19.12.2008

Autor*in

Uwe Wagner
studierte Wirtschaftsinformatik, Kulturmanagement und International Music Management. Nach verschiedenen Stationen in der privatwirtschaftlichen Kulturförderung und im öffentlichen Kulturbereich ist er Kulturamtsleiter der Stadt Gersthofen. Zuvor war er unter anderem Geschäftsführer der Neunkircher Kulturgesellschaft gGmbH und Verwaltungsleiter beim Rheingau Musik Festival. 
Kommentar

Unternehmerische Kulturförderung trotz(t) Finanzkrise?

Für Kulturinstitutionen und -rezipienten stellt sich aktuell die Frage, welche Folgen die Finanzkrise und die Rezession auf das Engagement der Unternehmen in der Kultur haben wird. Ein Lagebericht dazu von Uwe Wagner, Darmstadt.
Die Finanzkrise beherrscht seit Monaten Schlagzeilen wie Gemüter. Die meisten Politiker und Wirtschaftsexperten sprechen bereits von Rezession. Das meistbesuchte deutsche Internetportal, Spiegel Online, hat bereits einen Krisenticker geschaltet als ob es sich um ein Entscheidungsspiel im Fußball handeln würde. Ein Spiel gegen den Abstieg sozusagen. Aber ist die Situation wirklich so schlimm? Droht Deutschland der wirtschaftliche "Abstieg"? Ohne jetzt auf die wirtschaftliche Lage en detail einzugehen, kann doch konstatiert werden, dass ein leichter Hang zur Dramatisierung in diversen Medien erkennbar ist Negativschlagzeilen verkaufen sich bekanntlich besser. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn sich eine gewisse Unsicherheit bemerkbar macht. Umfragen sprechen von 60-70 Prozent pessimistisch vorausschauender Bundesbürger.

Dieser Pessimismus könnte sich auch in der deutschen Kulturszene breit machen, deren Finanzierung zwar zu ca. 90% durch den Staat gesichert ist, wo aber das private unternehmerische Engagement an Bedeutung gewinnt und mitunter bereits "das Zünglein an der Waage" geworden ist. Für Kulturinstitutionen und -rezipienten stellt sich daher konsequenterweise die Frage, welche Folgen die wirtschaftliche Lage auf das Engagement der Unternehmen in der Kultur haben wird.


"Unternehmerische Kulturförderung wird es weiter geben" so versuchte der Arbeitskreis Kultursponsoring vor wenigen Tagen in einer Pressemeldung die Gemüter zu beruhigen. Eine direkte Nachfrage bei einigen in der Kulturförderung führenden Unternehmen bestätigt diese Aussage. Ein Rückzug im großen Stil ist nicht geplant - und kann auch nicht Option sein: dies wäre im Kontext von Motivation und Zielen der Unternehmen ein klassisches Eigentor (um im Fußballjargon zu bleiben). Kulturförderung soll Image und Reputation des Unternehmens positiv beeinflussen, soll Vertrauen aufbauen und im Sinne der Konzepte "CSR" und "CCR" (Corporate Social Responsibility / Cultural Responsibility) den Einsatz und die Verantwortung des Unternehmens für die Gesellschaft demonstrieren. Diese Ziele können nur durch den nachhaltigen und langfristigen Einsatz des Instruments Kulturförderung erreicht werden. Hinzu kommt, dass einige Unternehmen ihr Engagement konzeptionell in den vergangenen Jahren dahingehend überarbeitet haben, dass weniger von Sponsoring als von einer Partnerschaft die Rede ist. Schon im Zwischenmenschlichen ist es so, dass diese nur funktioniert, wenn man auch in Krisenzeiten zueinander steht. Die wirtschaftliche Situation führt nun dazu, dass die Unternehmen Farbe bekennen müssen: für wen sind die Begriffe Partnerschaft und Verantwortung nur leere Worthülsen, und wer hat es geschafft, diese mit Inhalt zu füllen?


Zumindest die Kulturförderung der befragten großen deutschen Unternehmen scheint auf festen Füßen zu stehen. Auf die Frage, ob man 2009 Auswirkungen auf geplante Projekte erwarte, wird durchweg mit einem klaren "Nein" geantwortet. Ein Rückzug oder eine deutliche Kürzung der Kulturförderung scheint nicht zur Diskussion zu stehen (in vielen Fällen stehen dem auch langfristige Verträge entgegen), eine noch intensivere Überprüfung einzelner Engagements im Hinblick auf deren Zielerreichung schon. Es sei ein "interner Wettbewerb" entstanden, wie vorsichtig formuliert wird. Wirklich beruhigend wird dies auf geförderte Kulturinstitutionen kaum wirken, denn aus einem Wettbewerb kann man bekanntlich auch ausscheiden. Was können diese also tun, um nicht als Verlierer aus der aktuellen Situation hervorzugehen?

Zunächst muss auf die gegebenen Relationen hingewiesen werden: den geschätzten Aufwendungen der Unternehmen für Kulturförderung von rund 400 Mio. Euro im Jahr stehen etwa 8-9 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln gegenüber. So ist auch die Antwort eines Verantwortlichen auf diese Frage zu verstehen, dass in Deutschland die Kultur im internationalen Vergleich nie als Verlierer hervorgehen würde. Dennoch besteht aus Sicht der Unternehmen weiterhin Optimierungspotenzial, die Rolle der Kulturinstitutionen betreffend: Das Zusammenspiel zwischen Kultur und Wirtschaft müsse noch besser, noch intensiver und noch verständnisvoller werden. Man solle mit Mut und Kreativität innovative, spannende Projekte angehen und vor allem noch mehr Einsatz darauf verwenden, den Unternehmen Affinitäten und den kommunikativen Nutzen verständlich machen.

Insofern soll die intensivere Überprüfung der einzelnen Projekte in den Unternehmen keine abschreckende, sondern mehr eine auffordernde Wirkung in Richtung der Geförderten entfalten, ganz nach dem Motto: "Gebt uns Argumente, Zahlen und Belege, dass wir unsere internen Skeptiker überzeugen können!" Schließlich ist Kulturförderung nicht überall so verankert, dass sie bereits Bestandteil der Unternehmenskultur geworden ist und somit auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten einen hohen Stellenwert hat. Daher wird in vielen Unternehmen das weitere Vorgehen auch von Personen und deren Befähigung abhängen, die Bedeutung des kulturellen Engagements zu vermitteln. Die mittelfristige Entwicklung wird sich an der Dauer und Intensität der Finanzkrise und den damit verbundenen Auswirkungen orientieren.

Bei aller Unsicherheit sollte nicht vergessen werden, dass sich die unternehmerische Kulturförderung in den letzten Jahren konzeptionell und inhaltlich stark weiter entwickelt hat und daher noch nie so gut aufgestellt war wie in diesen Tagen. Fakt ist allerdings ebenso, dass wirtschaftlich agierende Unternehmen die Finanzkrise nicht ignorieren können. Wie diese aber letztlich damit umgehen, ist eine Einzelfallentscheidung.

Die Entwicklung der unternehmerischen Kulturförderung nimmt derzeit eine weitere Hürde. Sie wird Chancen und Probleme bei beiden Parteien hervorheben, sowohl auf Seiten der Kulturinstitutionen als auch bei den Unternehmen. Es wird interessant sein zu beobachten, wie diese Situation gemeistert und was daraus entstehen wird. Oder mit den Worten von Max Frisch gesprochen: "Die Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen."

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