09.08.2007

Autor*in

Dirk Heinze
Künstlervermittlung

Künstlervermittlung und wirtschaftlicher Erfolg

Im Gespräch mit KM schätzt Michael Russ, der Präsident des Verbandes der Deutschen Konzertdirektionen (VDKD), die wirtschaftliche Lage von Vermittlungsagenturen wie auch von Künstlern allgemein als gut ein. Sein Verband vertrete bewusst auch die Interessen der kleineren Agenturen, deren Anteil in den letzten Jahren spürbar zugenommen hat. Außerdem geht Michael Russ auf die Anforderungen an einen guten Künstleragenten und den immer wieder aufkommenden Streit zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlich subventionierten Anbietern ein.
KM: Herr Russ, wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation der etablierten Künstler- und Konzertagenturen in Deutschland ein?
 
Michael Russ: Wir müssen hierbei zwischen den verschiedenen Unternehmensarten unterscheiden. Wenn Sie von Konzertdirektion und Künstlern in einem Atemzug sprechen, wäre dies eine rein vermittlerische Agentur also eine Konzertagentur. Hierbei geht es beiden Teilen der Agentur als auch dem Künstler im Verhältnis gut, da der Markt in der Bundesrepublik immer noch sehr offen und groß ist, so dass die vermittlerische Tätigkeit auf fruchtbaren Boden fällt. Die wirtschaftlichen Gegebenheiten für den Vermittler wie
auch für den Künstler sind noch durchaus interessant.
 
KM: Verhält sich das parallel zur wirtschaftlichen Konjunktur?
 
MR: Das würde ich so nicht sehen, denn die Künstlervermittlung ist im Laufe der letzten Jahre bzw. sogar der letzten Jahrzehnte immer konstant geblieben. Die Honorare, die in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten eher eingefrorenen waren, tendieren wieder etwas nach oben. Es ist ein Geben und Nehmen im Vermittlungsbereich. Denn wo bei Veranstaltern nichts ist, ist auch wirtschaftlich nichts zu holen. So würde ich sagen, dass wir momentan zwar nicht gerade auf einer Woge, doch aber auf einer kleinen Welle nach oben schwimmen.
 
KM: In den letzten Jahren sind viele kleine Agenturen hinzugekommen, zum Teil Ein-Mann-Unternehmen, die versuchen, sich mit viel Empathie und häufig mit Nachwuchskünstlern in diesem Markt zu etablieren. Verträgt dieser Markt diese Vielzahl der Agenturen?
 
MR: Als Präsident des Verbandes stelle ich fest, dass ein Großteil der Mitglieder Ein-Mann- oder Ein-Frau-Agenturen sind. Ich persönlich finde das sehr gut, denn ich bin überzeugt, dass die Betreuung junger Künstler durch diese Art der Betriebe sehr gut zu gewährleisten ist und sehr gut funktioniert. Ich bin auch überzeugt, dass diese sehr kleinen Betriebe, die intensiv, geradezu aggressiv am Markt vermitteln, den Künstlern aber auch den Veranstaltern nur zu Gute kommen können. Es handelt sich gerade um junge Leute, die sehr wichtig für die Branche sind.
 
KM: Der VDKD vertritt demnach auch die Interessen der kleinen Agenturen?
 
MR: Ja, ganz bewusst. Es gilt für den gesamten Bereich sowie auch für den Rock- und Popbereich: die großen Agenturen haben noch mal ihre eigenen juristischen Berater, haben ganz andere Steuerberatungsunternehmen im Rücken etc. Deshalb ist es ausgesprochen wichtig, gerade diese kleinere Agenturen, die zum Teil hochkarätige Künstler vermitteln, zu betreuen und darüber zu informieren, was auf dem Markt passiert oder was sich im Steuerrecht ändert. Ich glaube, da sind wir sehr stark aufgestellt.
 
KM: Wie gehen Sie mit der Situation um, dass neben den privaten Künstler und Konzertagenturen auch staatlich subventionierte Kulturbetriebe den Markt prägen?
 
MR: Also grundsätzlich muss ich sagen, dass wir privatwirtschaftlichen Konzertagenturen überhaupt nichts gegen Institutionen haben, die staatlich subventioniert sind oder gefördert werden. Diesen Zungenschlag hat es immer wieder einmal gegeben, dem ist aber nicht so. Wir sind für Subventionen und zwar dann, wenn sie gezielt eingesetzt werden. Ich darf vielleicht ein Beispiel nennen: Ich kann es mir heute als privatwirtschaftlicher Veranstalter nicht mehr leisten, bestimmte Werke ins Programm zu nehmen. Hier bin ich der Meinung, dass die öffentlich-rechtlichen oder eben die subventionierten Institutionen die Aufgabe haben, diese Lücken zu schließen und diese Werke dem Konzertbesucher zu gönnen. Kritisch wird diese Sache in dem Moment, wenn es wettbewerbsverzerrend wird. Das wird es, wenn die Kalkulationen nicht mehr ehrlich auf den Tisch gelegt werden, d.h wenn die Kosten, die ein Privatunternehmer zu tragen hätte, die auch eine subventionierte Institution zu tragen hat, nicht mehr in die Kalkulation einfließen. Wenn dieses zu Dumping-Eintrittspreisen führt, dann muss ich von Wettbewerb verzerrender Situation reden, denn die gesamten Kosten vor Ort ! zum Beispiel ein eigener Konzertsaal! haben eine feste Position im laufenden Jahr. Wir als privatwirtschaftlicher Veranstalter müssen für jedes Konzert einen Kostenfaktor X Y einsetzen, bevor wir überhaupt kalkulieren können.
 
KM: Die Hauptaufgabe einer Künstleragentur besteht in der optimalen Vermittlung des Künstlers. Hat die Agentur auch die Möglichkeit, auf die künstlerische Entwicklungen und Vermarktung direkt Einfluss zu nehmen?
 
MR: Jede Agentur hat ihr eigenes Know-how und kann natürlich Einfluss nehmen, aber letztendlich wird es so sein, dass die Verbindungen zu den Veranstaltern bzw. zu den Opernhäusern, zu den Orchestern, zu den Intendanten das Geschick des Künstlers prägen. Indem man gute Kontakte und sich selbst bei den Intendanten oder den jeweiligen Entscheidungsträgern einen Namen aufbaut das ist der wesentliche Faktor so dass diese sagen, wir wollen bei dieser Agentur ungehört den Künstler nehmen, da man auf die Qualität in der Vermittlung vertrauen kann und der Vermittler als solcher als musikalischer Fachmann angesehen wird, kann man auf den Markt Einfluss nehmen.
 
KM: Wie wird man ein guter Künstleragent? Ist möglicherweise das theoretische Wissen aus dem Studium weniger wichtig als die Kontakte? Welche Tipps würden Sie den angehenden Agenten geben?
 
MR: Das ist eine sehr gute, aber auch sehr schwierige Frage. Wir haben heute einige Musikhochschulen, die Kulturmanagement lehren. Ich meine sogar, es wird zu viel an Kulturmanagern produziert, die nachher nicht unterkommen können. Das allerdings ist ein anderes Thema. Es ist in der Tat so, dass bei der Künstlervermittlung zum einen das Wissen um den Künstler im Vordergrund steht: Was kann er leisten? Wie kann ich die Karriere fördern? Zum anderen: Wie gut sind meine Kontakte? Wie kann ich im Laufe der Zeit meine Kontakte zu den potenziellen Abnehmern so stärken, dass ich mir einen Namen mache und somit die Aufträge bekomme? Viele Veranstalter haben gar nicht mehr die Zeit, Personal oder Trendscouts auszusenden, die sich die Künstler live anhören. Als Konzertveranstalter muss ich mich auf eine kleine, aber verlässliche Zahl von Kollegen verlassen, die mir garantieren, dass ich mit der Wahl nicht falsch liege.
 
KM: Ein Problem können die steigenden finanziellen Forderungen der Künstler sein. Im Sport wird über eine Gehaltsobergrenze diskutiert ist eine derartige Diskussion im Künstlermanagement ebenfalls angebracht?
 
MR: Das reguliert der Markt. Das war schon immer so, dass wir im Bereich der klassischen Konzerte Vielverdiener haben oder hatten. Middle on the Road ist es eine Schicht, der man ein Honorar von 8 bis 10-tausend Euro zugesteht, weil die Künstler dieses Geld wert sind und zum Zweiten auch wieder einbringen.
Ich muss einen Künstler so einstufen, dass wenn ich beispielsweise 10.000 Honorar zahle, auch einen Saal mit 1000 Plätzen füllen kann. Verkaufe ich dann die Karten à 10 Euro, habe ich zunächst das Honorar wieder drin. Wirtschaftlich wird das ganze natürlich erst, wenn ich einen Kartenpreis ansetze, bei dem ich auch die örtlichen Kosten zahlen und noch Gewinn machen kann. Die Honorare an sich sind in den letzten Jahren nur unwesentlich gestiegen. Sie haben sich eher den Lebenshaltungskosten angepasst.
 
KM: Auch bei den Stars nicht?
 
MR: Es ist in der Tat so, dass die Stars ihr Honorar verlangen und da haben sie zu schlucken. Entweder sie wollen ihn, dann machen sie es und gehen das Risiko ein oder sie lassen die Finger davon. Wobei ich persönlich der Meinung bin, der teuerste Künstler ist der günstigste, wenn er mir den Saal füllt mit den Preisen, die ich dann wieder an mein Publikum weitergeben kann. Das ist in der Tat ein Spiel mit den jeweiligen Gegebenheiten der Stadt. Das muss man von Fall zu Fall abwägen. Aber grundsätzlich sei gesagt, die Stars können eigentlich momentan nahezu alles fordern.
 
KM: Inwieweit hat die rasante Entwicklung der neuen Medien Ihre Arbeit konkret beeinflusst oder gar verändert? Denken Sie z.B. an den Musikvertrieb über das Internet oder die Online-Kommunikation
 
MR: Früher wurden sie mit Briefen oder Prospekten überschüttet, heute läuft das alles über den Computer und Emails. Ich glaube nicht, dass es uns so beeinflusst hat, dass dadurch die Künstlervermittlung als solche interessanter oder leichter geworden wäre. Vielleicht erreicht man den einen oder anderen Ansprechpartner schneller als bisher. Aber auch die ganzen Websites etc., auf denen man die Künstler vorstellen und man die Vita und Bilder einstellen kann, sind lediglich eine kleine Hilfe. Einen Künstler über dieses Medium auf den Markt zu bringen, das halte ich persönlich für ausgeschlossen.
 
KM: Herr Russ, ich bedanke mich für dieses Gespräch!
 
Michael Russ trat nach einer Ausbildung als Musikalienhändler 1967 in die 1945 von seinem Vater gegründete Südwestdeutsche Konzertdirektion Stuttgart (SKS) ein. 1969 übernahm er außerdem die Württemberg-Bayerische Konzertdirektion in Ulm. Russ ist Geschäftsführer verschiedener Konzertdirektionen, in dem Familienunternehmen ist bereits die dritte Generation vertreten. Er amtiert seit 1982 als Präsident des Verbandes der Deutschen Konzertdirektionen. Michael Russ ist im Mai 2005 mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet worden.

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