22.04.2024

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Autor*in

David Stammer
studierte im Bachelor Medien- und Kommunikationswissenschaften und im Master Musik- und Kreativwirtschaft. Seit 2020 ist er Projektmanager Digital Innovation an der Popakademie Baden-Württemberg und seit 2024 Promotionsstudent an der Technischen Universität Wien zur "Nutzer:innen-Wahrnehmung von KI-generierter Musik".
Alexander Endreß
studierte und promovierte in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Seit 2007 ist er Studiengangsmanager bzw. Studiengangsleiter, zusätzlich seit 2014 Professor für den Fachbereich "Musik- und Kreativwirtschaft" an der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim.
Generative Künstliche Intelligenz

Auswirkungen auf das Management von Musik

Die Erstellung künstlerischer Inhalte sowie von Materialien für Marketing und Vertrieb sind die naheliegendsten, aber längst nicht die einzigen Anwendungsbereiche Künstlicher Intelligenz im Kulturbetrieb. Die Musikwirtschaft zeigt, wie viele Aufgaben sich durch KI absehbar verändern werden.

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Die digitale Transformation der Kulturbetriebe macht sich auf vielen Ebenen bemerkbar. Nach immersiven Ausstellungen, digitaler Kommunikation oder virtuellen Bühnen oder Installationen ist generative Künstlichen Intelligenz der nächste signifikante Schritt. KI generierte Kunst wird nun zum ersten Mal ein ernstzunehmendes Thema für alle Beteiligten. Denn die vorherigen Ergebnisse waren zuweilen naiv und von geringem künstlerischem Ausdruck. Dies hat sich geändert, und zwar in allen Kunstbereichen - sei es Literatur, Bildende Kunst, Bewegtbild oder Musik.
 
Aber nicht nur die Kunst entwickelt sich unter dem Einfluss dieser neuen Technologie. Es ist auch das Verwertungssystem rund um alle, die Kunst und Kultur vermitteln und managen. Im Anwendungsfeld der Musikwirtschaft werden nahezu alle Bereiche in naher Zukunft damit in Kontakt kommen, oder sind es längst. KI betrifft also fast alle Stufen KI- des Wertschöpfungssystems "Musikwirtschaft" - von der Songidee über die Musikproduktion, Auswahl- und Scoutingprozesse, Lizensierung und Marketing bis in das Ohr der Musikhörer*innen. Bereits genutzt werden generative KI-Tools sowohl in der Entwicklung (Songwriting, Grafikarbeiten) als auch in der Produktion und in der Vermarktung (Playlistenplatzierungen, Käuferdatenanalyse, Optimierung von Algorithmen in Empfehlungssystemen, Lizensierung und Abrechnung).
 
Anwendungsfälle für KI im Musikbusiness
 
KI im Musiklabel
 
Künstliche Intelligenz ist im Zusammenhang mit der Vermarktung von Musik kein neues Thema: So nutzen Scoutingprozesse im Bereich A&R datengetriebene Vorhersagemodellen, um vielversprechende Künstler*innen zu entdecken. Dabei werden deren Streaming- oder Social-Media-Zahlen analysiert, um zukünftige Zahlen und Einnahmen zu prognostizieren. Dies fließt mit in die Entscheidung ein, ob ein*e Künstler*in unter Vertrag genommen wird. Auch Musikstreaming-Plattformen nutzen komplexe Algorithmen für ihre Musikempfehlungen. 
 
Mit dem Aufkommen von generativer Künstlicher Intelligenz ergeben sich jedoch eine Reihe neuer Potenziale in Bereichen wie Content-Erstellung, Promotion und Prozessoptimierung. Dies liegt in der einfacheren Zugänglichkeit und Bedienbarkeit dieser Werkzeuge gegenüber bestehenden KI-Anwendungen, für die meist Kenntnisse in Data Science erforderlich waren (und sind). 
 
In einem Musiklabel spielt das Produktmanagement eine wichtige Rolle. Dabei kann zum Beispiel die Contenterstellung zur Bewerbung neuer Veröffentlichungen KI-gestützt ablaufen. Diese Integration von KI in den Workflow der Content-Erstellung kann zu einer Beschleunigung und Kostenreduktion führen, da sie ermöglicht, Prozesse zu (teil-)automatisieren und die Komplexität von Aufgaben zu reduzieren. Damit verbunden ist einerseits der Vorteil, Routineaufgaben schneller zu erledigen, um mehr Zeit für kreative Arbeit mit Künstler*innen zu schaffen. Andererseits kann künstliche Intelligenz Impulse setzen, die menschliche Kreativität erweitert und verändert, statt sie zu ersetzen. 
 
Klassische Anwendungsfälle für den Einsatz von KI-Sprachmodellen sind das Verfassen von Pressetexten, Künstler*innenbiografien oder Playlist-Pitches. Zudem lässt sich ein Text je nach benötigtem Format kürzen/verlängern oder in der Tonalität auf verschiedene Zielgruppen anpassen. Mithilfe von "custom instructions" können Angaben über das Unternehmen gespeichert werden, die bei jedem Chat berücksichtigt werden. So kann gewährleistet werden, dass alle generierten Inhalte auf den Kontext und Kommunikationsstil des Labels angepasst sind. Das Training eigener Chatbots, die im Sprach- Kommunikationsstil eigener Künstler*innen trainiert sind, bietet weiteres Marketingpotenzial für Labels. Diese Chatbots können in der direkten Fan-Kommunikation eingesetzt werden oder um Texte für Social-Media-Posts oder Captions zu generieren.
 
KI-Bild-Tools wie Midjourney oder Dall-E ermöglichen es zudem, vielfältige und einzigartige Bilder zu erstellen, beispielsweise für Artworks, Playlist-Cover, Social-Media-Beiträge oder als Inhalte für Websites oder Newsletter. In der Bildbearbeitung können Artworks automatisch verlängert, vergrößert und so in verschiedene Ausspielformate gebracht werden. 
 
Im Bereich Video entstehen erste Anwendungen wie Runway Gen2 oder Kaiber, um Musikvideos, Visualizer (kurze Bewegtbildformate, um Releases anzukündigen), Social-Media-Beiträge oder Formate wie Spotify-Canvas genutzt werden können.
 
Künstliche Intelligenz kann auch helfen, Prozesse zu optimieren. Vielversprechend scheinen etwa Werkzeuge, die bestehendes Material schnell in verschiedene Formate exportieren. Beispielsweise kann ein Musikvideo oder Behind-the-Scenes-Content im Querformat durch Tools wie Opus Clip in Hochkantformat für Kurzvideoplattformen umgewandelt werden. Das Tool hebt dabei automatisch und plattformspezifisch potenziell relevante Stellen hervor. Für internationale Marketingaktivitäten können ergänzend dazu automatisch Untertitel in verschiedenen Sprachen erzeugt werden. 
 
Im Zuge der KI-gestützten Sentiment Analyse können Informationen aus unstrukturierten Daten wie Kommentaren unter Social-Media-Posts gewonnen werden. Hierbei wird KI eingesetzt, um in Texten ausgedrückte Emotionen zu erkennen. Die KI erfasst den Ton einer Aussage und erkennt, ob bestimmte Wörter innerhalb einer Textgruppe eine negative oder positive Konnotation haben. Durch eine sinnvolle Verknüpfung dieser Daten mit generativen Werkzeugen können zum Beispiel Schlüsselinhalte für die Kommunikation oder, darauf aufbauend, für konkrete Inhalte oder Ansprachen entwickelt werden.
 
Diese Anwendungsfälle finden in der Praxis oft nicht vollautomatisiert statt. So ist die Generierung von Texten und Bildern ein Prozess, in dem Ausprobieren und das Lernen im Umgang mit den richtigen Prompts durchaus Zeit in Anspruch nehmen. KI-Werkzeuge können in diesem Zusammenhang Hilfsmittel sein, ersetzen aber selten ganze Tätigkeitsbereiche. Weiterhin sollten Labels gut abwägen, inwieweit persönliche Daten oder Informationen über Künstler*innen oder Geschäftspraktiken in ein Sprachmodell eingegeben werden sollen. 
 
KI im Musikverlag
 
Auch die Zusammenhänge zwischen generativer KI und der Arbeit von Musikverlagen sind vielfältig. Zunächst müssen rechtliche und ethische Aspekte bedacht werden, um Rechteinhaber*innen, Komponist*innen und Textdichter*innen vor potenziellen negativen Auswirkungen zu schützen. Insbesondere die Nutzung von generativen Text-Modellen im Songwriting und die Schutzfähigkeit dieser Inhalte spielt dabei eine Rolle. Verbände / Vertreter*innen von Urheber*innen setzen sich etwa dafür ein, dass Rechteinhaber*innen um Erlaubnis gefragt werden müssen, wenn ihre Musik zu Trainingszwecken benutzt wird. Dafür muss nachverfolgbar / transparent sein, welche Werke im Trainingsprozess genutzt werden. Zudem soll KI-generierte Musik als solche gekennzeichnet werden. Rein KI-generierte Werke, die ohne menschlichen Schaffensprozess entstanden sind, sollen keinen urheberrechtlichen Schutz genießen.
 
Musik-Metadaten sichern die gerechte Zuweisung und Bezahlung der Urheber*innen, sind also essenziell für Verlage, um Musikrechte präzise zu managen. Sie sind zudem für das Sortieren und Auffinden von Inhalten entscheidend. Generative KI hilft hier bei der Metadaten-Analyse und der Generierung von Informationen wie Tempo, Genre oder Stimmung. Sie verbessert damit die Empfehlungsgenauigkeit und erleichtert es, ein Publikum für Werke zu finden, indem passende Tags für Playlist- oder Sync-Pitches, YouTube-Videobeschreibungen, oder Instagram-Hashtags generiert werden. Tools wie Cyanite oder Musiio unterstützen das KI-gestützte Tagging von Katalogen, was Auffindbarkeit und Rückverfolgbarkeit fördert.
 
Auch die Nutzung von generativer oder adaptiver Musik spielt zunehmend eine Rolle: Wie können Musikverlage mit dieser Art von Musik umgehen, die sich ständig verändert und möglicherweise außerhalb herkömmlicher Lizenzierungs-Modelle liegt, aber dennoch kommerziell vertrieben wird? Diese Frage betrifft nicht nur rechtliche, sondern auch kreative und geschäftliche Herausforderungen, die die Branche in der Zukunft angehen muss.
 
KI im Livebereich
 
Generative KI ist in der Live-Branche bisher noch nicht stark verbreitet - auf Basis der aktuellen Technologien deuten sich aber verschiedene Potenziale an: Booking- und Tourmanagement sind detailreich und erfordern ein hohes Maß an Kommunikation. Dabei müssen zahlreiche Daten von verschiedenen Quellen zu verarbeitet werden, um Tourneen zu planen und die Informationen für Künstler*innen und Crew zugänglich zu machen. Sprachmodelle wie ChatGPT 4 bieten hier Unterstützung, indem sie Informationen aus verschiedenen Formaten wie URLs oder PDFs extrahieren, was die Kostenberechnung und Itinerary-Erstellung effizienter macht. Die Einführung von spezifischen "GPTs" und "Assistants" (individuell gestaltbare Versionen von ChatGPT mit zusätzlichen Funktionen, passend für bestimmte, sich wiederholende Aufgaben) durch OpenAI im November 2023 eröffnet weitere Möglichkeiten. Diese Tools vereinfachen durch die Nutzung von APIs und eigenen Datenpools wesentliche Teile des Managements, was Prozesse deutlich unterstützen könnte.
 
Bei Live-Performances könnten KI-Tools die Audioqualität in Echtzeit verbessern, indem sie Hintergrundgeräusche minimieren und die Tonqualität sowie Lautstärke optimieren bzw. an die Veranstaltungslocation anpassen. KI-generierte Visuals könnten die Show durch vorproduzierten oder in Echtzeit angepassten Content unterstützen, der auf die Musik und die Bewegungen der Künstler*innen reagiert. Momentan manuell gesteuerte Licht- und Visualeffekte könnten durch KI autonom angepasst werden, was Techniker*innen ermöglichen würde, sich anderen Aspekten des Produktionsprozesses zu widmen.
 
Fazit und Ausblick
 
Der technische Fortschritt kann weder verlangsamt noch verhindert werden. Vielmehr ist der Umgang mit ihm eine der Kernaufgabe im Kulturmanagement. Dies bedeutet vor allem die direkte und proaktive Auseinandersetzung mit Tools und deren Entwicklung. Das funktioniert am besten durch praktische Anwendung und dann Weitergabe von Erfahrungen sowohl in der eigenen Organisation als auch in der Branche (z.B. durch Tagungen, Kongresse wie das alljährlich stattfindende Future Music Camp). Über dieses Anwendungswissen hinaus braucht es aber auch die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen einer veränderten Handlungspraxis. Hierbei stellen sich insbesondere rechtliche Fragen, etwa in Bezug auf den Datenschutz, das Urheberschutzrecht und die Wahrung von Persönlichkeitsrechten. Aber auch moralische, ethische und betriebswirtschaftliche Aspekte müssen beleuchtet und reflektiert werden. 
 
Was bedeutet dies konkret hinsichtlich der Entwicklung von Managementkompetenzen? Wie bei nahezu allen Innovationsprozessen kommt es auf zwei Aspekte an, die für den Erfolg und Misserfolg maßgeblich verantwortlich sind:
 
a.) Schaffe ich es, Trends rechtzeitig zu antizipieren? Diese Frage stellt auf den Prozess des frühzeitigen Verstehens und Reagierens ab. Dem voraus geht die "Awareness" - also, bin ich in der Lage, die maßgeblichen Innovationsentwicklungen zu erkennen und dann hinsichtlich ihrer Relevanz für mein konkretes Arbeitsfeld einschätzen zu können?
 
b.) Schaffe ich es, mich den Erfordernissen eines Wandels anzupassen? Hierbei geht es um die Fähigkeit der Adaption. Nach der Feststellung von Veränderungsprozesse kommt es darauf an, wie eine Anpassung stattfinden soll.
 
Diese beiden basalen Vorgehensweisen sind Grundkompetenzen zukünftiger Kulturmanager*innen bezeichnen. Dies setzt einerseits inhaltliche Fachkompetenz, andererseits auch Fähigkeiten der Umsetzung und Strategiebildung voraus. Und: All diese Facetten müssen auch in die Ausbildung des Nachwuchses einfließen.

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