Staat ein. Die politische Haltung von Unternehmen mit der politischen Haltung von Kulturinstitutionen in Frankreich sei sowieso nicht zu vereinbaren. Unternehmensverwendungen von Geldern seien gar lächerlich, weil in Frankreich die Kultur aus der bürgerlichen Emanzipation komme und den Unternehmen gegenüber stehe. Die Universitäts-Professorin Françoise Benhamou, Autorin des Buches Die Ökonomie der Kunst, bemerkt nur am Rande, dass auch in Frankreich Gebietskörperschaften immerhin einige Millionen Euro an kulturellen Geldern zur Verfügung stellen würden, aber der breiten demokratischen Masse diese Gelder durch eine solche Haltung verwehrt blieben.

Welches Publikum will man ansprechen oder welche Kapitalgeber? Die Franzosen haben vielleicht zu viele moralische Bedenken zwischen öffentlichen Geldern und den Künstlern. Thomas Girst obliegt die Rolle, vor den Franzosen die Unternehmensförderung zu verteidigen. In Deutschland gibt es keine Komplexe hinsichtlich der privaten Förderung wie in Frankreich. Die Grundfrage eines Unternehmens laute doch stets, wie man Institutionen unterstützen könne und sich grundsätzlich gesellschaftlich einbringen sollte. Dabei geht es um eine nachhaltige und inhaltlich unabhängige Finanzierung. Im Land von Schiller und Kant und dem kulturgeschichtlichen Hintergrund des föderalistischen Systems aus dem 18. Jahrhundert kann die Kunst nicht instrumentalisiert werden, zumal die private Förderung sich heute auf nur rund 5% der staatlichen Förderung belaufen würde.

Zurzeit gingen bei BMW übermäßig viele Anfragen bezüglich des Kulturengagements ein. Aber warum interessieren sich Journalisten gerade jetzt für das Engagement und nicht vorher? Nicht die eigentliche Förderung sei von Interesse, sondern der Rückzug davon, konstatiert Girst. Trotz 30ig-jähriger Förderungsaktivitäten wie im Falle von BMW werden Unternehmen erst in der Presse erwähnt, sobald sie sich zurückziehen. Es wäre doch auch nett gewesen, wenn man das Engagement an sich auch vorher schon in den Medien beachtet hätte.

Hat die Krise nun Auswirkungen auf die privaten Aktivitäten? Volkswagen stellt die Förderung der Berlinale ein, die Deutsche Bank sponsert die ArtCologne nicht mehr. Bei BMW sei man stets bemüht, den Etat aufrecht zu erhalten. Kulturförderung ist als Teil der Unternehmenskultur anzusehen. Und Sponsoring möchte als Förderung verstanden werden. BMW ist dennoch keine Kulturförderinstitution, sondern es ist primär ein Wirtschaftsunternehmen für Premium Automobile. Natürlich wird ein Imagetransfer erwartet, denn das Unternehmen ist weder allein altruistisch noch mäzenatisch organisiert. Girst verneint natürlich nicht, dass sich die Wirtschaft im Allgemeinen in turbulenten Zeiten befinden würde. Ein Ausstieg aus der Kulturförderung diene aber nicht der Glaubwürdigkeit. Die Etats sind dennoch jährlich, in guten wie in schlechten Zeiten, einem internen Wettbewerb erlegen. Derzeit würde das Budget bei BMW nicht gekappt. Mit Betonung auf derzeit. Nach diesem Vortrag ist man als Zuschauer im Stillen zuversichtlich, dass Thomas Girst seine Budgets auch weiterhin vor dem Vorstand so verteidigen wird, wie er den Franzosen eindrucksvoll die Geschichte unseres föderalistischen Systems vermittelt.

Letztlich empfiehlt der Unternehmens-Sprecher Girst dem Theater-Macher Schiaretti, keine Angst vor Unternehmensgeldern zu haben. Die Entscheidungen zum Sponsoring werden nämlich von unabhängigen Kulturprofis getroffen, nicht von den Marketingchefs. Dies zeichnet Zuwendungen aus der Wirtschaft aus. Eine Kulturinstitution muss sich nur selbstbewusst aufstellen und begreifen, dass die eigene Organisation ebenfalls eine Marke ist. Im Zweifelsfalle ist das Theater hunderte von Jahren älter als das Unternehmen, so dass die Übertragung des Kulturwertes von der Institution auf das Unternehmen erfolgt und nicht umgekehrt. Das stelle doch keinen Ausverkauf dar.

Die Ausgangsfrage über den Rückzug der Wirtschaft aus der Kulturförderung wird schließlich nur aus unserer Sicht beantwortet. Wer mehr über Sicherheit und Schicksal von Schauspielern in Frankreich und Deutschland, amerikanische Motivation für Innovation und das italienische Kultur-Chaos erfahren möchte, dem sei empfohlen, die Debatte Paris-Berlin noch bis kommenden Donnerstag, den 02. Juli unter www.arte.tv im Menüangebot Arte +7 zu verfolgen.

 

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