06.12.2021

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Digitale Bezahlformate im Museum

Wissen, Lernen, Vermittlung

Geht es um digitale bezahlpflichtige Angebote, ist das Publikum insbesondere bereit, für Lern- und Vermittlungsformate mit konkretem Mehrwert Geld auszugeben. Für Museen bedeutet das, sich auf ihre thematischen Expertisen auch unabhängig von Objekten zu besinnen und sich zu fragen, wie sie diese anwendbar weitergeben können.

Themenreihe Digitale Formate

"Mit Online-Angeboten lässt sich kein Geld verdienen." 
"Digitale Formate können den Kulturbesuch nicht ersetzen." 
"Die Menschen haben keine Lust auf noch mehr Streams."
 
"Die Leute reißen uns die Tickets für unsere Online-Führungen quasi aus den Händen."
"Die Touren sind ausgebucht, sobald wir sie auf unseren Social-Media-Kanälen bewerben."
"Die Menschen freuen sich, dass sie jetzt Museen besuchen können, zu denen sie sonst vielleicht nie hätten reisen können."
 
Wie lassen sich diese völlig konträren Aussagen von Museumsschaffenden zu den Entwicklungen während der pandemiebedingten Schließungen erklären? Und was können Museen aus den Erfahrungen anderer Häuser mit bezahlpflichtigen Online-Formaten während der letzten Monate lernen?
 
Kostenfrei vs. ohne Kosten
 
Online-Angebote monetarisieren zu können oder gar zu müssen - diese Idee gab es vor der Pandemie in den meisten öffentlich finanzierten Kultureinrichtungen in Deutschland nicht. Als ich vor etwa einem Jahr begonnen habe, nach bezahlpflichtigen digitalen Kulturformaten zu recherchieren, war außer einigen wenigen Angeboten von Orchestern und Theatern so gut wie nichts zu finden. Und dass, obwohl neue Monetarisierungsstrategien bspw. für die Finanzierung von Digitalisierungsaufgaben schon vor der Pandemie zunehmend relevant wurden. 
 
Gerade im GLAM-Sektor herrschte jedoch eher die gegenteilige Einstellung: In den letzten Jahren gab es hier einen starken Schub in Richtung der freien Verfügbarkeit von digitalisiertem Kulturerbe. Diese Entwicklung ist absolut wichtig und berechtigt, um neue Zugänge zu schaffen. Sie benötigt aber eine differenzierte Betrachtung: Zum ersten schließen sich kostenfreie und kostenpflichtige Angebote nicht aus, sondern können sich ergänzen. Zum zweiten hängen Preise eng mit Wertschätzung zusammen. Und zum dritten kann nur kostenfrei sein, was bereits auf anderem Weg finanziert ist - und angesichts der sinkenden Kulturfinanzierung in Folge der Pandemie dürfte dies in den nächsten Jahren auf immer weniger Einrichtungen zutreffen, bei gleichzeitig wachsendem Aufgaben- und Erwartungsspektrum. 
 
In den letzten Monaten ist nun eins sehr deutlich geworden: digital bedeutet nicht zwangsläufig kostenlos oder gar ohne Kosten. Während das Wissen darüber vor der Pandemie beim Publikum noch nicht vorhanden gewesen zu sein scheint, ist es umso wichtiger, dass Einrichtungen wie Publikum heute bewusst ist, dass z.B. freiberufliche Pädagog*innen auch mit digitalen Angeboten Geld verdienen müssen und dass Technik, Streaming usw. finanzielle und zeitliche Aufwendungen bedeuten. So sind in fast allen Kultursparten und gerade in Museen zahlreiche Beispiele für kostenpflichtige Online-Formate entstanden, aus denen sich auch Erkenntnisse und Learnings darüber ableiten lassen, wie digitale Formate langfristig zu einer Einnahmequelle werden können. 
 
Wertschätzung
 
Viele Kultur- und Museumsschaffende sehen digitale Angebote nicht als gleichwertig zu den Angeboten vor Ort und erklären das mit den Besuchserlebnissen des Publikums. Die Besucher*innen werden jedoch nur selten gefragt, ob das tatsächlich ihre Perspektive ist oder welche Arten digitaler Angebote für sie interessant wären. 
 
Entsprechend groß ist mitunter die Überraschung darüber, dass gerade im Museumsbereich kostenpflichtige digitale Führungen stark nachgefragt werden, besonders wenn diese auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind. So bietet beispielsweise das Neanderthal Museum Mettmann Gruppentouren für Schulklassen und Abiturient*innen an, die an Themen des Lehrplans ausgerichtet sind oder der Abiturvorbereitung dienen. Dafür musste das Haus sogar einen eigenen Online-Shop und eine Anbindung an einen Ticketdienstleister einrichten, um die hohe Nachfrage abwickeln zu können. Hinzukommen Führungen für Kinder, für Familien, zu speziellen Themen usw. Hier ist bspw. das Museum Barberini in Potsdam sehr aktiv. Manche Museen, vor allem in Großbritannien, bieten sogar an, Führungen für Gruppen zu Wunschthemen zu konzipieren, und erheben dafür entsprechend höhere Preise. 
 
Gemeinhin sind diese digitalen Angebote etwas günstiger als diejenigen vor Ort, eignen sich aber durchaus für zusätzliche Einnahmen über die Kosten für Technik und Mitarbeiter*innen hinaus. Die Preise liegen in der Regel zwischen 5 bis 10 Euro für Einzelteilnehmer*innen und zwischen 100 und 300 Euro für Gruppen von etwa zwanzig Personen. 
 
Die Nachfrage zeigt also, dass das Publikum digitale Angebote durchaus zu schätzen weiß und bereit ist, dafür Geld auszugeben. 
 
Lernen, lernen, lernen
 
Schaut man sich Studien dazu an, welche digitalen, kostenpflichtigen Kulturformate am stärksten nachgefragt werden, liegt ein Thema ganz vorn: Lernen. Das ist sicherlich einer der Gründe, warum Museumsführungen besser funktionieren als etwa Formate der Darstellenden Künste. Auch international und in anderen Kultursparten sind vor allem Trainings und Seminare erfolgreich. Hierfür müssen sich Kultureinrichtungen auf ihre Expertisen besinnen und sich fragen, wie sie diese praktisch und anwendbar an das Publikum weitergeben können, beispielsweise in Form von:
 
  • Tanz-, Fitness-, Mal- oder Schauspielkursen für Interessierte;
  • Stimm- und Sprechtrainings, Kursen zu Recherche- und Präsentationsfähigkeiten oder zu hilfreichen Inhalten für bestimmte Berufsgruppen;
  • Kursen zu Kunstgeschichte, Musiktheorie usw. für Studierende;
  • praktischen Trainings für Pädagog*innen und Vermittler*innen;
  • Kursen für Eltern zu kreativen Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder;
  • Kursen zu historischen oder kulturspezifischen Handwerken, zum Schneidern, Kochen usw. als Hobbies. 
Kultureinrichtungen und vor allem Museen auf der ganzen Welt haben bereits solche kostenpflichtigen Schulungen und Kurse entwickelt (z. B. das Victoria & Albert Museum in London, das Metropolitan Museum in New York oder auch das Museum Barberini in Potsdam). Die Preise sind abhängig vom Umfang des Kursangebots und können für einen Kurs durchaus bei 100€ pro Person und mehr liegen. Dennoch sind solche Formate häufig ausverkauft, vor allem wenn sie genau auf die Bedarfe einer bestimmten Zielgruppe zugeschnitten sind. Die Barnes Foundation in Philadelphia hat im vergangenen Jahr mit solchen Kursen mehr als 600.000 US-Dollar verdient, mehr als doppelt so viel wie mit den Präsenzkursen in den Vorjahren. Viele Institutionen bieten für solche Kurse zudem zusätzliche Sets an, die den Teilnehmer*innen nach Hause geliefert werden, zum Beispiel mit Mal- und Bastelmaterialien, und die eine weitere Einnahmequelle darstellen können.
 
Über Liveführungen hinaus beginnen erste Museen wie das Neanderthal Museum auch über bezahlpflichtige on-demand-Videos zu besonders gefragten Themen in verschiedenen Sprachen nachzudenken. Sie möchten sich so den Vorteil der geographischen Grenzenlosigkeit digitaler im Vergleich zu analogen Angeboten zunutze machen. Ähnlich wie bei Kursen geht es auch hier primär um den Lerneffekt. Und im Gegensatz zu Liveführungen und -kurseinheiten müssen die Inhalte nur einmal produziert werden, die Erlösraten sind also höher.
 
Bezahlmodelle
 
Die meisten Kultureinrichtungen, die kostenpflichtige digitale Formate anbieten, setzen auf Einmalzahlungen. Abonnement-Modelle gibt es kaum, obwohl die Regelmäßigkeit der Einnahmen einen großen Vorteil darstellt. Besonders vielversprechend scheinen Abonnements dabei für aufeinander aufbauende und ergänzende Trainings- und Ausbildungsformate, aber auch für geschlossene Veranstaltungsreihen und spezielle Inhalte. 
 
Ein weiterer Finanzierungsansatz ist Pay what you want. Wie erste Versuche aus den darstellenden Künsten gezeigt haben, ist es dabei absolut notwendig, mit einem Mindestbetrag zu arbeiten. Der Aspekt der Kostentransparenz kann zudem eine wichtige kommunikative Rolle spielen. Pay what you want generiert jedoch meist keine großen Summen pro Kauf und lohnt sich daher nur für Formate mit geringen Kosten. Durch den niedrigschwelligen Zugang können Kultureinrichtungen damit jedoch eine besonders hohe Publikumsreichweite erzielen. So hat das LWL-Museum für Archäologie Westfälisches Landesmuseum in Herne Pay what you want-Gutscheine für digitale Führungen im vergangenen Jahr speziell als Weihnachtsgeschenke angeboten. Solche Aktionen eignen sich sehr gut, um die Preissensibilität und Zahlungsbereitschaft für bestimmte digitale Formate zu erkunden, bevor man Preise festlegt. Zudem können Kultureinrichtungen damit ähnlich wie bei Freemium - einer Kombination aus kostenlosen Basis- und kostenpflichtigen Premiumangebote - ihre on-demand-Videos nochmals monetarisieren. In diesem Modell würden die User*innen für Liveformate feste Preise zu zahlen und könnte für die on-demand-Videos zu diesen Liveformaten selbst einen für sie angemessenen Preis festlegen.
 
Grundsätzlich müssen Museen und andere Kultureinrichtungen sich klar machen, dass sie online in einem deutlich größeren Wettbewerb zueinanderstehen. In den meisten Orten gibt es nur eine übersichtliche Anzahl an Kultureinrichtungen und -angeboten, zwischen denen Menschen wählen können. Online hingegen steht ihnen fast alles zu Verfügung. Gerade Museen zu Spezialthemen erfreuen sich hier großer Beliebtheit. Schwieriger ist es hingegen für Museen zu stadt- oder regionalhistorischen Themen, deren Inhalte eher für ein kleineres Publikum von Interesse sind. Schulische oder pädagogische Angebote können aber auch hier für zusätzliche Einnahmen sorgen. Hier herauszustechen, beispielsweise durch die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Nutzer*innen, oder miteinander zu kooperieren, ist also essenziell. Im Sommer zum Beispiel interessieren sich die Leute vielleicht weniger für digitale Formate - aber irgendwo auf dem Globus ist immer Winter. Warum das nicht nutzen? 
 
Fazit
 
Bezahlte digitale Formate sind da, um zu bleiben - so sieht es zumindest derzeit aus. Welche Anziehungskraft genau sie noch haben werden, wenn die Menschen Kultureinrichtungen wieder besuchen können, ist jedoch schwer abzusehen. Doch in jedem Fall hat das letzte Jahr gezeigt, wie Menschen Online-Formate schätzen und nutzen und dass zwischen Ablehnung und Begeisterung viele Facetten liegen können. Dabei werden gerade Lern- und Trainingsformate oder spezielle digitale Inhalte sicherlich ihre derzeitige Wertschätzung behalten, insbesondere, aber nicht nur für Menschen, die nicht in der Lage sind, bestimmte Kultureinrichtungen selbst zu besuchen. 
 
Eine Grundvoraussetzung dafür ist, digital nicht nur physische Erlebnisses vermarkten zu wollen, online also nicht als Ersatz für Kulturbesuche zu verstehen, sondern eigene Online-Erlebnisse und Mehrwerte zu schaffen. Letztlich geht es um die Frage, welche Erwartungen Kultureinrichtungen an digitale Formate haben. Was ist das finanzielle Ziel? Soll das Stammpublikum im Digitalen erreicht werden? Oder geht es darum, neue, digitale Besucher*innen zu gewinnen - und diese als digitale Besucher*innen vollwertig anzuerkennen?
 
Literatur
 
 
Dieser Beitrag erschien zuerst in Standbein Spielbein Nr. 116. Der Originalartikel ist hier zu finden.

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