23.06.2022

Themenreihe klimafreundlich

Autor*in

Vera Hefele
ist Kultur- und Transformationsmanagerin. Vor der Gründung von WHAT IF im Jahr 2020 war sie u.a. beim Ensemble Musikfabrik, an der Oper Köln, bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks und an der Bayerischen Staatsoper tätig. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen.
Teresa Trunk
ist Betriebswirtin, Kultur- und Transformationsmanagerin. Sie arbeitete u.a. beim Jazzlabel ACT Music und der Künstleragentur Künstlersekretariat am Gasteig. Im Jahr 2020 gründete sie mit Vera Hefele das Projektbüro für nachhaltige Kultur. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen. 
Klimabilanzierung im Theater

Klimabilanz – fertig – los!

Das Projektbüro WHAT IF hat die Klimabilanz des Theater Regensburg erstellt, die Anfang März 2022 veröffentlicht wurde. In diesem Beitrag geben Vera Hefele und Teresa Trunk, die Gründerinnen des Projektbüros, einen Einblick in das Thema Klimabilanzierung und beschreiben die notwendigen nächsten Schritte im Regensburger Prozess.

Themenreihe klimafreundlich

Der Begriff der Klimaneutralität ist in aller Munde. Deutschland, einzelne Städte und mittlerweile auch Kulturinstitutionen haben sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt klimaneutral zu werden. Dabei heißt klimaneutral nicht, gar keine Emissionen zu verursachen, sondern maximal so viele, dass diese von der Erde wieder aufgenommen werden können. Bei unserem derzeitigen globalen Ausstoß gelingt das nur mit einem ehrlichen Reduktionsprozess, an dessen Ende wirklich nur unvermeidbare Emissionen über Klimaschutzprojekte an anderer Stelle kompensiert werden. 
 
Wenn das Ziel Klimaneutralität heißt, muss natürlich die erste Frage lauten: Wo stehen wir jetzt? Und wie viel müssen wir daraus resultierend reduzieren? Denn: Man muss wissen, wo man steht, bevor man festlegen kann, wo man hin will.
 
Die Erstellung einer Klimabilanz (auch: CO2-Bilanz) ist ein Instrument, um den Status quo aller Emissionsquellen eines Kulturbetriebs zu erfassen, zu quantifizieren und zu analysieren. Sie bildet also die entscheidende Basis für einen strategischen Nachhaltigkeitsprozess, der am Dreiklang Vermeidung, Reduktion und Kompensation ausgerichtet sein sollte.
 
Was zeigt eine Klimabilanz?
 
Eine Klimabilanz erfasst die Treibhausgasemissionen (CO2e) in den sog. betriebsökologischen Bereichen. Bei Kultureinrichtungen zählen dazu u.a. Strom, Wärme und Kühlung, Wasser und Abwasser, Mobilität (Mitarbeitende, Gastkünstler:innen, Publikum), Transporte. Sie macht dadurch sichtbar, wo die größten Emissionsquellen einer Einrichtung liegen, welche dementsprechend die größten Stellschrauben sind, um den eigenen Fußabdruck zu senken. Auf dieser Basis kann man den Nachhaltigkeitsprozess strategisch aufbauen und gezielt Maßnahmen entwickeln und umsetzen, die zu Emissionsreduktionen führen. Die Bilanz ist im Grunde wie ein Haushaltsbuch: Was haben wir wo ausgegeben und wie viel in der Summe? Im anschließenden strategischen Planungsprozess wird festgelegt, wie man in den einzelnen Bereichen reduzieren und 
vermeiden kann.
 
Eine kontinuierliche Bilanzierung (z.B. jährlich) fungiert als Kontrollinstrument, um die Wirksamkeit der Maßnahmen feststellen und den festgelegten Reduktionspfad einhalten zu können.
 
Klimabilanz des Theater Regensburg
 
Die Stadt Regensburg hat sich als Kommune Klimaziele gesteckt: Bis 2030 soll die gesamte Stadtverwaltung, bis 2035 auch die städtischen Töchter klimaneutral sein. Im Rahmen des "Green Deals" hat die Stadt Strukturen geschaffen, um die Energiewende zu schaffen und die Klimaziele zu erreichen. Das Theater Regensburg sieht sich als öffentlich gefördertes Haus besonders in der Verantwortung, seinen Beitrag zu einem nachhaltigen Umgang mit den begrenzten Ressourcen dieser Welt zu leisten und möchte als Vorreiter der Stadtgesellschaft für die Erreichung der (städtischen) Klimaziele vorangehen. In der Spielzeit 21/22 starteten sie einen umfassenden Nachhaltigkeitsprozess, in dessen Analysephase wesentlicher Bestandteil die Erstellung der ersten Klimabilanz des Hauses war. 
 
Die Bilanzierung der Treibhausgasemissionen erfolgte auf Basis des Greenhouse Gas Protocols (GHG), dem international am weitesten verbreiteten und anerkannten Standard für Klimabilanzierung. Zur Bestimmung der Treibhausgasemissionen des Theaters wurden Betriebsdaten der letzten vollständigen Spielzeit vor Corona (2018/19) herangezogen. Die Sammlung der Daten stellt üblicherweise kein Problem dar, da sie z.B. in Form von Abrechnungen vorliegen. Anders verhält es sich mit Daten zur Mobilität wie z.B. der Mitarbeitenden oder des Publikums, die von den meisten Einrichtungen in der Regel nicht laufend erhoben werden. Das war auch am Theater Regensburg der Fall, weshalb wir in der Spielzeit 2021/22 eine Publikums- sowie eine Beschäftigtenbefragung durchgeführt haben, um auch diese Daten in die Klimabilanz einbeziehen zu können.
 
Emissionsquellen identifizieren
 
Die verschiedenen Emissionsquellen, die in einer Klimabilanz abgebildet werden, werden in sogenannte Scopes (Scope 1-3) eingeteilt, die, etwas vereinfacht gesagt, die Beeinflussbarkeit anzeigen. Je höher der Scope, desto geringer die direkte Beeinflussbarkeit auf die Reduktion der Emissionen durch den:die Verursacher:in. Beispielsweise beim Thema Mobilität, das in Scope 3 abgebildet wird, kann das Theater Regensburg nur indirekt beeinflussen, wie das Publikum zu den Vorstellungen anreist und das Verhalten z.B. durch das Setzen bestimmter Anreize versuchen, in die gewünschte Richtung zu lenken. 
 
 
Interessant ist dann vor allem, sich die Emissionen aufgeschlüsselt nach den einzelnen Quellen anzuschauen:
 
 
Das Diagramm bildet die Emissionen aller Scopes ab: Die Bereiche Energie (Strom und Wärme) und Mobilität (Mitarbeiter:innen und Publikum) machen dabei den größten Anteil an der Bilanz aus. 
 
Insgesamt emittierte das Theater Regensburg 1.173,48 t CO2-Äquivalente. Zum Vergleich: Das sind in etwa so viele CO2e-Emissionen, wie wenn Sie 367 Mal von München nach New York und zurück fliegen würden. Umgerechnet auf jedes verkaufte Ticket ergibt sich ein Wert von 7,10 kg CO2e. Die Produktion eines Baumwoll-T-Shirts verursacht im Vergleich dazu durchschnittlich 4,3 kg CO2e. Durch die Umstellung auf Ökostrom wurde in der Zwischenzeit bereits ein großer Schritt zu einem klimafreundlicheren Betrieb in Scope 2 eingeleitet. Maßnahmen, die den Stromverbrauch insgesamt senken, werden folgen. Auch beim Thema Mobilität gilt es nun durch verschiedene Maßnahmen eine Reduktion der Emissionen zu erreichen. 
 
 
Ein gutes Beispiel ist dafür die Publikumsmobilität. Knapp 50 Prozent der befragten Besucher:innen kommen aktuell mit dem Auto zu den Vorstellungen, obwohl alle Spielstätten sehr gut an den ÖPNV angeschlossen oder mit dem Fahrrad erreichbar sind. Da die Erhebung im November 2021 durchgeführt wurde, also noch in den "Hochzeiten” der Pandemie, hat sicherlich auch dies dazu geführt, dass die Nutzung des ÖPNV gemieden wurde und das Fahrrad sich in den kalten Monaten nicht jeden Tag als geeignetes Verkehrsmittel anbietet. Jedoch ergab sich aus der Befragung auch, dass 36 Prozent der Befragten gar nicht wussten, dass das ÖPNV-Ticket im Eintrittspreis enthalten ist. Das ist eine wichtige Erkenntnis und bisher ungenutztes Potenzial, um die Besucher:innen mit einem verhältnismäßig geringem Aufwand durch verschiedene Kommunikationsmaßnahmen aktiv auf den ÖPNV hinzuweisen und zur Nutzung zu motivieren.
 
Natürlich sind nicht alle Maßnahmen so einfach umzusetzen wie dieses Beispiel, aber trotzdem können viele Potenziale durch einen relativ geringen Aufwand ausgeschöpft werden, z.B. die Anschaffung von Lastenrädern für innerstädtische Transporte. Für das Theater Regensburg war die Klimabilanz ein wertvoller Schritt, um den eigenen Betrieb einmal grundlegend zu durchleuchten und datenbasiert sichtbar zu machen, wo die verschiedenen Stellschrauben für das weitere Vorgehen liegen. 
 
Was jetzt? Was bedeuten die Ergebnisse?
 
Wir werden oft gefragt: "Sind wir jetzt schlecht?" Die Angst vor den Zahlen und dem damit einhergehenden Schuldgefühl ist nachvollziehbar und möglicherweise ein natürlicher Reflex in unserer Welt, in der gerne Schuldzuweisungen ausgesprochen werden. Aber Schuldgefühle bringen uns nicht weiter. Natürlich sind unser aller Emissionen zu hoch, sonst wären wir nicht an dem Punkt angelangt, an dem wir stehen. Doch die Ergebnisse einer Klimabilanz sollten weder als schlecht noch als gut, sondern als Startpunkt und Richtungsweisung gesehen werden, um von da kontinuierlich und ernsthaft an einer Emissionsreduktion zu arbeiten. 
 
Denn genau das ist der entscheidende Punkt: Dass der erste Schritt, die Erstellung der Klimabilanz, nicht der letzte ist, sondern daraus der Transformationsprozess zu einer nachhaltigen Kultur(-produktion) und damit auch zu nachhaltigen Institutionen entsteht. Dieser findet nicht nur datenbasiert statt, sondern es bedarf auch eines Wandels unseres Denkens und Handelns bei allen Mitwirkenden und auf allen Ebenen einer Organisation. Diesen Prozess tatsächlich zu gehen - also ins Handeln zu kommen -, ist der eigentliche "Erfolgsfaktor" dafür, ob die nachhaltige Transformation gelingt. Im nächsten Schritt muss es um die Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen gehen. Das erfordert Zeit, Durchhaltevermögen und manchmal auch eine Portion Kreativität. Einige Grundsätze können den Prozess erleichtern und unterstützen, die wir abschließend am Beispiel des Theater Regensburg zeigen möchten: 
 
Top Down und Bottom Up: Nachhaltigkeit muss in der Leitung verortet sein, damit man in der Umsetzung auch entscheidungsfähig ist. Das Theater Regensburg hat Nachhaltigkeit von Anfang an bei der Geschäftsführung angesiedelt und ist nun dabei, mit den Mitarbeitenden Strukturen zu entwickeln, um das Thema dauerhaft zu verankern.
 
Nachhaltigkeit ist ein Teamsport: Im besten Fall gibt es ein Team, das sich die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten teilt, gemeinsam Ziele formuliert und verfolgt. Hilfreich ist es, alle wichtigen Schnittstellen miteinzubeziehen, um alle Perspektiven im Team abzubilden, die für Entscheidungen notwendig sind. Ohne den technischen Leiter wird es in Regensburg (oder auch an anderen Häusern) beispielsweise schwierig. Er kann wichtige Prozesse steuern und seine wertvolle Expertise einbringen. Die Workshops in Regensburg haben aber auch gezeigt, wie bereichernd es ist, den Raum für Dialog zu öffnen und allen interessierten Mitarbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, sich am Prozess zu beteiligen. Wichtig sind zudem Allianzen außerhalb der eigenen Institution und die Vernetzung mit anderen Akteur:innen, um Synergieeffekte zu nutzen.
 
Selbstwirksamkeit als eine Erfolgszutat: Selbstwirksamkeit wurde durch die Umweltpsychologie als ein wesentlicher Faktor für den Erfolg von Verhaltensänderungen identifiziert. Zu spüren, dass man in diesem sehr komplexen und oftmals überfordernden Thema etwas verändern kann, ist sehr wichtig für das Durchhaltevermögen. Deswegen sind schnelle und kleine Erfolge, die sich durch einfache Maßnahmen umsetzen lassen, genauso wichtig wie die großen Bretter, die es zu bohren gibt. Der Umstieg auf Recyclingpapier im Büroalltag und für Marketingmaterialien oder die Anschaffung von Lastenrädern sind daher genauso wichtig wie z.B. der zeit- und kostenintensivere Austausch einer Klimaanlage.
 
Lieber langsam als gar nicht: So wie man einen Marathon nicht von heute auf morgen läuft, sondern sich einen Trainingsplan macht, der sich langsam steigert, verhält es sich auch mit der Umsetzung von Maßnahmen. Maßnahmen-Patenschaften innerhalb des Teams und klare zeitliche Vorgaben und Ziele sorgen für Verbindlichkeit. Gerade in der Anfangseuphorie sollte man sich nicht zu viel auf einmal vornehmen, sondern tatsächlich in die Umsetzung kommen. Dabei hilft es, Prioritäten zu setzen und dann dranzubleiben.
 
Das Wichtigste ist das Anfangen!
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im freien Teil des Kultur Management Network Magazins Nr. 166: "Freiwilligenmanagement".

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