10.01.2012

Autor*in

Lukas Meyer-Marsilius
Rückblick mediamus 2011

Gekreuzte Blicke, reflektierte Vermittlung - Rückblick Jahrestagung mediamus 25./26.11.11

An der Jahrestagung von mediamus, dem Verband für Bildung und Vermittlung im Museum, ging es um das Thema Transdisziplinarität. Was ist darunter zu verstehen? Wie kann man es für die Vermittlung nutzen? Was sind die Chancen und Risiken? Diese Fragen wurden in Vorträgen, Diskussionsrunden und Museumsbesuchen besprochen. Kulturmanagement Network Schweiz war Medienpartner der Tagung.
Verhindern, dass Transdisziplinarität zu einer Worthülse wird so lautete die Forderung einer Teilnehmerin zum Schluss. Diese Gefahr kommt schnell auf, wenn man ein Modewort aufnimmt ist transdisziplinäres Arbeiten ein Trend oder ein exotisches Thema? Heisst Transdisziplinarität mehr als über die Grenzen der Disziplinen hinaus zu arbeiten? Was bringt das Konzept für den Vermittlungsalltag?

An der Jahrestagung von mediamus wurde das Thema Transdisziplinarität an zwei Tagen umkreist und diskutiert. Der Begriff Transdisziplinarität wurde dabei nicht klar definiert. Nur ein theoretischer Vortrag stand den zahlreichen Praxisberichten gegenüber. Meist wurde dabei alles disziplinenübergreifende Arbeiten als transdisziplinär verstanden und der Begriff vorwiegend synonym mit interdisziplinär verwendet. Im Zentrum stand jedoch weniger der begriffliche Diskurs als der Austausch von Erfahrungen. Wie kann man die eigene Disziplin öffnen und wie mit anderen Disziplinen gezielter zusammen arbeiten?

Theorie und Praxis

Nach einer kurzen Begrüssung und Einführung durch Lauranne Allemand (Centre Pasquart Biel) und Sara Smidt (Kunstmuseum Thun, Co-Präsidentin mediamus) lieferte Andi Schoon, Forscher und Dozent am Y-Institut für transdisziplinäre Forschung und Lehre an der Hochschule der Künste Bern, ein wenig theoretischen Hintergrund. Er verortete Transdisziplinarität in den Künsten und in der Kunstvermittlung. Das Problem sei die fehlende gemeinsame Sprache hier müsse Übersetzungs- und Verständigungshilfe geleistet werden. Das gelte auch für die Vermittlung: Hier kann ein transdisziplinärer Blick eine zweite, dritte, vierte Meinung liefern und die Perspektiven öffnen.

Der Kulturfunktionär Christoph Reichenau berichtete von seinem Auftrag, die Plattform kultur-vermittlung.ch neu aufzustellen. Pro Helvetia lancierte diese und sicherte die Finanzierung für zwei Jahre mit der Forderung, dass die Homepage ab Anfang 2013 auf eigenen Beinen stehen muss. Ziel der Plattform ist die Vernetzung, Positionierung und Weiterentwicklung der Kulturvermittlung sowie ihrer Akteure in der Schweiz. Sie soll als Forum funktionieren und durch einen Verein geführt werden. Diesem Verein würden Fördermitglieder (also Sponsoren) und Aktivmitglieder, die Inhalte und Ideen liefern, angehören. Laut Reichenau wäre dies mit einem jährlichen Budget von 150.000 Franken durchaus möglich. In der Fragerunde wurden die aktuellen Probleme thematisiert und deutlich: Uneinigkeit unter den Vermittlern selber, das Desinteresse von leitenden Stellen, die fehlende Bereitschaft sich einzubringen und mitzudiskutieren. Das prüft mediamus gleich selber mit einer virtuellen Fortführung der Tagung dazu später mehr.

Nach dem Mittagessen auf dem Neuenburger See kamen die Tagungsteilnehmer in den Genuss, von Fachpersonen verschiedener Museen einen Alltags-Einblick in die Neuenburger Museen zu erhalten und noch mehr über die Vermittlungsarbeit zu erfahren. Auf dem anschliessenden Jahrmarkt der Projekte wurden in ungezwungener Atmosphäre verschiedene Vermittlungsprojekte vorgestellt, wie zum Beispiel der interdisziplinäre Kulturvermittlungslehrgang KUVERUM oder De Rio à Neuchâtel Les enfants du cirque, eine Zusammenarbeit des gastgebenden Musée dart et dhistoire de Neuchâtel mit Terre des Hommes.

Vertiefte Diskussionen

Der zweite Tag begann im Centre Müller in Biel mit einem World Café. Grenzen, Risiken, Chancen, Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten allgemein Herausforderungen und Zutaten für eine erfolgreiche transdisziplinäre Kulturvermittlung wurden in Gruppen mit wechselnder Zusammensetzung diskutiert, Ideen und Vorschläge gleich auf das Tischpapier geschrieben. Man konstatierte viele praktische Probleme, wie fehlende Mittel an Zeit und Geld und mangelndes Interesse von Direktoren und Kuratoren. Auch kritische Anmerkungen zum Begriff der Transdisziplinarität und allfälligen Trends wurden eingeworfen und aufgeschrieben. Auch die Vorstellung von drei weiteren transdisziplinären Projekten zum Abschluss des Morgens zeigte das Potential solcher Vermittlungsarbeit, vor allem das Eröffnen und Fördern von neuen Zugängen nicht nur für das Publikum, sondern auch für die Vermittlerinnen und Vermittler selber. Der Nachmittag war wiederum einem Museumsbesuch vorbehalten.

In der Schlussrunde meinten einige, sie hätten nicht viel Neues gelernt, schätzten den Austausch aber auch so. Andere monierten, dass zu wenig über die Idee der Transdisziplinarität geredet wurde, und dass oft jede Zusammenarbeit von verschiedenen Disziplinen sehr unreflektiert als transdisziplinär verstanden wurde. In diesem Zusammenhang kam auch das eingangs erwähnte Problem der Worthülse auf. Eine klare Definition des Begriffs und des Konzepts wäre vielleicht doch hilfreich gewesen. Doch es wurde auch so klar, dass eine transdisziplinäre Herangehensweise einiges leisten kann, wenn es um die Verständigung von verschiedenen Disziplinen geht.

Die virtuelle Fortführung der Tagung

Und die Diskussion geht weiter. Den ganzen Monat Dezember wird auf der Plattform kultur-vermittlung.ch als virtuelle Fortführung der Tagung eine von mediamus moderierte Diskussion zum Thema Transdisziplinarität stattfinden.

Als Diskussionsanstoss dient ein Text von Gabriele Stöger, Expertin für Kulturvermittlung aus Wien, mit dem Titel Die Kulturvermittlung ist keine Topfpflanze. Transdisziplinarität und Kulturvermittlung. Eine Assoziation. Darin vergleicht Stöger die Vermittlung mit dem Wasser, welche eine in der Erde (kulturpolitisches Umfeld) wachsende Pflanze (das Museum) nährt, um sie dem Licht (dem Publikum) zugänglich zu machen. Doch ist Vermittlung nicht so einförmig wie Wasser, denn Kulturvermittlung ist keine Disziplin. Sondern eine Tätigkeit, die laufend neue Ströme aufnimmt und sich entwickelt, zusammen mit der Kultur und dem Publikum. Die verschiedenen Disziplinen oder Kulturen stehen immer in Interaktion, was genutzt werden soll, darum fordert Stöger auch möglichst viele (schlampige) Verhältnisse mit anderen Kulturen, Wissenschaften, Methoden.

Durch diesen herausfordernden und interessanten Text solle der weiterführende Meinungsaustausch im Nachgang an die Tagung angeregt werden. Eine Diskussion entwickelte sich bis Mitte Monat eher zaghaft zwei anregende Kommentare kamen, auf die die Autorin auch antwortete. Doch wurden dadurch (noch) nicht mehr Leute zur Interaktion motiviert. Dass dies nicht ganz einfach ist, merkte auch das Netzwerk für Kulturvermittlung Kuverum, welches im vorangehenden Monat einen Input-Text präsentierte, damit aber keine Diskussion auslöste.

Link zur Diskussion: http://www.kultur-vermittlung.ch/debatte/details/news/die-kulturvermittlung-ist-keine-topfpflanze.html

Über den Korrespondenten:
Lukas Meyer-Marsilius hat in Zürich und Berlin Philosophie, Geschichte und Komparatistik studiert. Er arbeitet für die Kommunikationsabteilung der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und als freier Journalist. Mehr Infos und Texte unter http://lukasmeyermarsilius.wordpress.com
 

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