22.12.2008

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick "Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und Kultur" 2008

Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Kultur

Die Regionalgruppe Sachsen der Kulturpolitischen Gesellschaft entwickelt sich mehr und mehr zur ersten Adresse für den direkten Austausch zwischen Kulturschaffenden. Mit drei hervorragenden Referenten lud man am 29. 11. zu einem Praxisworkshop zum Thema Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und Kultur, der alle Erwartungen übertraf und selbst grundlegenden Sinnfragen nachging.
Bisher ist die Regionalgruppe vor allem mit dem Kulturpolitischen Salon in Leipzig an die Öffentlichkeit gegangen. An brisanten kulturpolitischen Themen ist die sächsische Metropole ja wahrlich reich gesegnet. Turbulente Monate waren es - allein die Oper und das Schauspielhaus füllte die Schlagzeilen weit über den Kulturteil der Zeitung hinaus. Wie viel an Streitkultur im Kulturstreit zwischen Tradition und Moderne noch übrig ist, durfte sich zu diesem Zeitpunkt der neutrale Beobachter immer häufiger fragen.
 
Da ist es ganz wohltuend, wenn es Veranstaltungen gibt, die zu höheren Erkenntnissen führen. Dies war beim Praxisworkshop mit rund 30 Teilnehmern der Fall. Der auf den ersten Blick sperrige Begriff des Wissenstransfers erwies sich als klug gewählt, weil er viele Lösungen für Fragen im heutigen gesellschaftlichen Leben bietet. Kernpunkt war dabei die kritische Betrachtung von Kooperationsprojekten zwischen Wirtschaft und Kultur. Hierbei geht es, wie Christoph Schwarz vom Center for Corporate Citizenship aus Ingolstadt verdeutlichte, um weit mehr als Sponsoring. Neben dem bekannten, auf Uneigennützigkeit basierenden Mäzenatentum, den immer zahlreicher werdenden Stiftungen sowie Partnerschaften zwischen öffentlicher Hand und privaten Unternehmen (Public Private Partnership) zählen Ehrenamtsprogramme, Cause related Marketing, Secondment und Kulturpatenmodelle dazu. Für die meisten Modelle gibt es hierzulande bereits Beispiele. So steht die Aktion der Brauerei Krombacher zur Rettung des Regenwaldes klassisch für "Cause related Marketing", also der Verbindung klassischer Werbung mit einem guten Zweck. Bei Ehrenamtsprogrammen engagieren sich Mitarbeiter auf Initiative des ganzen Unternehmens für soziale bzw. kulturelle Projekte. Die Firma Mont Blanc hatte erst kürzlich für ihr Engagement einen der drei Deutschen Kulturförderpreise erhalten (KM berichtete). Der Rollentausch von Mitarbeitern, die für eine befristete Zeit einer Kultureinrichtung quasi als professionelle Leiharbeiter helfen (sekundieren), ist hingegen sehr selten anzutreffen, birgt aber riesige Potenziale. Einerseits könnte diese Form der Förderung dem Personalmangel an Kultureinrichtungen begegnen. Andererseits gewinnen diese Kultureinrichtung gleichzeitig wichtige Kompetenzen hinzu, z.B. für die Buchhaltung oder bei der Einführung neuer Ticketingsysteme. Es entstehen damit beachtliche Geld werte Vorteile. Als Beispiele für das Secondment wurden u.a. das Engagement von KPMG bei der Erstellung eines Finanzierungskonzeptes für die Berliner Museumsinsel und der "Kunst-Käfig" der Sutter-Gruppe in Essen angeführt. Zur Veranschaulichung eines weiteren Modells zum Austausch zwischen Wirtschaft und Kultur reiste eigens Daniel Hoernemann aus Köln an. Er ist Gründungsmitglied der Kölner Kulturpaten, einem Verein, der Partnerschaften zwischen Unternehmen und Kulturprojekten befördert. Das Beispiel macht mehr und mehr Schule - inzwischen gibt es eine vergleichbare Initiative auch in Leipzig. Hoernemann verwies darauf, wie wichtig es sei, in einer solchen Partnerschaft das Unternehmen nicht als übergeordnet zu betrachten. Eine Gefahr übrigens, die auch beim Sponsoring besteht. Schließlich entstehen Gewinne auf beiden Seiten, die über den reinen Geldtransfer hinausreichen. Die Kulturpaten helfen vor allem dabei, die richtigen Partner zu finden und zusammenzubringen. Man wollte bewusst ein Signal setzen, um aufzuzeigen, dass sich nicht immer nur einige wenige Unternehmen engagieren. Kultureinrichtungen und -projekte, so die Botschaft von Daniel Hoernemann, machten häufig den Fehler, sich bei der Sponsorensuche auf die "üblichen Verdächtigen" zu beschränken. Allein Köln hat aber 60.000 Unternehmen! Ist dann der Kulturpate gefunden, gilt es, Nutzen und Ziele zu definieren. Auch hier lohnt es, sich Zeit zu lassen, damit Erwartungen sich wie gewünscht auf beiden Seiten einstellen. Dies unterstrich Christoph Schwarz aus Ingolstadt. Wenn aus einem Sponsoringengagement nach 2 oder 3 Jahren eine echte Partnerschaft entstanden ist, kann der Nutzen sogar auf eine dritte Phase ausgeweitet werden, bei dem die Gesellschaft von diesem Austausch zwischen Wirtschaft und Kultur profitiert. Dann spräche man von Corporate Citizenship.
Wo aber liegt nun konkret der Nutzen für Unternehmen? So gut ein einzelnes Sponsoring auch gelaufen sein mag - man hat vielleicht neue Kundengruppen hinzugewonnen - kann sich ohne eine Gesamtkonzept langfristig kein Erfolg einstellen. Es kommt darauf an, inwieweit man sich als Unternehmen glaubwürdig für soziale oder kulturelle Projekte engagiert (CSR und CCR, siehe KM Magazin vom Oktober 2008). Basierend auf der eigenen Unternehmenskultur, lassen sich durch einen Kulturpartner Effekte für das Mitarbeiterengagement, bei der Gewinnung von Know-how oder Multiplikatoren-Kontakte erzielen. Dies macht deutlich, dass sich CSR und CCR sowohl auf die interne Unternehmensorganisation (z.B. im Wissensmanagement oder der Personalentwicklung) als auch auf das Management externer Beziehungen (z.B. wachsendes positives Image) auswirken.
Dies konnte die dritte Referentin des Tages, Karen Stone aus Dallas, bestätigen. Die künftige Intendantin am Theater Magdeburg hatte in ihren zahlreichen beruflichen Stationen (u.a. Frankfurt a.M., London, Köln, Graz) mit unzähligen Mäzenen und Sponsoren zu tun, die sie für die Unterstützung des jeweiligen Theaters gewinnen konnte. Dabei wurde deutlich, dass Großsponsoren - und die waren bei ihr selbstverständlich Chefsache - kaum beim ersten Gespräch bereitwillig die Schatulle öffnen. Stone verdeutlichte in erfrischend lebendiger Art, wie sie partnerschaftliche Beziehungen langfristig aufbaute. Die Erwartungen auf Seiten der Stadt sind an deutschen Bühnen meist hoffnungslos überzogen und auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet. Während ihrer Zeit als Intendantin in Dallas habe sie im ersten Jahr, so die Referentin augenzwinkernd, deutlich zugenommen, weil sie sich bis zu sechs Mal täglich in den Restaurants der Stadt mit Unternehmern traf. Im ersten Treffen wäre es nie um Geld gegangen, fügte Stone hinzu. In Magdeburg überwiegen nun zweifellos die Gespräche mit der Lokalpolitik: Bei 27 Millionen Jahresetat und gerade einmal 10% davon durch Ticketerlöse (in Dallas 45%) habe man eine riesige Verantwortung, was die Begründung für die anhaltend hohe öffentliche Kulturförderung betrifft. Zu recht frage sich der Steuerzahler, wo der gesellschaftliche Nutzen eines Theaters in der Stadt liegt, wenn er allein 80 Euro im Jahr zahle, ohne das er überhaupt das Theater besucht. Umso mehr gehe es für sie als Intendantin und ihre 450 künftigen Mitarbeiter darum, den nicht unerheblichen Nutzen darzustellen: der Wirtschaftsfaktor durch die Beschäftigung und Ausgaben z.B. im Bühnenhandwerk, für die Bürger und damit auch für Unternehmer, in einer kulturellen Stadt zu leben usw. Bei alledem sei für Stone wichtig, nicht zu betteln und das eigene Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Das gilt dann gleichermaßen gegenüber den Förderern auf staatlicher oder unternehmerischer Seite.
Auf einen geradezu philosophischen Zusammenhang ging Daniel Hoernemann bei seinem Referat am Vormittag ein, der weit über das praxisorientierte Anliegen der Veranstaltung hinausreichte und umso faszinierender, freilich aber auch diskussionswürdig war. Er selbst habe in seinem Leben Ausbildungsabschlüsse immer vermieden, weil er in ihnen eher berufliche Festlegungen oder Einengungen sah. Ihm ging es und da steht er sicher nicht allein um das Bauen von Brücken zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, die sich mit klassischen Ausbildungs- und Berufswegen aus seiner Sicht bisher nicht oder zumindest nur schwer erschließen. Der Wunsch nach mehr als nur gesichertem Einkommen treibt ihn wie viele andere Menschen an und führt zu den unmittelbaren Sinnfragen: wofür verwenden wir unser Leben? Gelingt es uns, einen zusätzlichen Zusammenhang über die materielle Dimension hinaus zu schaffen? Hieran knüpfte er sein Verständnis von Wirtschaft und Kultur. Sein Wirtschaftsbegriff war der eines Stabilisierungselementes (in diesen Tagen vielleicht besonders diskussionswürdig), wichtig und richtig zugleich, aber auch verdeutlichend, das Wirtschaft nicht in der Lage sein kann, die Sinnfrage im Leben zu stellen. Wirtschaft ist Macht und Kontrolle, Kunst hingegen Ohnmacht und Unberechenbarkeit. Kunst als transformatorischer Schaffensprozess - im Unterschied zum engeren Begriff vom Kulturbetrieb - öffnet Horizonte, bietet eine Möglichkeit zur Selbsterkenntnis, stellt Dinge in Frage und ist damit per se ein Unsicherheitsfaktor. Genau deswegen bedingen sich beide Dimensionen. Aber dies darf nicht dazu führen, dass man die Dimensionen von Wirtschaft und Kultur einseitig auf die handelnden Akteure überträgt. Kein Betriebswirtschaftler, so Hoernemann, sieht sich allein als Zahlenmensch. Schnell wird klar, wie sehr man gern in Schablonen denkt und daran scheitert. Und insofern lohnt es sich immer wieder, das System aufzubrechen, Risiken und damit Chancen einzugehen sowie neue Allianzen zwischen Wirtschaft und Kultur zu schließen. Die Veranstaltung in Leipzig am vergangenen Samstag schuf hier eine geeignete Form, die viele Erkenntnisse für ein noch weithin unerschlossenes Feld lieferte. Zweifellos ein zentrales Arbeitsfeld für Kulturmanager. Aber auch und gerade ein Betätigungsfeld für andere Brückenbauer in unserer Gesellschaft. Wir sind dringend auf diese Brücken angewiesen - gerade heute.
 

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