05.03.2012

Autor*in

Arno Renggli
Buchpreisbindung

Der Leser hat es in der Hand

In zwei Wochen wird in der Schweiz über die Buchpreisbindung abgestimmt. Wir nutzen die Gelegenheit und schauen genauer zwischen die Buchdeckel. Wir blicken vom Ursprung des Buchs bis in seine digitale Zukunft. Und lesen Sie mehr über die Lieblingsbücher von prominenten Zentralschweizern.
Bücher sind etwas Wunderbares. Sie können Leserinnen und Leser in ein Abenteuer entführen, ihnen neue Welten eröffnen, sie weiterbringen. Einige von ihnen haben unsere Kultur und unsere Gesellschaft geprägt. Bücher können Identität stiften. Oder sie sind ganz einfach spannend. Bücher sind sinnlich, man kann sie anfassen. Sie haben oft schön gestaltete Umschläge und Typografien. Und manchmal sind sie auch digital. Da entfällt das eine oder andere Merkmal. Die Zeiten ändern sich. Aber es sind weiterhin Bücher, das Wichtigste ist ja der Inhalt.

Gedruckt und digital nebeneinander
Um das Buch wird derzeit ein grosses Theater gemacht. Nicht um ein bestimmtes, vielmehr um das Buch an sich. Es sei am Aussterben, wird prognostiziert. Und müsse folglich zum Beispiel staatlich geschützt werden. Vor allem die Vielfalt der Bücher wird als bedroht erachtet und ein Szenario suggeriert mit wenigen mächtigen Grossverlagen und Grossverteilern, die sich nur auf Bestseller konzentrieren. Bei alledem meint man zumeist das Buch in seiner bekannten physischen Form, also aus Papier, mit zwei Deckeln. Zwar stimmt es, dass der Buchverkauf etwa in der Schweiz seit einigen Jahren rückläufig ist. Etwa 7 Prozent betrug der Rückgang an gedruckten Exemplaren. Das Medienverhalten hat sich eben geändert, vor allem das Internet legt zu, etwa auch auf Kosten des Fernsehens, dessen Zuschauerzahlen im Grossen und Ganzen ebenfalls kleiner werden. Derweil steckt die Digitalisierung des Buchs in Europa, vergleicht man etwa mit den USA, noch in den Kinderschuhen. Aber sie wird kommen und neue Kundensegmente generieren. Das gedruckte Buch wird dadurch noch etwas weiter verlieren. Aber aussterben wird es nicht, einen schönen Teil der Bücher wird man weiterhin physisch haben wollen. Die Zukunft bietet ein Nebeneinander von gedruckt und digital.

Es gibt zu viele Bücher
Nun wird heute oft die Befürchtung geäussert, dass das Angebot an neuen Büchern schmäler wird. Doch real deutet nichts darauf hin. Noch immer ist der Stapel der Buchprospekte, die im deutschsprachigen Raum halbjährlich erscheinen, weit über einen Meter hoch und ist in den letzten Jahren nicht kleiner geworden. Keine Rede davon, dass zu wenig Bücher erscheinen, dass also die Auswahl zu klein ist.
Das Gegenteil ist der Fall: Neben vielen wunderbaren Neuerscheinungen staunt man immer wieder, wie viele schlechte oder einfach unnötiger Bücher herauskommen. Nicht nur im Bereich der Sachbücher, etwa der Lebenshilfe Ratgeber, wo gerne wiedergekäut wird oder oft ein einziger halbwegs plausibler Gedanke auf Hunderte von Seiten aufgeblasen wird. Auch bei den Romanen gibt es zwischen Selbstfindung und Serienkillern viel Langweiliges. Hinzu kommt, dass heute jeder ein Buch herausbringen kann. Und zuweilen hat man den Eindruck, es tut auch bald jeder. Darunter hat es auch Trouvaillen, keine Frage, und gegen ein demokratisiertes Autorentum ist im Prinzip nichts einzuwerfen. Aber die meisten dieser Bücher sind gut gemeinte Überflüssigkeiten. Die Möglichkeit von «Books on demand» gleicht den Castingshows, wo viele ihren Traum erfüllen wollen und es den allerwenigsten gelingt. Es gibt nicht zu wenig Bücher, es gibt eher zu viele. Und auch nicht zu wenig Autoren. Viele Menschen träumen davon, Buchautor zu sein. Sie sollen träumen. Aber daraus nicht den Anspruch ableiten, die Gesellschaft müsse kompensieren, was der Markt nicht tut: nämlich ihnen ein Auskommen sichern. Wird ein Buch von niemanden gelesen, dann will es offenbar niemand lesen.
Der Lyrikautor, der dieser Tage öffentlich vorgerechnet hat, wieviel jahrelange Arbeit in seinem neusten Bändchen steckt, beklagt sich zu Unrecht, dass sein Aufwand finanziell zu wenig honoriert werde. Im Gegensatz etwa zur unterbezahlten Krankenpflegerin ist niemand gezwungen, mit Lyrik seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Autor muss einfach hoffen, dass sein Produkt gut genug ist, um Käufer zu finden.

Neue Arten von Literaturkritik

Denn was wirklich gut ist, wird entdeckt werden. Es mag sein, dass die Anzahl der kleinen Verlage eher abnimmt. Tatsächlich leisten diese in der Selektion eingesandter Manuskripte und beim Entdecken von Talenten eine wichtige Arbeit. Aber heute gibt es auch andere Kanäle. Neben der klassischen Literaturkritik von Journalisten findet auch in der Meinungsmache eine Demokratisierung statt. Neues wird übers Internet promotet, in Foren, in Rezensionen von lesenden Usern, etwa auf den Verkaufsplattformen. Auch die Rolle der Buchhandlungen ist nicht mehr exklusiv. Tatsächlich kann die persönliche Beratung eines Buchhändlers wertvoll sein. Doch während dieser ja niemals alles gelesen haben kann, findet der Interessierte im Netz zu vielen Büchern eine Vielfalt an Informationen, wobei diese User-generierten Inhalte oft erstaunlich gut und kompetent sind. Kommt hinzu, dass auch die grossen Verlage, die derzeit gerne etwas verteufelt werden, mit ihrer Selektion und ihren Werbemöglichkeiten viel für gute Bücher tun. Sicher werden sie kommerzielle Aspekte offenkundiger berücksichtigen als die kleinen Verlage, denen man gerne mehr Bibliophilie attestiert. Aber gerade auch aus kommerzieller Sicht macht es Sinn, gute Bücher herauszubringen. Denn Bücherleser nicht dumm. Und die Gleichung, welche Erfolg mit Minderwertigkeit gleichsetzt, geht auch bei den Büchern nicht auf.

Kleines als Nährboden für Grosses
Bei alledem soll das Kleine weiterhin gedeihen können. Auch in der Literatur braucht es Räume für Experimentelles. Es braucht die Möglichkeit, dass neun Autoren es versuchen und nicht reüssieren, derweil der zehnte dann vielleicht etwas Aussergewöhnliches schafft.

Hier kommt der Literaturförderung eine wichtige Rolle zu, gerade auch auf regionaler Ebene. Immer wieder leisten die Jurys gute Arbeit, entdecken Aussergewöhnliches schon im Ansatz, ermöglichen mit einem finanziellen Zustupf eine Weiterentwicklung, die nicht immer, aber auch nicht selten, zu guten Büchern führt. Und mit grösseren Auszeichnungen wie dem Schweizer Buchpreis landet Literatur in den Bestsellerlisten, welche die Vielfalt dessen, was kommerziell erfolgreich ist, vergrössert. Man muss sich um die Literatur keine Sorgen machen. Der Markt wird sich verändern, die Herstellung, der Handel, das Leseverhalten. Aber es wird weiterhin genug interessante Bücher geben, programmierte Bestseller genauso wie Überraschendes. Und so wichtig die aktuelle Literatur ist, die das Zeitgeschehen und die Gesellschaft reflektiert: Es gibt auch noch unzählige Klassiker und Kostbarkeiten aus vergangenen Jahren. Lesen wird auch künftig eine unerschöpfliche Entdeckungsreise sein.

Heute kann jeder ein Buch herausbringen. Und zuweilen hat man den Eindruck, es tut auch bald jeder.

Gute Bücher machen auch kommerziell Sinn. Denn Bücherleser sind nicht dumm.

Was gibt es Schöneres, als in einem gemütlichen Sessel ein spannendes Buch zu lesen?

Neue Luzerner Zeitung, 24. Februar 2012
 
Mit freundlicher Genehmigung der Luzerner Zeitung
zur Veröffentlichung auf Kulturmanagement Schweiz!
 

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