21.02.2010
Veröffentlichung des Bundesverbands Musikindustrie

Die Gefahren einer Kulturflatrate

Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) hat ein Positionspapier mit zehn Argumenten gegen die Kulturflatrate veröffentlicht.
"Bei Diskussionen um das Urheberrecht in der digitalen Welt fällt immer wieder das Schlagwort von der Kulturflatrate, obwohl eigentlich niemand genau weiß, was damit genau gemeint ist", so Stefan Michalk, BVMI-GeschaÅNftsfuhrer. "Was von den Befurwortern als Lösung aller Probleme gesehen wird, wäre letztlich nichts anderes als die Kapitulation der Politik vor der Komplexität des Urheberrechts in der digitalen Welt", so Michalk weiter. Gemeint ist mit der Kulturflatrate meist eine Zwangsabgabe auf den Internetzugang, mit der Urheber und Kreative fur die illegale Nutzung ihrer Arbeit entlohnt werden sollen. Selten hat es ein derart unausgegorenes Konzept so schnell Karriere gemacht und es sogar in die Programme einiger Parteien geschafft. Zehn Argumente, warum die Kulturflatrate ein Irrweg ist:

1. Die Kulturflatrate ist unfair, weil Verbraucher fur etwas bezahlen, was sie gar nicht nutzen.

Heute kann der Konsument nach persönlichen Vorlieben entscheiden, ob er sein Geld lieber fur Musik, Filme, Bucher oder andere Kulturprodukte ausgibt. Dabei kann er bereits heute wählen, ob er einen einzelnen Song kaufen möchte oder lieber ein Musikabonnement abschließt. Mit der Kulturflatrate hat das ein Ende. Denn sie ist - ähnlich wie die GEZ - eine Zwangsabgabe, mit der Verbraucher fur etwas bezahlen mussen, dass sie unter Umständen gar nicht nutzen.

2. Die Kulturflatrate entzieht gerade den neuen digitalen Geschäftsmodellen die ökonomische Basis.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft arbeitet mit Hochdruck am Aufbau neuer, digitaler Geschäftsmodelle. Die Kulturflatrate wurde diese Anstrengungen torpedieren. Wenn im Internet Musik, Filme oder Bucher bei Zahlung einer Pauschalabgabe ohne Schranken frei verfugbar sind, gibt es fur Konsumenten keinen Grund mehr, die bestehenden legalen, kostenpflichtigen Angebote zu nutzen. Die ohnehin schon risikoreichen Investitionen bleiben aus, weil man mit "kostenlos" nicht konkurrieren kann.

3. Die Kulturflatrate fuhrt zu einer unverhältnismäßig hohen Belastung aller Konsumenten und benachteiligt sozial Schwache.

Mit fortschreitender Digitalisierung und zunehmendem Ausbau der Bandbreiten sind immer mehr Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft vom unrechtmäßigen Gebrauch ihrer Produkte betroffen. Eine Kulturflatrate musste mittelfristig nicht nur Musik, Filme oder Bucher erfassen, sondern wurde alle Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft betreffen. Nach Schätzungen der Bundesjustizministerin kämen auf jeden Verbraucher mit Internetanschluss zusätzliche Kosten in Höhe von 50 Euro pro Monat zu. Gerade sozial Schwache können sich das nicht leisten.

4. Die Kulturflatrate erfordert den Aufbau eines gigantischen Burokratie- und Verwaltungsapparates.

Ließ sich die Erhebung einer Kulturflatrate noch vergleichsweise einfach organisieren, fangen die Probleme bei der Verteilung der Gelder erst richtig an. Schon heute beschäftigen Verwertungsgesellschaften Heerscharen von Mitarbeitern fur die Erfassung, Bewertung und Verteilung von Lizenzeinnahmen. Die Kulturflatrate wurde diesen Verwaltungsaufwand gigantisch erhöhen. Während der Kulturflatrate viele attraktive Arbeitsplätze bei Labels, Verlagen oder Filmproduktionen zum Opfer fallen wurden, schafft sie gleichzeitig tausend langweilige fur die Verwaltung und Verteilung. Schöne neue Kreativarbeitswelt.

5. Die Kulturflatrate verflacht die Kultur.

Bei der Kulturflatrate ist ein Song aus dem Computer genauso viel wert wie Beethovens Neunte, ein Pornofilm das gleiche wie ein cineastisches Meisterwerk und der Groschenroman steht auf einer Ebene mit dem literarischen Klassiker. Weil fur die Abrechnung nur die Masse der Downloads zählt, entfällt jeder Anreiz Zeit und Geld in Nischenprodukte zu investieren. Die kulturelle Vielfalt nimmt ab. Die Kultur verflacht.

6. Die Kulturflatrate nimmt Urhebern und Kunstlern das Recht uber die Verwendung ihrer Werke selbst zu bestimmen.
 
Heute können Urheber, Kunstler, Autoren und andere Rechteinhaber frei daruber entscheiden, wie und wo ihre Werke und Produkte verwendet werden durfen. Sind im Internet alle Kulturguter auch nur fur den nicht kommerziellen Gebrauch frei nutzbar, kommt dies einer Enteignung der Rechteinhaber gleich. Denn wenn die Kulturflatrate Sinn haben soll, hat der Konsument keine Möglichkeit mehr zu unterscheiden, was legal und was unter Umständen illegal ist. Dementsprechend kann der Rechteinhaber sich auch nicht mehr dagegen wehren, wenn er nicht will, dass seine Produkte im Netz frei verfugbar sind.

7. Die Kulturflatrate widerspricht den ökonomischen Prinzipien unserer Gesellschaft.

Bestehende, markwirtschaftliche Prinzipien in der Kultur- und Kreativwirtschaft haben eine einzigartige kulturelle Vielfalt hervorgebracht. Wesentlicher Bestandteil einer freien Marktwirtschaft ist, dass der Produzent uber die Verwertung seiner Produkte frei entscheiden kann. So kann er beispielsweise uber den Preis frei entscheiden. Diese grundlegenden Prinzipien werden durch die Kulturflatrate außer Kraft gesetzt, denn mit der Einfuhrung der Kulturflatrate wird privates geistiges Eigentum zum öffentlichen Gut. Die Kulturflatrate ist die Verstaatlichung der Kultur- und Kreativwirtschaft.

8. Die Kulturflatrate verstößt gegen international geltendes Urheberrecht.
 
Die Kulturflatrate verstößt gegen wesentliche Prinzipien des international geltenden Urheberrechts. Gerade aber weil sie Probleme lösen soll, die erst durch das globale Medium Internet entstanden sind, ist sie als nationaler oder europäischer Alleingang völlig untauglich.

9. Die Kulturflatrate fuhrt zu einer Entwertung des geistigen Eigentums.

Durch Flatrates geht beim Konsumenten das Gefuhl fur den Wert individueller, kreativer Leistung verloren. Was beim Telefonanschluss oder Internetzugang sinnvoll sein mag, taugt nicht als ökonomisches Prinzip zur Erreichung von kulturellen Höchstleistungen.

10. Die Kulturflatrate wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Die Digitalisierung und das Internet haben die Komplexität des Urheberrechts enorm erhöht. Da erscheint die Kulturflatrate ähnlich wie die Steuerreform auf dem Bierdeckel als einfache Lösung einer zunehmend komplexer werdenden Welt. Aber der Schein trugt. Wer soll ihre Höhe festlegen? Wer legt fest, was ein Buch, ein Film, ein Musikstuck oder ein Foto wert ist? Wer entscheidet uber die Verteilung innerhalb der einzelnen Bereiche der Kreativwirtschaft? Wie soll die Nutzung gemessen werden, ohne beispielsweise den Internetverkehr zu uberwachen und damit datenschutzrechtliche Fragen aufzuwerfen? Welche Institution soll die Gelder verteilen? Wie bleiben die Eigentumsrechte der Urheber und Leistungsschutzrechtinhaber gewahrt? Wo sollen in Zukunft die Anreize fur Investitionen in junge Talente herkommen? Wer entscheidet daruber wer Kunstler und was Kunst ist und wer kein Kunstler und was nicht Kunst ist? Wer soll an ihr beteiligt werden, nur die Urheber und Kunstler oder auch Labels, Verlage und Produzenten? Die Liste dieser Fragen ließe sich endlos weiterfuhren. Stellt man sie den Befurwortern der Kulturflatrate, erntet man meist nur ein mudes Achselzucken. Bis sie beantwortet sind, bleibt die Kulturflatrate nur Floskel ohne Inhalt und kein nachhaltiges Konzept fur eine zukunftsfähige Kultur- und Kreativwirtschaft.
 
 

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