09.12.2008

Autor*in

Martin Lücke
Martin Lücke ist Professor für Musik- und Kulturmanagement an der Hochschule Macromedia in Berlin. Zudem veröffentlicht er regelmäßig Fachpublikation und texte mit Schwerpunkten im Bereich der akademischen Ausbildung und der Erforschung von (Populärer) Musik und Musikwirtschaft sowie neuen Formen der (Kultur-)Finanzierung.
Rückblick PopKomm 2008

Vitamin C für das Musikgeschäft

Am 8. Oktober 2008 war es wieder soweit - die Popkomm öffnete in Berlin für 3 Tage ihre Tore. Unser Korrespondent Dr. Martin Lücke war für Kulturmanagement Network vor Ort.
Mit einem inzwischen bewährten dreigliedrigen Aufbau aus Ausstellung, Kongress und Festival war sie erneut internationaler Anziehungspunkt der Musikwirtschaft. 843 Aussteller aus über 50 Ländern belegten die internationale Bedeutung der Popkomm in einer Zeit, in der die Musikwirtschaft viele Rückschläge einstecken muss. 15.000 Fachbesucher und über 1.000 Journalisten hatten die Chance, sich ausführlich über den Stand der Dinge zu informieren. So wechselten im Jahr 2007 angeblich 300 Millionen Lieder illegal den Besitzer zehnmal mehr, als in Onlineshops legal erworben wurden. Auch die CD-Umsätze sinken von Jahr zu Jahr. Wurden 2000 noch 37 Milliarden Dollar mit dem Verkauf von CDs erzielt, waren es 2007 bereits sieben Milliarden weniger. Die Folge: tausende Jobs in der Musikindustrie gingen, vielleicht unwiederbringlich, verloren.
 
Die gegenwärtige Situation der Musikindustrie ließ sich natürlich auch auf der diesjährigen Popkomm ablesen. "Wir erleben einen Zuspruch von Unternehmen, die sich akribisch mit den neuen Gegebenheiten der Branche auseinandergesetzt haben und Lösungen präsentieren", sagte Dr. Ralf Kleinhenz, seit Dezember 2003 Geschäftsführer der Popkomm GmbH. Mit neuen Gegebenheiten ist vor allem die Suche nach neuen Geschäftsfeldern gemeint, um die Abwärtsspirale und die hohen Verluste im traditionellen Tonträgermarkt einigermaßen auszugleichen, und dies in einem internationalen Kontext.
 
Neben Ausstellern aus Deutschland, stellten die Türkei, Italien, Spanien und Frankreich mit ihren eigenen opulent ausgestatteten Ständen die größten Länderbeteiligungen dar. Zum ersten Mal gab es in diesem Jahr auch einen Länderstand USA. Zudem kamen viele Aussteller aus dem wichtigen Markt Osteuropa. Litauen und die Slowakei hatten ihre Länderstände sogar vergrößert. Nach Angaben der Popkomm GmbH stieg der Anteil der internationalen Aussteller im Vergleich zum Vorjahr noch einmal um 5 Prozent und lag 2008 somit bei 75 Prozent.
Jedes Jahr bietet die Popkomm einem Land die Chance, sich in allen drei Bereichen der Popkomm der internationalen Branche vorzustellen: Mit einem großen Länderstand in den Popkomm-Hallen, Länderübersichten im Kongressprogramm und zahlreichen Showcases in der Kulturbrauerei. Pressemitteilungen und eine ganzjährige Promotion unterstreichen die Präsenz des Partnerlandes. In 2008 heißt das Partnerland der Popkomm Türkei.
 
Als Gastland konnte sich in diesem Jahr die Türkei präsentieren, nachdem sie 2007 überhaupt zum ersten Mal an der Popkomm teilnahm. In der Ausstellung in den Messehallen unter dem Funkturm präsentierten sich 48 türkische Aussteller auf 200 Quadratmetern. Außerdem traten an allen vier Showcase- Abenden insgesamt 13 türkische Acts aus den Bereichen Rock, Pop und Folk auf. Im Rahmen des immer beliebter werdenden Popkomm-Kongresses sorgten zudem türkische Vertreter (Necmettin Ovacik, Bülent Forta, Ali Riza Binboga), für Hintergrundinformationen zum expandierenden Musikmarkt Türkei, der einen der interessantesten Handelsplätze der Zukunft darstellt.
Ohnehin war der diesjährige Kongress unter dem Motto "Commerce, Communication & Creation" überaus prominent besetzt. Kein Geringerer als Robin Gibb (The Bee Gees) und Präsident der CISAC (Confederation of Societies of Authors and Composers) hatte die Ehre, die Konferenz als Keynote-Speaker mit einem Vortrag über die derzeitigen Probleme der Musikurheber zu eröffnen. Zudem konnten noch Petri Lundén (Vorsitzender des Internationalen Musikmanagerforums (IMMF), die Vertretung von 15 Musikmanagerforen in aller Welt sowie Manager von "The Cardigans"), Daniel Hope, einer der weltweit bedeutendsten Violinvirtuosen, der Regisseur Wim Wenders sowie Eric Garland (Mitbegründer und CEO von Big Champagne, dem führenden Marktforschungsunternehmen im Bereich der Online-Unterhaltung) als weitere Keynote-Speaker gewonnen werden. In den spannenden Beiträgen beim dreitägigen Kongress ging es in erster Linie um Themen, wie sich die Musikwirtschaft in den kommenden Jahren aufstellen und entwickeln muss, um dem derzeitigen wirtschaftlichen Abwärtstrend adäquat zu begegnen. Ein echtes Patentrezept schien indes niemand auf Anhieb zu besitzen. Dies zeigte auch die hohe Fluktuation an Ausstellern, wie Ralf Kleinhenz in einem Interview mit der Zeitschrift "Musikwoche" kurz vor Eröffnung der Messe zugab: "Wir haben einen vergleichsweise größeren Wechsel als bei anderen Messen, wobei sich ein Ausstellerkern als sehr stabil erweist. Die Popkomm ist auch hier ein Spiegelbild der Branche, was daran liegt, dass es in der Musikbranche ein Kommen und Gehen gibt." Nicht anwesend waren in diesem Jahr vor allem die beiden großen Labels EMI und Sony BMG.
Eine Neuerung des Popkomm-Kongresses war die Porträtreihe "How did you do it?", die herausragenden Persönlichkeiten der Musik- und Entertainmentbranche über die Schulter schaute. Bei der Premiere vertreten waren Klaus Voorman, der seit seiner Zusammenarbeit mit den Beatles, John Lennon und Manfred Mann als legendärer Grafiker und Musiker gilt, Komponist und Can-Gründungsmitglied Irmin Schmidt sowie Regisseur Philipp Stölzl, verantwortlich für gefeierte Videoclips von Rammstein, Evanescence, Madonna oder Garbage.
Als dritte und mit über 80.000 Besuchern erfolgreiche Säule der Popkomm hat sich das parallel zu Messe und Kongress stattfindende Festival entwickelt. Für das Popkomm Festival, Europas größtes Showcase Festival und zudem eines der größten weltweit, wurden in den Monaten zuvor aus 2.300 Bewerbungen 400 Solisten und Gruppen aus 32 Ländern ausgewählt, sich und ihre Musik zu präsentieren. Die Wahl der Acts ergab sich sowohl aus der Auswahl von Künstlern, die sich direkt beworben hatten, als auch aus dem kreativen Netzwerk, über das die Popkomm inzwischen verfügt. Das umfangreiche Programm an Showcases in den angesagtesten Clubs der Hauptstadt gab den Bands und Solokünstlern aus aller Welt die einmalige Chance, sich einem internationalen und versierten Fachpublikum zu präsentieren, neue Kontakte zur Musikindustrie zu knüpfen und, nicht zu vergessen, neue Fans zu gewinnen. Neben bereits etablierten Künstlern wie den finnischen Grand-Prix- Gewinnern Lordi, Travis aus Schottland oder Tomte aus Deutschland deckte das Festival ein breites musikalisches Spektrum ab, wobei die musikalische Bandbreite vom TripHop von Tricky bis hin zum Chanson von Coralie Clément reichte.
Mit der "DJ Popkomm" am 11. Oktober zum Abschluss des Festivals erhielt der Dance-Beat sogar in diesem Jahr seinen eigenen Programmplatz.
Erstmals wurde auch im Rahmen der Popkomm der "RadioAward für neue Musik" verliehen. Bonaparte aus Berlin konnten sich am 8. Oktober gegen die Konkurrenz von Mein Mio (Berlin), Chapeau Claque (Erfurt) sowie Cargo City (Frankfurt am Main) erfolgreich durchsetzen.
Auch im nächsten Jahr wird die Popkomm wahrscheinlich wieder auf einem früheren Termin Mitte September" in Berlin eröffnen und der internationalen Musikwirtschaft ein offenes und kommunikatives Forum bieten, um über die Probleme, aber auch die neuen Möglichkeiten der derzeitigen Situation auf dem Musikmarkt zu diskutieren.
DR. MARTIN LÜCKE ist promovierter Musikwissenschaftler. Er ist als Dozent an verschiedenen Universitäten im Bereich Popularmusik, Kultur- und Eventmanagement tätig. Zudem ist er Buchautor und Publizist. Als Korrespondent ist er vor allem auf den Bereich Musik/Jazz spezialisiert.
 

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