13.12.2007

Autor*in

Dirk Heinze
Kultur-Enquete des deutschen Bundestages

Neuer Bericht über "Kultur in Deutschland"

Am heutigen Donnerstag legt die Enquete-Kommission für "Kultur in Deutschland" dem Deutschen Bundestages ihren Bericht vor. Kulturmanagement Network berichtet live von der Debatte.
Die vorletzte Sitzung des Deutschen Bundestages in diesem Jahr steht heute vor allem im Zeichen der Kultur. Die Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" stellt dem Parlament ihren abschließenden Bericht vor. Die Gruppe der Experten haben allein 465 Handlungsempfehlungen an die Politik und die Gesellschaft insgesamt gerichtet. Der über 1000-seitige Bericht dokumentiert vor allem die Dichte und die Vielfalt der Kultur. Es wird darauf ankommen zu untersuchen, ob ein solcher Bericht die richtigen Fragen anspricht, um Kultur stärker in der Gesellschaft zu verankern, aber auch aufzuzeigen, wo sich der Kulturbetrieb selbst erneuern muss, um zukunftsfähig zu sein.

99 % Prozent dieser Handlungsempfehlungen seien, so Hans-Joachim Otto (FDP, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag) gegenüber dem TV-Sender PHOENIX, einvernehmlich zwischen allen Fraktionen gefunden worden. Deutschland könne sich, so Monika Grütters von der CDU an gleicher Stelle, als Kulturnation verstehen und seine weltweit einzigartige Dichte der Museen und Theater als Reichtum positiv nach außen tragen.
 
Gitta Connemann (CDU) leitete als Vorsitzende der Enquete-Kommission die Debatte ein. Dabei war bemerkenswert, dass sie es als Fehler ansehen würde, Kulturpolitik nur auf die Frage von Finanzierung und Förderung zu reduzieren. Der Staat sei vor allem gefordert, die richtige Rahmenbedingungen zum Schutz von Kunst und Kultur zu setzen. Der Kommission war es nach ihren Worten besonders wichtig, die wirtschaftliche und soziale Lage der Künstler zu untersuchen. Ohne sie gäbe es keine Kunst und Kultur in Deutschland.
 
Hans-Joachim Otto (FDP) betonte, dass es im Grundgesetz ein Staatsziel Kultur geben müsse. Hier sei es nicht hilfreich, weitere "wohlfeile" Wünsche wie dem Schutz der Kinder mit einem Staatsziel zu postulieren. Ihm sei es darüber hinaus wichtig, dass nicht Kultureinrichtungen dafür in der Praxis bestraft werden, Spenden einzuwerben, wenn es dazu führt, dass im gleichen Maße die öffentliche Förderung gekürzt werden. Indem solchen Einrichtungen die Spenden künftig ungeschmälert zugute kommen, sende man auch ein klares Signal an die Zivilgesellschaft.
 
Wie soll eine zeitgemäße Kulturpolitik definitiert werden und was soll sie leisten? Diese Frage beschäftigte Siegmund Ehrmann von SPD in seinen Ausführungen. Schwerpunkte müssten von Zeit zu Zeit überprüft und ggf. neu gesetzt werden. Er habe den Eindruck, dass vielerorts das Motto gelte "Einmal etaisiert, immer etaisiert". Das Beispiel Musikförderung zeige, dass es ein Mißverhältnis gäbe zwischen der finanziellen Unterstützung von Projekten oder Angeboten aus dem Bereich der klassischen Musik (15 Mill. Euro) und dem Bereich zeitgenössischer Musik (1,5 Mill. Euro). Ehrmann mahnte außerdem eine angemessene Vergütung der Urheber an.
 
Lukrezia Jochimsen (Die LINKE) zeigte eine divergente Perspektive zwischen Glanz und Elend auf. Glanzvoll sei die Liste der vielen Theater, Museen, Chöre oder vieler tausender Einrichtungen freien bürgerschaftlichen Engagements, aber auch die positive Entwicklung gerade aus Beschäftigungssicht im Bereich Kulturwirtschaft. Mit Elend sei nach ihrer Meinung die Einkommenssituation der Künstler zu beschreiben, die im Durchschnitt gerade 11.000 Euro im Jahr "verdienten" und damit weder heute noch im Alter ausreichend finanziell abgesichert zu sein. "Von Leistungsgerechtigkeit keine Spur", so Jochimsen nachdrücklich. Sie zitierte den Bundespräsident Köhler aus seiner Rede anlässlich der Wiedereröffnung der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek und forderte wie er, das Thema Bibliotheken endlich auf die kulturpolitische Tagesordnung zu setzen.
 
Undine Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) war wichtig, Kultur und Bildung zusammen zu denken. Kultur sei das "Trainingszentrum unserer Sozialisation" und damit existenziell auch zur Sicherung unserer Demokratie. Bei aller Freude um die deutlich gestiegenen Kulturausgaben des Bundes: nicht allein die Höhe der Ausgaben sei entscheidend, sondern auch, wofür das Geld verwendet wird. Kritik übte sie an die Länder, deren Kulturausgaben nominal sinken und kaum 2 % der Etats erreichten.
 
Dorothee Bär (CSU) strich in ihrer Rede die Themen Ehrenamt und der Zugang von Kindern oder Migranten zu Kultur heraus. Eine Handlungsempfehlung sei die Sprachförderung für Migranten, da die Sprachkenntnis eine wichtige Voraussetzung sei für die Teilhabe an kulturellen Angeboten und damit die Integration in die Gesellschaft zu ermöglichen.
 
Christoph Waitz (FDP) erwähnte die Vorbildfunktion des Kulturraumgesetzes des Freistaates Sachsen. Aber für Sachsen gelte wie für alle andere Bundesländer seiner Meinung nach, dass noch immer zu viel Potenzial unausgeschöpft bleibe, wenn es Kultur als Identitäts- und Wirtschaftsfaktor ginge. Anspruch der Enquete-Kommission war es nicht zuletzt, allen politischen Entscheidungsträgern aufzuzeigen, dass Kunst und Kultur ein Alleinstellungsmerkmal für Städte und Regionen sein könne.
 
Lydia Westrich (SPD) konnte plausibel veranschaulichen, wie sie als Finanz- und nicht Kulturpolitikerin die letzten vier Jahre sich vor Ort ein Bild verschafft und mit Kulturschaffenden gesprochen hat, um die Lage der Künstlerinnen und Künstler im Lande treffend beschreiben und daraus Handlungsempfehlungen an die Politik formulieren zu können. Die zunehmend befristete und damit unsichere Anstellung von Kulturschaffenden oder die Tendenz, Museumsmitarbeiter durch schlecht bezahlte Volontäre zu ersetzen, seien alarmierende Zeichen. Der Sparzwang der öffentlichen Hand darf nicht allein auf den Rücken der Künstler ausgetragen werden.
 
Roland Claus (Die LINKE) vermisste im Bericht Aussagen zu den Folgen der Teilung Deutschlands, die nach seiner Auffassung viel dazu beigetragen hat, dass auch die Kulturen sich voneinander entfernt hätten. Kulturleistungen von Autoren oder Musikern aus dem Osten Deutschlands würden nicht gewürdigt oder gar ignoriert.

Johann-Heinrich Krummacher (CDU) stellte noch einmal den Reichtum unserer Kulturlandschaft heraus. "Wir fangen nicht bei Null an", so Krummacher. Er erwähnte den Umstand, dass nach jüngsten Untersuchungen beide Kirchen hierzulande gar mehr für Kulturförderung aufbringen als die öffentliche Hand.
 
Sinkende Bevölkerungszahlen müssten nicht zwangsläufig den Rückbau kultureller Infrastruktur zur Folge haben, so Simone Violka (SPD). Sie überraschte sogar mit der wichtigen Erkenntnis, dass sich Kulturentwicklungsplanung nicht nur nach den Einrichtungen, sondern auch nach den Nutzern richten müsse. Dies machte etwas versöhnlich für die zahlreichen Vorreden, die sich häufig zu stark den Danksagungen an die Verfasser und der Zufriedenheit über den Reichtum an Kultur im Lande widmeten. Viele Redner erkannten offenbar nicht den Widerspruch zwischen der vergleichsweise immer noch hohen finanziellen Kulturförderung und der verhältnismäßig schwachen Partizipation von Kulturangeboten in der Gesellschaft. Es liegt eben auch an den Kultureinrichtungen selbst, hier ihr Selbstverständnis kritisch zu hinterfragen und deutlich mehr in Vermittlung statt Bewahrung zu investieren. Dies wird auch personelle Konsequenzen haben müssen, da mit vielen bestehenden Mitarbeitern dieser Paradigmenwechsel offenkundig nicht mehr zu bewerkstelligen ist.
 
Kulturmanagement Network wird sich in den nächsten Wochen im Detail mit dem Bericht der Enquete-Kommission auseinandersetzen.
 

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