06.12.2007

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick "Soziale Arbeit.Medien.Kultur" 2007

Kultur verstehen und vermitteln

Man war im Vorfeld gespannt, was dieses Symposium am 26./27.10.2007 an interessanten Anregungen bringen würde, trat doch der Fachbereich "Soziale Arbeit.Medien.Kultur" an der Hochschule Merseburg bisher im Bereich Kulturmanagement kaum in Erscheinung. Das Kommen lohnte sich.
Die Partnerschaft mit der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) verhalf den Veranstaltern nicht nur, eine überregionale Aufmerksamkeit zu erreichen (wenn es auch mehr Teilnehmer hätten sein dürfen), sondern nahm auf die inhaltliche Ausrichtung einen wesentlichen Einfluss. Kernthema war die Kulturvermittlung, die zweifellos zu den wichtigsten Aufgaben von Kulturmanagern gehört. Noch aber mangelt es in vielen Einrichtungen der Bildenden und Darstellenden Kunst an solchen Angeboten und Konzepten, was letztlich ihre eigene Daseinsberechtigung untergräbt.

Da Merseburg wie kaum eine andere ostdeutsche Stadt in den letzten 17 Jahren vom massiven Strukturwandel betroffen war, kommt hier der Kultur und ihrer orientierungsgebenden Kraft eine besondere Rolle zu. Kontrastreicher könnte es kaum sein. Auf der einen Seite die sozialistische Bau-Unkultur und Relikte alter Industrieanlagen, auf der anderen die noch immer großartigen Zeugnisse jahrhundertealter Kultur- und Kunstgeschichte. Insofern waren jene, die erstmals in Merseburg waren, sicherlich überrascht, welche Schönheiten z.B. mit dem Veranstaltungsort Ständehaus und natürlich dem benachbarten Schloss und Dom ihnen bisher verborgen blieben.
 
Der Anspruch des Symposiums war insbesondere, die Diskussion über eine - den tatsächlichen Anforderungen der Praxis entsprechende - akademischen Ausbildung von Kulturarbeitern, Kulturpädagogen, Kulturmanagern und Kulturwissenschaftlern weiterführen. Jüngst kritisierte der Wissenschaftsrat das modische Umetikettieren von Studiengängen, bei denen es lediglich um ein Sammelsurium von Fächern geht. Umso offensiver müsse man am eigenen Studiengang sein Konzept nach außen vertreten, meinte auch Prof. Max Fuchs, Vorsitzender des Deutschen Kulturrats, in seinem Eröffnungsvortrag. Ihm war allerdings die internationale politische Dimension des Themas wichtiger und forderte das "Ende der pädagogischen und politischen Provinz Deutschlands". Fuchs holte in seiner Rede leider sehr weit aus, beginnend mit der deutschen Kriegsbeteiligung im Kosovo, die doch auch Auswirkungen für die Pädagogen, die immer nur von Frieden und Kultur redeten, haben müsse. Er kritisierte neben dem islamistischen auch den nach seinen Worten christlichen Fundamentalismus der USA, kam dann zu den Themen Migration und Zuwanderung sowie zum Bewusstsein der Verbindung zwischen Bildung und Politik. Er bedauerte den angelsächsischen Pragmatismus, der Einfluss habe auf das internationale Verständnis von Bildung oder Kultur und warnte letztlich vor dem vorschnellen Abschied unserer kultur- und bildungsphilosophischen Grundlagen, in dem man Bildung nur im ökonomischen Kontext thematisiere (die OECD, die die PISA Studien herausgibt, ist bekanntlich eine Wirtschaftsorganisation).
 
Birgit Mandel von der Universität Hildesheim vertrat die Forschungsergebnisse aus dem deutschlandweit ältesten Studiengang für Kulturvermittlung. Am Beispiel der Befürworter und Gegner des Projekts Jedem Kind ein Instrument, das jedem Grundschulkind im Ruhrgebiet einen chancengleichen Zugang zur kulturellen Bildung ermöglichen soll, zeigte sie, dass derzeit unterschiedliche Formen der Kulturvermittlung aufeinander prallen. Während die einen das hohe finanzielle Engagement von 20 Millionen Euro der öffentlichen Hand loben, kritisieren einige Verbände, dass man sich mit diesem Projekt auf das Erlernen eines Musikinstruments beschränke, das gemeinhin in traditioneller Unterrichtsform stattfinde, statt eine nachhaltige breite Vermittlung anzustreben. Zu den Funktionen und Zielen von Kulturvermittlung gehöre nach Meinung Mandels auch, Zugänge zu Kunst zu schaffen, künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern, kulturelle Kompetenz zu vermitteln (Kulturpädagogik), Anregungen zur Teilhabe am kulturellen Leben zu geben (Soziokultur) sowie Aufmerksamkeit und Nachfrage zu schaffen (Kulturmanagement). In diesem Kontext wird deutlich, dass das Kulturmanagement vielerorts Gefahr läuft, sich auf standardisierte ökonomische Kompetenzen und damit reine Dienstleistungsfunktionen zu reduzieren, statt ihm auch Chancen für die Durchsetzung von Kunst oder zur Vergrößerung der Wahrnehmung von Kulturangeboten zuzuschreiben. Birgit Mandel ging folgerichtig über den Begriff des Audience Development hinaus, indem Kultureinrichtungen und -projekte nicht nur Menschen als Nutzer ihrer Angebote gewinnen und binden, sondern sie auch zu Mitgestaltern machen müsste. Auf dem Arbeitsmarkt sei zu vermelden, dass die Nachfrage nach Kulturarbeitern sehr gestiegen ist (zwischen 1995 und 2003 um 31 %, wenn auch vor allem im Bereich der Selbstständigen und Freiberufler).
 
Wolfgang Zacharias gab Einblick in die Praxis des Berufsbildes Kulturvermittlung und Kulturpädagogik. Dabei erwähnte er Projekte wie das erfolgreiche Kindermuseum im Münchner Hauptbahnhof oder die Angebote der AG interaktiv zum Umgang mit interaktiven Medien. Spannend war seine langjährige Beobachtung der Titelbilder des SPIEGEL, die zeigten, wie regelmäßig die Debatte um Schule und Bildung in der Gesellschaft kreist.
 
Von den Inhalten des zweiten Tags gilt es besonders zwei Vorträge hervorzuheben. Peter Vermeulen, der Gründer von CULTURPLAN und jetzige Dezernent für Schule, Jugend und Kultur ist auch Dozent für Kulturmarketing an der FH Merseburg. Kultur funktioniere, so Vermeulen, in einem "gebrochenen Markt", denn sie regelt sich nicht allein über Angebot und Nachfrage. Er verdeutlichte u.a., dass der Versuch der Abtrennung des öffentlichen subventionierten Kulturbetriebs von der privaten Kulturwirtschaft in die Irre führe, da es zwischen beiden Bereichen viele Wechselwirkungen gibt. Weder könnten öffentliche Kulturbetriebe allein auf Subventionen abstellen, noch gibt es auf der Nachfrageseite diese absolute Trennung zwischen privater und öffentlicher Kultur. Indem Vermeulen aufzeigte, warum Kulturmanagement- Kompetenz wichtig sei, eröffnete er nicht nur den Studenten, wie vielfältig ihre Chancen und Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sind.
 
Uwe Manschwetus vom Studiengang Kulturmarketing der Hochschule Harz (Wernigerode) sprach in seinem Vortrag vom Marketing als Gestaltungsmanagement von Austauschbeziehungen im Kultursektor. Damit setzte er sich bewusst von den bisherigen Ansatzpunkten ab, die sich dem Kulturmarketing vom pädagogischen Standort näherten. Für Manschwetus sei man erst in der Lage, Kultur zu vermitteln, wenn man Marketing in seinem Kern verstünde. Kulturbetriebe brauchten Marketing, um ihre kulturpolitischen, ökonomischen und soziale Ziele zu erreichen. Marketing ist nach seiner Auffassung eine "Sozial"-Technik zur Gestaltung von Beziehungen und lehnt damit die Auffassung ab, dass man bei Kulturmarketing vom Produkt ausgehen müsse. Die Schwierigkeit des Marketing liegt in der Kommunikation zwischen Marketingakteuren und -adressaten, in der Botschaften kodiert und wieder vom Konsumenten dekodiert werden müssten, was dazu führt, dass bei diesem Prozess viele Fehler auftreten können. Marketing brauche eher Generalisten statt Spezialisten, die langfristiger denken statt auf kurzfristige Verkäufe zu schielen. Wichtiger als Werbeanzeigen sei die Gestaltung des Dialogs zu den Zielgruppen. Wenn an einem Theater ein schwieriges Stück vor mehr oder weniger leeren Rängen stattfände, zeige sich, dass das potentielle Publikum nicht erkennt, dass es ein Problem hat, auf das möglicherweise dieses Theaterstück Antworten oder gar Lösungen vorhält. Hier müsse Kulturvermittlung ansetzen.
 

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