22.06.2010

Autor*in

Juliane Breternitz
Rückblick kreativORTungen 2010

Wirtschaften, arbeiten und leben in der Kultur- und Kreativwirtschaft

Ein Rückblick auf das Symposium kreativORTungen, das am 28. und 29. Mai 2010 in der Platform3 in München stattfand.
Unter der Fragestellung: Wie möchten wir in Zukunft arbeiten und leben, versammelten sich etwa 50 Interessierte zu Vorträgen und Diskussionen. Das Symposium thematisierte die vernetzten Arbeits- und Lebensentwürfe von Freelancern und kleinen Unternehmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft und forcierte die Frage nach einer kollektiven Organisierung der Branchenzugehörigen.
 
Die Platform3 ist ein vom Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München geschaffener und finanzierter Ort, um jungen Kulturmanagern und angehenden Kuratoren einen Raum für eigene Projekte zu geben. In seiner Begrüßung formulierte J.-Peter Pinck, Geschäftsführer vom Wohnforum München, dem Träger der Platform3, dass dieser Ort vor allem durch kooperatives und interdisziplinäres Zusammenarbeiten möglich geworden ist. Eine Anmerkung, die sich im Verlaufe des Symposiums immer wieder finden wird, wenn es um die Entstehung und Realisierung von Neuem gehen wird.
 
Als erste Referentin des Tages gab Inga Wellmann, Geschäftsführerin des Einstein Forums Potsdam und Mitherausgeberin der Anthologie "Governance der Kreativwirtschaft", einen tieferen Einblick in die Strukturen der Kreativwirtschaft. Sie fasste mögliche Strategien und Handlungslogiken der Akteure und deren Zusammensetzung unter dem Begriff der Fragmentierten Ordnung zusammen. Schlussfolgernd war die Erkenntnis, dass gerade die kleineren, dynamischen Strukturen nicht durch eine von oben nach unten gesteuerte Regelung, sondern vielmehr in einem kollaborativen Miteinander gestaltet werden können.
 
Sebastian Sooth, u.a. Mitbegründer der Coworking- Plattform hallenprojekt.de, sprach über eine mögliche positive Veränderung unserer Arbeits- und Lebensweise, die sich in einer selbstbestimmten Flexibilität niederschlägt. Diese erlaubt uns, zu arbeiten wann, wie und wo wir wollen. Neben der Vernetzung der mobilen Digitalarbeiter hat sich hallenprojekt.de zur Aufgabe gemacht, all jene Orte zu kartografieren und vorzustellen, in denen das neue Arbeiten allein mit Laptop und Internet ausgestattet, bereits praktiziert wird und möglich ist. Sebastian Sooths Vision bezieht sich dabei nicht allein auf den Bereich der Freelancer und Kleinstunternehmer der Kreativwirtschaft. Für ihn können und sollten viel mehr Menschen die Möglichkeit haben, sich ihren Arbeitsort frei zu wählen. Das betrifft insbesondere auch den Bereich der Festangestellten.
 
Ganz im Sinne der Verortung, begann Tag Zwei an einem anderen Ort in München und es sollten zwei weitere interessante Ortswechsel folgen. Das Puerto Giesing, eine ehemalige Hertie Filiale im Münchner Südosten, die zur Zeit von Künstlern und Kreativen als Veranstaltungs- und Arbeitsraum zwischengenutzt wird, gewährte den Teilnehmern der Walking Conference die erste Gesprächsplattform. Janet Merkel, Stadtsoziologin am WZB Berlin, sprach über die Faktoren, die kreative Milieus ausmachen und beleuchtete den Themenkomplex der Kreativ- und Kulturwirtschaft aus einer urbanen Forscherperspektive.
 
Wie bereits am Tag zuvor beteiligte sich das Publikum mit regen Wortmeldungen, wobei die Bandbreite der Teilnehmer vom Bau- und Kulturreferat, über Freelancer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft und Künstlern bis hin zu Interessenvertretern derselben reichte. Angesteckt von dem positiven Elan Christoph Fahles, lauschte das Publikum seinen Ausführungen zum betahaus Berlin. Fahle ist seit nun mehr über einem Jahr und mit fünf Mitstreitern Gründer und Geschäftsführer des aktuellen Vorzeigeprojektes in Deutschland, wenn es um Coworking Spaces geht. Mit der Beschreibung des betahauses nahm die vielleicht bisher noch nicht für alle vorstellbare Idee eines neuen Arbeitens endgültig Konturen an.
 
Teil Zwei des Tages fand im 4 km entfernten Streitfeld statt. Am Rande eines Medienindustriegebietes wird ein Komplex für Ateliers und Wohnraum für Künstler und andere Kreative entstehen. Wir konnten vorbesichtigen, was aus der einstigen Kleiderfabrik einmal werden soll. Das Streitfeld ist genossenschaftlich durch die Kunst- WohnWerke eigenfinanziert. Der Plan ist es, diesen Komplex nicht nur temporär sondern langfristig zur Verfügung zu stellen.
 
Elisabeth Mayerhofer, Kulturwissenschaftlerin und Vorstandsmitglied von FOKUS aus Wien, rückte noch einmal deutlich die Schwierigkeiten und Bedenken im Bezug auf ein rein positivistisches Handeln im Kontext der Veränderung von unserer Arbeitswelt ins Licht der Aufmerksamkeit, z.B. das Entgrenzung ergo Felxibilisierung auch Prekarisierung unter der derzeit noch bestehenden sozialen Gesetzeslage bedeuten kann. Somit war sie eine wichtige, kritische Beobachterin. Denn wenn seitens der Regierung die volle Unterstützung der Kreativwirtschaft posaunt wird, sich aber im wesentlichen Dinge verschlechtern und nicht bessern, weil erstarrte Rahmenbedingungen (z.B. die Öffnungszeiten eines Kindergartens) nicht mit der Flexibilisierung der Arbeit einhergehen, sollten diese Punkte kritisiert und öffentlich diskutiert werden.
 
Nichts desto trotz benötigt es einen gesunden Grad an Optimismus und Willenskraft, um Neues zu versuchen. Ela Kagel, freischaffende Kuratorin und Produzentin, stellte Projekte vor, die sich trotz Absurditäten und dem Unkenruf: Das kann gar nicht funktionieren!, nicht entmutigen lassen und fleißig interdisziplinäre Kompetenzen vereinen. Sei es die Idee von Ozean-Städten wie bei dem Projekt Open Sailing oder ein in fünf Tagen verfasstes, publiziertes, druckreifes Buch wie in diesem Jahr die Festival-Publikation "Collaborative Futures" der transmediale.
 
Schlussendlich brach die Gruppe gemeinsam zur letzten Station auf: Die Repüblik in Schwabing, eine kulturelle Zwischennutzung eines ehemaligen Architekturbüros, lud zu einer letzten Reflexion des Gehörten und Gesagten in kleinen Runden ein.
 
Das Konzept der mobilen Konferenz, an vier verschiedenen Orten Themen zu diskutieren und somit Personen, Initiativen und Projekte im Stadtraum miteinander ins Gespräch zu bringen und zu verknüpfen, scheint aufgegangen. Die ersten kreativORTungen bieten eine gute Grundlage für weiteren regen Austausch. Zudem haben diese Tage dazu beigetragen, sich erste Gedanken für eine zeitgenössische Form von Interessenvertretung zu machen. Mein Anliegen daher zum Schluss: Bitte mehr kreativORTungen!
 
 

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