21.02.2020

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Veronika Schuster
ist ausgebildete Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie hat mehr als 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Co-Kuratorin für verschiedene Ausstellungsprojekte und Kultureinrichtungen gearbeitet. Sie verantwortet bei Kultur Management Network die Leitfäden und Arbeitshilfen und arbeitet als Lektorin und Projektleiterin für unterschiedliche Publikationsformate.
Barbara Wolf
studierte Anglistik, Sozialpolitik und -ökonomik sowie Wirtschaft. Sie war unter anderem Leiterin Marketing, Sponsoring und Mäzenat im Museum Kunstpalast und Geschäftsführende Leiterin des HartwareMedienKunstVerein. Bis 2019 leitete sie die Abteilungsdirektorin Kommunikation des Deutschen Historischen Museums Berlin und wechselte dann als Head of Communications zur Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Alfried.
Erwartungen und Ansprüche an die Onlinekommunikation

Dialog ist der Mindeststandard!

Bei der Onlinekommunikation in Kultureinrichtungen geht es nicht nur um Informationen zu Veranstaltungen, Öffnungszeiten und Preise, sondern um einen aktiven Dialog. Auch hier entwickeln sich Onlinecommunities und damit verbunden sind neue Ansprüche an die Kommunikation. Barbara Wolf, Direktorin der Abteilung Kommunikation des Deutschen Historischen Museums (DHM), erklärt, welche Erwartungen bereits bestehen.

Themenreihe Digitale Formate

Liebe Frau Wolf, welchen Raum nimmt die Onlinekommunikation beim Deutschen Historischen Museum ein? 
 
Barbara Wolf: Was wir aktuell beobachten können, ist eine Verschiebung von klassischer Kommunikation hin zu Onlinekommunikation. Die klassische Kommunikation spielt noch eine wichtige Rolle und wird diese weiterhin behalten. Allerdings spüren wir, dass die Onlinemedien immens an Bedeutung gewinnen und natürlich einen großen Raum bei unserer Arbeit einnehmen. Das spiegelt sich beispielsweise auch in unserer internen Struktur, bei der verstärkt die MitarbeiterInnen - sowohl jene für klassisches Marketing als auch jene für Onlinemarketing - strategisch wie räumlich eng zusammenarbeiten. Die Aufgabenbereiche lassen sich nicht mehr strikt trennen. Wir reagieren hier auf eindeutige Tendenzen. Ein Beispiel: Das DHM hat ca. 800.000 physische BesucherInnen pro Jahr. Die Summe der UserInnen auf allen unseren digitalen Kanälen beläuft sich auf ungefähr 1 Million pro Monat. Wenn man sich diese Verhältnisse ansieht, dann weiß man, dass man hier nicht ohne strategische Überlegungen agieren kann. Vielmehr ist es ein Muss. 
 
Und wie sieht dabei die Strategie für Ihr Haus aus? 
 
BW: 2016 haben wir für unsere Onlinekommunikation eine Gesamtstrategie entwickelt. Bis dahin hat das Haus tatsächlich eher intuitiv agiert. Für die strategischen Überlegungen haben wir jeden Kanal intensiv dahingehend analysiert, wie er genutzt, welche Zielgruppe usw. damit erreicht werden soll. Daraufhin haben wir eine jeweilige Zielsetzung formuliert und die maßgeschneiderten Inhalte dafür definiert. Man kann es beschreiben als ein dichtes Netz aus verschiedenen Zielen, wie etwa Kundenbindung, Informationsaustausch, Service- und Dienstleistungen, Emotionalisierung usw., das die NutzerInnen unserer Kanäle bestmöglich und individuell informiert und/oder unterhält. 
 
Haben sich für das DHM durch die Nutzung der verschiedenen digitalen Kanäle unterschiedliche Communities entwickelt? 
 
BW: Ja, das können wir beobachten. Ein Beispiel sind die unterschiedlichen Gruppen auf Facebook, die je nach Ausstellungsthema von uns intensiv betreut werden. Das heißt, wir versuchen, den Interessen der Gruppe entsprechend die Informationen und Angebote zusammenzustellen. Das betrifft etwa auch die Sprache, mit der wir kommunizieren. Bei unserer Ausstellung "1917. REVOLUTION. Russland und Europa." haben wir beispielsweise zielgerichtet russischsprachige Communities angesprochen, die wir so näher an das Ereignis bringen wollten. Alle Communities des DHM konkret zu erkennen und zu analysieren, also welche das sind, welchen Umfang, welche demografische Zusammensetzung, welche Intensität diese für uns haben, ist eine wichtige Aufgabe. So gab es eine Online-Umfrage zu unserem multimedialen Geschichtsportal LeMO, Lebendiges Museum Online, um viele dieser Fragen an einem ersten Beispiel für uns zu beantworten. 
 
Haben sich die Ansprüche der OnlinenutzerInnen in den vergangenen Jahren gewandelt? Was erwarten diese heute von Ihnen und Ihrer Kommunikationsarbeit? 
 
BW: Die NutzerInnen sind anspruchsvoll geworden. Vor allem geht es dabei um Schnelligkeit und Aktualität. Sich freitags ins Wochenende zu verabschieden und erst wieder ab Montag online zur Verfügung zu stehen, geht nicht mehr. Eine individuelle Ansprache und Beantwortung der Fragen ist ohnehin selbstverständlich. Standardantworten fallen schnell negativ auf. Hier sind die Leute sehr sensibel und haben eine hohe Erwartungshaltung. Was wir ebenso feststellen ist, dass kein Unterschied gemacht wird zwischen einem Nachrichtenportal und beispielsweise einem Museum wie dem unseren. Wenn wir etwas zu historischen Fakten, Daten oder Persönlichkeiten posten, dann muss das vorab von unseren WissenschaftlerInnen geprüft, einwandfrei und fehlerlos sein. Denn unser Wissen und unsere Informationen werden als Quelle ernst genommen und dem müssen wir auch gerecht werden. Das ist Teil unseres Auftrags. 
 
Das DHM scheut nicht, Themen in seinem Programm zu gestalten, die emotional aufgeladen sind und Diskussionen nach sich ziehen. Spüren Sie, dass es durch Social Media eine neue Diskussionsfreude Ihrer BesucherInnen gibt? Nutzen diese die Medien, um sich einzubringen? 
 
BW: Das spüren wir sehr deutlich. Es ist wieder eine Frage der Erwartungshaltung der Menschen, die auf unserer Seite keine Fehler erlaubt. Natürlich passieren sie jedem, da sind wir keine Ausnahme. Wir haben bereits erfahren können, wie schnell ein Shitstorm heraufziehen kann. Das ist eine Lawine an Emotionen, bei denen man direkt zu spüren bekommt, welche Dynamik in den digitalen Medien steckt. Darauf müssen Kultureinrichtungen gefasst und dahingehend professionalisiert sein. Für uns heißt das, Fehler einzugestehen und sich zu entschuldigen. Man muss das ernst nehmen, denn digitale Medien sind - vor allem auch für unser Publikum - keine Spielerei mehr, sondern ein wichtiger Weg für einen intensiven Austausch. 
 
Steigende Interaktion hat zur Folge, dass es Regeln und Richtlinien für den Umgang innerhalb der Community selbst und zwischen der Community und der Einrichtung geben muss. Wie haben Sie das geregelt? Wie greifen Sie hier ein? 
 
BW: Wir haben eine klassische Netiquette formuliert und veröffentlicht. Wir verbergen auch Beiträge, die unseren moralischen Ansprüchen nicht mehr genügen, etwa wenn andere Menschen bewusst und aggressiv angegriffen werden. Ansonsten stellen wir uns der Diskussion, auch wenn sie mitunter sehr kritisch sein kann. 
 
Aber für eine solche Interaktion muss es die Ressourcen geben. Haben Sie Personal aufgestockt? Gibt es ausreichend ausgebildetes Personal, das die Ansprüche von Kultureinrichtungen transportieren kann? 
 
BW: Probleme bei der Personalgewinnung haben wir gar nicht. Onlineredaktion ist ein attraktives Arbeitsfeld geworden und wir bekommen einen hohen Zulauf und eine hohe Qualität an Bewerbungen. Bisher ist unser Personalstock sicher noch ausbaufähig. Aber wir beginnen, umzudenken, um dem steigenden Mehraufwand gerecht zu werden. Denn um eine bedarfsgerechte Onlinekommunikation zu gewährleisten, müssen die Ressourcen gegeben sein. 
 
Unser Gespräch bisher hat gezeigt, wie viele Aufgaben Onlinekommunikation bereits wahrnimmt. Ist es denn überhaupt noch "nur Marketing"? Ist es nicht auch schon Teil der Vermittlungsarbeit und Austausch mit dem Publikum? 
 
BW: Das ist eine sehr gute Anmerkung. Denn bereits seit Jahren kann man beobachten, dass Marketing und Vermittlung nicht mehr separat gedacht werden können. Es sind zwei Aufgabenbereiche, die - auch aufgrund des dialogischen Informationsaustausches auf den Social Media - immer mehr miteinander verschmelzen. Was wir im DHM machen, ist kein Marktschreier-Marketing. Kulturmarketing hat für uns immer den Anspruch, interessante und wissenswerte Inhalte zu vermitteln und damit das Publikum zu gewinnen und zu binden. 
 
Haben die Social Media die erhofften neuen Zielgruppen erschlossen und physisch ins DHM gezogen? 
 
BW: Die Frage, wie die Menschen auf uns aufmerksam geworden sind, ist ein wichtiger Baustein unserer BesucherInnenforschung. Und der Anteil derer, die erst über Webseite oder Social Media auf uns aufmerksam geworden sind, steigt rasant. Wie damit wirklich neue Zielgruppen, die bisher nicht daran gedacht hatten, ins DHM zu kommen, erreicht werden, ist jedoch schwer verifizierbar. Natürlich ist das eine weitere Aufgabe für uns. Dass Informationsbeschaffung heute online passiert, ist allerdings ein Fakt, den wir im Kulturbetrieb nicht ignorieren können. Und wenn wir dazu nicht Social Media nutzen, werden wir perspektivisch einen erheblichen Teil der BesucherInnen, ob jung oder alt, nicht mehr erreichen können. 
 
Manche Kulturschaffende sehen aber in den digitalen Medien eher eine Art Spielerei, die nicht das Kunsterlebnis im Hier und Jetzt ersetzen sollte. Es besteht durchaus noch eine große Scheu, das ganze Potenzial dieser Vermittlungswege zu nutzen... 
 
BW: Mit diesen Bedenken und Ängsten sind wir immer wieder konfrontiert. Doch das ist in Ordnung und Teil des Prozesses. Man muss genau überlegen, was online transportiert werden kann und was man im analogen Erlebnis belässt. Da gehört eine gesunde Skepsis hin und wieder dazu. Es gibt digitale Kunstprojekte, die toll angelegt sind. Digitale Sammlungen etwa gewähren Menschen, die nicht die Mittel und Möglichkeiten haben ins "gemauerte Museum" zu kommen, einen uneingeschränkten Zugang zur Kunst und Kultur. Dennoch wird man es nicht schaffen, das "analoge" Erlebnis zu ersetzen. Das ist auch gar nicht das Ziel. Ziel der Onlinekommunikation bleibt es natürlich auch, dass die Menschen irgendwann unser Museum in Berlin besuchen. Bis dahin spricht nichts dagegen, unser Haus und unser Wissen als wichtigen Teil der "digitalen Kulturunterhaltung" zu präsentieren.
 
Dieses Interview erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Ein bisschen Marketing"

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