15.11.2007

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick Herausforderung Kulturwirtschaft 2007

Verdichtung und Wahrheit

Wenn es darum geht, den Preis um die inhaltlich dichteste Abhandlung eines solchen Themas zu verleihen, hätte der Veranstalter der Tagung "Herausforderung Kulturwirtschaft - kulturpolitische Antworten und Strategien" am 8. und 9. November in Berlin gute Chancen. Selten zuvor wurde so intensiv und facettenreich über das derzeitige Modethema reflektiert.
Der Zuspruch war groß: 600 Anmeldungen lagen vor, 300 Teilnehmer konnten letztlich aus organisatorischen Gründen berücksichtigt werden. Was zunächst mit dem gewohnten Schaulaufen der Vertreter von Kulturpolitik begann, entwickelte sich der Kongress bald zu einem intensiven Dialog und Redemarathon, sodass die Potenziale der Kulturwirtschaft und ihre Begleitung durch die Kulturpolitik sichtbar, aber auch Bezüge zu anderen Aspekten hergestellt wurden.
 

Neue Studien - gleiche Ergebnisse

Dieter Haselbach von der ICG Culturplan startete mit dem Ergebnis des Kulturwirtschaftsberichts eines Flächenlandes mit dem Kunstnamen Sachsland-Vorpfalz, um an diesem erfundenen Beispiel zu zeigen, dass immer neue Studien seiner Meinung nicht unbedingt zur weiteren Kenntnissen des Sektors beitragen. Die Empfehlungen der Verfasser solcher Kulturwirtschaftsberichte seien immer dieselben. Zudem liegen ihr nach wie vor unterschiedliche Definitionen zugrunde, was die Vergleichbarkeit, nach der man sucht, erschwert. Trotz der verschiedenen Begrifflichkeiten und Abgrenzungen haben diese Berichte alle die gleichen Erkenntnisse gebracht, wenn auch mit unterschiedlichen
Prozentzahlen, was den Anteil der Kulturwirtschaft an der Gesamtwirtschaft betrifft. Richard Florida definiert die Creative Class laut Prof. Haselbach im übrigen nicht nach Branchen, sondern nach Berufsbildern und -gruppen. Der Referent nannte einige Anforderungen, die künftige Studien leisten sollten. Zum einen sei dies die genauere Untersuchung der sozialen Absicherung der Beschäftigten in diesem Sektor, die mit den üblichen statistischen Methoden kaum zu erfassen seien. Wichtig wäre auch eine Analyse der Wertschöpfungsketten in diesem Sektor, um Art und Umfang einer entsprechenden Kulturförderung überhaupt einschätzen zu können. Interdependenzen
zwischen dem öffentlichen Kulturleben und der privaten Kulturwirtschaft gelten nach wie vor als wenig untersucht. Bei der Betrachtung der Kulturwirtschaft sollte es nach Meinung von Dieter Haselbach in Zukunft weniger um eine Wirtschaftsförderung, sondern mehr um eine kulturpolitische Herangehensweise gehen. Das Eingangsreferat verfehlte dennoch seine Wirkung, weil Haselbach als Kulturberater, die für die Erstellung von Kulturwirtschaftsberichten stehen, letztlich zu befangen ist, um objektiv zu
sein.
 

Verhältnis von Kultur, Kreativität und Wirtschaft

Das erste Panel des Tages widmete sich dem besseren Verständnis über das Verhältnis von Kultur, Kreativität und Wirtschaft. Bernd Wagner vom Institut für Kulturpolitik führte hier zu Beginn aus, dass es historisch nicht immer so gewesen sei, dass sich die Kulturpolitik allein mit dem öffentlichen Sektor beschäftigt hat. Die Publizistin und Kuratorin Adrienne Göhler beschrieb insbesondere die Widersprüchlichkeit zwischen dem Boom im Kunstmarkt einerseits und den weiterhin überwiegend prekären Verhältnissen der Künstler selbst. Ganz im Sinne des Kongressthemas war es ihr Anliegen, viel stärker heute die gesellschaftliche Relevanz der Kunst statt nur ihre ökonomische Relevanz zu betrachten, wo sich ihrer Meinung nach unglaublich viel tut. Prof. Jakob Tanner, Sozial- und Wirtschaftshistoriker aus Zürich, wies auf den Widerspruch hin, dass in Europa Kultur und Wirtschaft immer getrennt von einander betrachtet wurden, obwohl es so enge Verflechtungen miteinander gab. Der Innovationsbegriff, so Tanner weiter, spielt zudem in der Wirtschaft eine absolut zentrale Rolle, was das gegenseitige AufeinanderAngewiesen-Sein von Kultur und Wirtschaft noch verstärke.

Nach Meinung von Prof. Christoph Weckerle von der Hochschule der Künste Zürich ist es immer wichtig, zuvor zu sagen, von welchem Standpunkt und aus welchem Interesse aus man über Kulturwirtschaft diskutiere. Vieles sei auch aus politischen Motiven oder gar zufällig entstanden. Weckerle nannte das Beispiel Tony Blair, der mit der Labour Party sich durch das Thema Kreativität von der Vorgängerregierung Maggie Thatchers maximal habe absetzen wollen. Bei seinen Untersuchungen der Kulturwirtschaft in der Schweiz fiel ihm zudem auf, dass die Künstler in gewisser Weise wirtschaftliche Anerkennung mit symbolischer Anerkennung kompensieren. Ihnen sei die Zugehörigkeit zur Szene wichtiger als eine angemessene Vergütung - ein Umstand, der natürlich in der klassischen Wirtschaftslehre kaum vorkomme.
 

Politik kennt nur Zuständigkeit, nie eine Gesamtverantwortung

Adrienne Göhler machte deutlich, dass Politik immer nur eine Zuständigkeit, aber nie eine Gesamtverantwortung kenne. Die Creative Industries sind aber gerade dadurch gekennzeichnet, dass ihr Feld zwischen den einzelnen Ressorts liegt. Weckerle ergänzte, auch die Beschäftigten, gerade die Absolventen, wären häufig gleichzeitig in allen drei Sektoren zu Haus, arbeiteten nämlich sowohl privatwirtschaftlich, hätten zudem eine kleine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter und wären dann noch an einem Stiftungsprojekt beteiligt. All dies zeige die Schwierigkeit, eine ganzheitliche Analyse und danach eine kluge Förderpolitik anzubieten. Interessant auch der Einwurf
von Prof. Tanner, dass nach der Rationalisierung in der Industrie- und danach in der Dienstleistungsgesellschaft, sich die Freizeit- und Erlebnisgesellschaft und die Creative Industries einer Rationalisierungstendenz praktisch entziehen. Der Wunsch nach Bürgergeld wurde gern von Frau Göhler aufgegriffen, die das bedingungslose Grundeinkommen als entscheidende Gegenmaßnahme zur vollständigen Kapitalisierung der Künste postulierte. Die Diskussion litt insgesamt unter der etwas langatmigen Moderation von Prof. Sabine Binas-Preisendörfer (Universität Oldenburg).
 

Branchenspezifische Wechselwirkungen im 3-Sektoren-Modell

Das Panel mit Cornelia Dümcke (Culture Concepts, Berlin), Helga Boldt (Kulturdezernentin a.D. und Mitglied der Kultur-Enquetekommission), Prof. Asmus Hintz (Yamaha Academy of Music und Dozent für Kulturmanagement in Hamburg), Falk Walter (Admiralspalast/Arena, Berlin) und Dr. Gabriele Minz (Unternehmensberatung) hatte sich die branchenspezifischen Wechselwirkungen zwischen öffentlicher Kulturförderung, zivilgesellschaftlichem Engagement und gewinnorientiertem Kulturunternehmertum zum Thema gesetzt. Herr Walter kritisierte die Gottgegebenheit der Staatsnähe der Theater, die doch vor 1933/36 mehrheitlich privat geführt, dann von Goebbels enteignet und
nach 1945 in öffentliche Hand überführt wurden. Die Trennung zwischen privatwirtschaftlich geführtem Theater und öffentlichem Interesse sei schlichtweg Unsinn. Auch im weiteren Verlauf der Diskussionsrunde spielte Falk Walter die Rolle des Querdenkers, der viele Behauptungen aufstellte, welche ihm durchaus den Vorwurf von Zerrbildern der Wirklichkeit insbesondere durch Helga Boldt eintrug. Asmus Hintz beschrieb die Yamaha Musikschulen als musikpädagogisches Franchise-System und damit als ein Angebot, mit dem man sich als Kulturunternehmer selbstständig machen kann. "Wir sind Unternehmen, weil wir etwas unternehmen, sonst wird uns das Unternehmen genommen, d.h. wir müssen kreativ sein", so Hintz weiter.
 

Verstehen, warum man Geld gibt

Von der gesamten Runde wurde eine effizientere Nutzung der Mittel und eine stärkere Zielorientierung eingefordert. Leider werde in der Kulturpolitik und -verwaltung häufig nur aus einem eigenen Bedürfnis heraus gehandelt. Die kulturelle Infrastruktur müsse durchaus veränderungsfähig bleiben. Helga Boldt wünschte sich zudem eine Qualität in der Ausbildung von Kulturberufen, sodass junge Leute Lust darauf bekämen, mit Kultur Geld zu verdienen. Prof. Hintz ergänzte wenig später, dass es in unserer Gesellschaft
durchaus viel Geld auf privater Seite gäbe. Man müsse nur lernen, an dieses Geld zu kommen, was voraussetzt, dass der potenzielle Sponsor verstehen muss, warum er das Geld geben soll. Gabriele Minz stand exemplarisch mit ihrem erfolgreichen Projekt young.euro.classics als Beispiel für zivilgesellschaftliches Engagement, weniger für ein gewinnorientiertes Kulturunternehmen, wobei die erfolgreiche Beraterin hinzufügte, dies sei in ihrem Unternehmen ein Sonderprojekt, was letztlich durch den tatsächlichen Geschäftsbetrieb in gewisser Weise quersubventioniert werde.
 

Wirtschaftliche Aspekte von Kultur

Die anschließende Runde fragte wieder verstärkt nach den wirtschaftlichen Aspekten von Kultur und den Umgang mit Publikum und Nachfrage. Andreas Rochholl (Zeitgenössische Oper Berlin) machte darauf aufmerksam, dass Intendanten als künstlerische Leiter nie für den wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich seien. Da diese Personalunion allerdings auch meist eine Überforderung wäre, komme es stattdessen darauf an, bei der Besetzung beider Bereiche immer das Ziel eines aufeinander angewiesenen Teams zu verfolgen. Dr. Dieter Rossmeissl (Referat für Kultur, Jugend und Freizeit, Erlangen) verfiel in ein recht einseitiges Festhalten am Kulturauftrag der Kommunen, die prinzipiell selbstlos handelten. Die zum Teil überkommenen Strukturen und die durchaus egoistischen Motive des Handelns einzelner Kultureinrichtungen hierzulande ohne direkte gesellschaftliche Rückfrage wurden nicht thematisiert. Andreas Broeckmann (TESLA Berlin e.V.) stellt die genuine alleinige Verantwortung
der Kulturverwaltung für kulturelle Bildung oder Kulturwirtschaft infrage.
 

Wirtschaft hat noch nicht begriffen, wie Kulturwirtschaft funktioniere

Michael Söndermann (Arbeitskreis Kulturstatistik, Köln/Zürich) zeigte sich in seinem Statement ausgesprochen erfreut, dass sich die Kulturpolitik - nicht nur in Berlin - erstmals in dieser herausgehobenen Form mit dem Thema Kulturwirtschaft auseinandersetzt. Was auf dem Markt funktioniere, sei nicht Aufgabe der Kulturpolitik. Die Wirtschaftspolitik wiederum kann ganz unbefangen auf das Thema Kulturwirtschaft zugehen, da sie nicht den ideologischen Ballast mitzudenken habe. Sie habe aber auch in ihrem Pragmatismus nicht begriffen, wie Kulturwirtschaft funktioniere. Kulturpolitik muss sich aber in das Feld Kulturwirtschaft einmischen, ohne sie es zu vereinnahmen. Dies habe vor allem mit der Gruppe der "kleinen Kulturwirtschaft" zu tun habe, die meist als Produzenten der Inhalte eine originär leider schwache Position einnähmen, weil sie häufig zu bloßen Zulieferer degradiert sind, ohne selbst eine aktive Stimme zu werden. Seine Warnung: Kulturpolitik solle dieses Thema nicht missbrauchen, um den öffentlichen Kulturbereich pauschal zu legitimieren. Kulturtourismus sei übrigens kein Bestandteil der Kulturwirtschaft, so Söndermann mit Nachdruck und kritischem Verweis auf gewisse Tendenzen in Kulturwirtschaftsberichten einzelner Länder.
 

Andere Bundesländer, andere Definitionen

Das darauf folgende Panel beschäftigte sich insbesondere mit Fragen der Zuständigkeiten zwischen den Ressorts beschäftigte und brachte mit Werner Agsten (Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr) und Hajo Cornel (Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg) Beispiele,
wie Bundesländer unterschiedlich den Zuschnitt festlegen und damit auch Einfluss auf die Deutung und Umsetzung von Kulturwirtschaft nehmen. Dennoch gibt es überall Arbeitskreise, die andere Ressorts einschließen. Cornel fiel auf, welch seltsame Blüten die Diskussion zum Thema inzwischen treibt, gerade was den Umgang auf Bundesebene betrifft, wo leider keine Wirtschaftspolitiker, sondern ausschließlich Kulturpolitiker sich angesprochen fühlen und eher aus legitimatorischen Gründen das Thema weiterführten. Man müsse genauer die Handlungsfelder benennen, auf die man sich beschränken müsse, so Cornel. Florian Kömpel von der British Music Rights aus London schilderte die Beweggründe, die zur Gründung dieser Initiative geführt hatten. Sie schloss eine Lücke in der Interessensvertretung von Künstlern, nachdem bis dahin nur die Tonträgerindustrie Lobbyarbeit bei der Regierung betrieb. Bildungs-, Finanz-, Wirtschafts- und Kulturministerien arbeiten im Vereinigten Königreich viel stärker zusammen, da die Creative Industries dort inzwischen laut jüngster Studie von Juli 2007 immerhin 7,3 % des Bruttoinlandsprodukts ausmache. Quick Start Music heißt ein neues Programm, das mit Pilotprojekten Talente unter jungen Menschen finden soll, die in der Kreativbranche ihre Zukunft sehen.
 

Existenzförderung mit anderen Mitteln

Die nächsten beiden Gesprächsrunden bildeten nicht nur den Abschluss, sondern auch den Höhepunkt des Kongresses, da hier wie selten zuvor der Kern des Themas berührt wurde und die Referenten mit klugen Einschätzungen, aber auch Empfehlungen für wichtige Erkenntnisse sorgten. Dr. Birgit Mandel (Universität Hildesheim) leitete die Runde ein. Kulturpolitik bekäme ein neues Rollenverständnis - weg vom Anbieter hin zum Moderator. Bertram Schultze von der Leipziger Baumwollspinnerei schilderte die Entwicklung dieses Geländes im ehemaligen Industriestadtviertel der Stadt, deren Betreibergesellschaft Angebote für die Kreativunternehmen schafft. Dabei sei ihm wichtig gewesen, auch die Mieter durch längerfristige Verträge in die Pflicht zu nehmen. Geschickt könne man mit dem doppelbödigen Begriff der Spinnerei umgehen. Die Finanzierung ist wie so häufig in diesem Sektor über andere Fördermöglichkeiten zustande gekommen, nämlich durch Mittel der Baudenkmalpflege oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, was einmal mehr beweist, dass bei der Kulturpolitik, wenn es um Innovationen geht, meist die Fördermittel ausbleiben und vielmehr in die Erhaltung des kulturellen Erbes fließen. Die Bekanntheit des ca. 8 Hektar großen ehemaligen Werksgeländes der größten Baumwollspinnerei Kontinentaleuropas wurde zweifellos durch die Künstler der Neuen Leipziger Schule, die in den ansässigen Galerien und Ateliers ihre Heimat gefunden und für internationale Furore im Kunstmarkt gesorgt haben. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Kulturunternehmen nach dem absehbaren Ende eines solchen Booms weiter entwickeln.
 

Kein Geld verteilen, sondern Potenziale wecken

Christoph Backes (Ideenlotsen, Bremen) stellte gleich zu Beginn seiner Ausführungen klar, dass sein Beratungsangebot für Gründer nicht darin besteht, Geld zu verteilen. Er gab damit - bewusst oder unbewusst- eine notwendige Replik auf den enttäuschenden Beitrag von Karin Drda-Kühn (Verein für Kultur und Arbeit, Mainz), die geradezu ausschließlich auf eine Forderung an die Kulturpolitik nach Geld abgestellt hatte, um kulturunternehmerisch tätig zu sein. Es wäre fatal, wenn dies das Entscheidende für den Erfolg einer solchen Unternehmung ist. Er riet dazu, vielmehr genau zuzuhören und künstlerisch- unternehmerische Potenziale zu entdecken, zu verstärken. Backes, der auch Initiator des Gründerzentrums Kulturwirtschaft in Aachen ist, nannte einige Fallstricke aus seiner Erfahrung von über 100 jungen Kulturunternehmen. Diese Beratung könne man seiner Meinung nach nicht institutionell anbieten. Es komme vielmehr auf Originalität und individuelle Betreuung an. Die Kulturunternehmer, so Backes, eint im Unterschied zu Kulturmanagern (er meinte offenkundig die angestellten Kulturmanager) die Bereitschaft, die eigene Existenz zu riskieren und persönliche Verantwortung zu übernehmen. Die Kulturunternehmer also sein Klientel - würden die Debatten dieser Konferenz einfach nicht verstehen.
 

Haben die Ausbilder schon reagiert?

Das abschließende Panel an einem langen ersten Kongresstag beschäftigte sich mit der Frage, wie der Ausbildungsbereich bereits auf den Bedarf an Kulturunternehmern
reagiert hat. Hier ragt das gute Beispiel des Career & Transfer Center der Universität der Künste in Berlin heraus, die sich dieser Aufgabe in besonderer Weise verpflichtet fühlt. Dies schließt, so die Leiterin Angelika Bühler, insbesondere Workshops ein. Diese Beratung und Weiterbildung stellt allerdings in den meisten Fällen ein dem Studium nachgelagertes Angebot dar, indem es Möglichkeiten des Arbeits- und Kulturmarkt aufzeigt und den Künstler in seinem Gang auf den Markt begleitet. Das Studium hat in aller
Regel diese beruflichen Perspektiven noch nicht aufgezeigt. Ungewöhnlich auch das Angebot der Kunsthochschule Weißensee, wo es in Person von Prof. Herbert Grüner einen wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstuhl gibt, der ökonomische Kompetenzen vermittelt.
 

Karrierezentren und ökonomische Kompetenzvermittlung

Dass Beispiele wie das Career-Center oder der genannte wirtschaftswissenschaftliche Lehrstuhl leider noch immer die Ausnahme sind, unterstrich anschließend Prof. Andrea Hausmann (Juniorprofessorin an der Europa-Universität Viadrina). Es müsse eben von der Leitung der Hochschule gewollt werden, und die jüngste Studie an ihrem Institut beweist, dass viele Rektoren von Kunst- oder Musikhochschulen noch immer ausschließlich ein künstlerisches Paradies erhalten wollen. Ein Karrierezentrum stört hier offenbar das Weltbild. Dass es auch anders gehe, zeigte jüngst auch das Beispiel der Hamburger Hochschule für Musik und Theater (siehe Interview mit Prof. Lampson im KM Magazin, August 2007). Prof. Grüner von der Kunsthochschule Weißensee ergänzte mit seiner Erfahrung: während anfangs des Studiums noch wenige Studierende ihre Absicht zur Selbständigkeit bekunden, nimmt diese Tendenz am Ende des Studiums deutlich zu. Die Realität ist dann doch der beste Ratgeber, um persönliche Einstellungen zu überprüfen und zu verändern. Die Kulturwirtschaft hat noch genug Potenzial, bedenkt man allein die große Nachfrage und hohe Bewerberzahl an Musik- und insbesondere Kunsthochschulen.
 

Abschlussdiskussion

In der Schlussdebatte konnte zunächst Hans-Joachim Otto (Vorsitzender des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag) den Abschlussbericht der Kultur-Enquete ankündigen, der in den ca. 1300 Seiten auch die Kulturwirtschaft behandeln wird. Otto nannte es ein positives Zeichen, dass erstmal fraktionsübergreifend ein Antrag zur Kulturwirtschaft in das Parlament eingebracht wurde. Vom Moderator Albrecht Göschel (ehemaliger Direktor des Deutschen Instituts für Urbanistik) auf bestehende Defizite angesprochen, nannte der FDP-Politiker das Fehlen eines Kulturwirtschaftsberichtes auf Bundesebene, "der zeigt, wo wir stehen". Darüber hinaus erwähnte er die Urheberrechtsreform, die eine "Dauerbaustelle" sei, sowie die Notwendigkeit, sich noch stärker mit der Frage der sozialen Absicherung der Künstler zu beschäftigen. Volker Heller (Leiter der Kulturabteilung in der Berliner Senatskanzlei) betonte, das die zentrale Frage sei, was der öffentliche Kulturauftrag eigentlich mit Kulturwirtschaft zu tun habe. Jörg Stüdemann (Kulturdezernat Dortmund) meinte, der derzeitige Hype um das Thema hänge erstens mit der rasanten Enwicklung im angloamerikanischen Raum zu tun, zweitens mit der Stadtentwicklung, und drittens mit der steigenden Zahlen der Beschäftigung in der kreativen Branche. Stüdemann zeigte auch, wie stark auf kommunaler Ebene Fördermaßnahmen unternommen werden, ohne dabei allein Dortmunder Beispiele zu nennen. Die kulturell-ästhetische Bildung sei im übrigen nicht angekommen im digitalen Zeitalter mit ihren neuen Formen der Kommunikation.
 

Förderung von Kreativclustern statt Einzelförderung

Olaf Zimmermann (Deutscher Kulturrat) nahm Bezug auf seine eigene frühere Tätigkeit als Kunsthändler, die es ihm ermögliche, umso klarer die notwendigen kulturpolitischen Strategien zu erkennen, deren es heute in der Kulturwirtschaft bedarf. Zimmermann führte als Beispiel den regelmäßigen Kampf für den Erhalt der reduzierten Mehrwertsteuer für kulturelle Leistungen, die meist zu Beginn jeder Legislaturperiode seitens des Finanzministers unter kritischer Beobachtung stünde. Er pries das System der Künstlersozialkasse, die praktisch die Subventionierung der kleinen Kulturwirtschaft durch die große bedeute. Bernd Fesel (Büro für Kulturpolitik und Kulturwirtschaft) machte deutlich, dass es wenig sinnvoll sei, mit starren Projektenden zu arbeiten. Kreativcluster zu fördern könne viel mehr bewirken als die Förderung einzelner Künstler. Unabdingbar sei eine Beschäftigung mit der Nachfrageseite. Wenn es in der Kultur schließlich so eine hohe Zahlungsbereitschaft gäbe wie für Autofelgen, so Fesel augenzwinkernd, hätten wir kein Problem. Einig war man sich in der Runde in der Kritik an einer pauschalen Förderung der Popmusik, wie jüngst geschehen, ohne Ziele zu definieren, was man damit erreichen wolle. Geradezu skandalös sei es, dass diese 1 Million Fördermittel zuvor in gleicher Höhe bei der Kulturstiftung des Bundes gekürzt wurden.
 

Fazit

Die Tagung hat gezeigt, dass eine inhaltliche Begleitung der Kulturpolitik in diesem Prozess zwingend erforderlich ist. Michael Söndermann hat völlig Recht: es ist ein großer Fortschritt, dass diese Erkenntnis bei der Kulturpolitik angekommen ist. Den Veranstaltern dieses Kongresses kommt das Verdienst zu, dies erstmal dargestellt zu haben. Unerwähnt blieben freilich Themen wie Migration, eine Entwicklung also, die inzwischen so manches etablierte Kulturangebot infrage stellt, weil sie auf immer weniger Nachfrage stößt. Die intensive Verdichtung mit Vorträgen von 43 Referenten mag zwar anspruchsvoll gewesen sein, aber es ist eben mühsam, zu Wahrheiten zu gelangen. Man darf davon ausgehen, dass in Berlin bald eine Fortsetzung folgt. Dann darf der Anteil an Vertretern der Wirtschaft gern höher sein - auf dem Podium ebenso wie im Plenum.
 
Foto: Jan Sobottka, www.catonbed.de
 

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