19.10.2010

Autor*in

Martin Sigmund
Selbständig mit Instrumentalunterricht

Eine Anleitung zum Geld verdienen

Nein, nein, lesen Sie gar nicht weiter. In diesem Artikel geht es nicht darum, wie Sie reich werden. Wer musikalische Bildung vermittelt, hat in der Regel andere Motive oder nicht alle Tassen im Schrank.
Hier geht es um den Musikunterricht außerhalb der Musikschulen, um privaten Instrumentalunterricht. In keinem anderen Bereich des Bildungssektors spielt privater Einzelunterricht eine so bedeutende Rolle wie in der Musik. Bereits im Studium verdienen viele Musikerinnen und Musiker mit "Stunden geben" etwas Geld. Danach lebt ein guter Teil von ihnen zur Gänze davon. Auch die Lehrkräfte der Musikschulen haben meist noch einige zusätzliche Privatschüler, ganz zu schweigen von Konzertmusikerinnen, Sängern oder Komponisten, und nicht wenige von ihnen haben selbst zumindest Teile ihrer Kenntnisse und Fertigkeiten im Privatunterricht erworben.
 
Privater Musikunterricht ist also ein wichtiger Teil der Bildungslandschaft, auf den das Kulturleben nicht verzichten kann. Es gibt zwar - meines Wissens - keine genauen Zahlen über den Anteil am musikalischen Bildungswesen, eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Den durch Privatunterricht gedeckten Bedarf auf die öffentlichen Musikschulen abzuwälzen ist nicht finanzierbar und daher illusorisch.
 
Für die Kulturpolitik existiert dieser Bereich dennoch nicht: Es gibt keine spezifische Interessensvertretung, keine Förderungen, keine Wahrnehmung. Und selbst jene Lehrenden, die ausschließlich von privaten Musikstunden leben, haben oft keine klare Vorstellung von ihrer wichtigen gesellschaftlichen Rolle, und noch weniger von dem Geschäft, aus dem sie ihr Einkommen beziehen.
 
Dabei hat die Abwicklung des Geschäftlichen, kurz: das Geld, und alles, was damit zusammenhängt, einen spürbaren Einfluss auf den Inhalt des Geschäfts, also den Unterricht. Denn Geld bringt, ob wir es wollen oder nicht, stets zwei Aspekte zum Ausdruck:
 
- den Aspekt des Wertes
 
- den Aspekt der Beziehung.
 
Wenn meine nun folgenden diesbezüglichen Ausführungen die Ebene der kulturpolitischen bzw. kulturökonomischen Reflexion verlassen und gelegentlich auf die Ebene direkter Anleitung geraten (siehe Untertitel), dann mit gutem Grund. Es geht mir nämlich darum, bisher wenig reflektierte konkrete Arbeits- und Alltagssituationen auf den Seziertisch zu legen, um aus ihnen neue Vorgehensweisen für die Betroffenen selbst zu entwickeln. Sozusagen "Kulturpolitik von unten" oder auch "Kulturmanagement konkret".
 
Geld als Indikator für Wert
 
Welchen Wert hat meine Arbeit als Instrumentalpädagogin / -pädagoge?
 
Wie viel ist meine Stunde wert?
 
Wie viel soll ich verlangen?
 
Wer beginnt, Instrumentalunterricht zu geben in der Regel im Studium steht vor dieser Frage. Und meist wird diese Frage rein gefühlsmäßig beantwortet, mit dem Grundtenor: "Hauptsache nicht zu viel". Bereits diese Überlegung ist falsch. Denn am Bildungsmarkt spielt der Preis - im Gegensatz zu anderen Märkten, etwa jenem der Unterhaltungselektronik - eine nachgeordnete Rolle. Wer etwas lernen und sich entwickeln will, sucht nicht das billigste, sondern das beste Angebot. Ein hoher Preis wirkt dabei als Indikator für hohen Wert, denn niemand geht davon aus, dass der identische Unterricht irgendwo billiger zu haben wäre. Bezeichnend ist die Anekdote der Klavierlehrerin, der beim Einstellen einer Annonce auf einer Internetplattform ein Tippfehler passierte: Sie gab den Preis für eine Stunde statt mit 30,- Euro mit 300,- Euro an. Was geschah daraufhin? Sie wurde mit einer Welle von Anfragen aus ganz Deutschland förmlich überschüttet. Ein niedriger Preis, wie z. B. die von Musik-Studierenden oft berechneten 10.- bis 20,- Euro pro Stunde, entwertet den Unterricht in den Augen potenzieller Kunden und schwächt damit die Basis der pädagogischen Arbeit.
 
Welchen Preis aber trägt der Markt? Was sind Kunden bereit zu bezahlen? Eine schnelle Idee bekommt man, wenn man unter Musiker-Kolleginnen und Kollegen fragt, was einerseits ihr eigener Stundenpreis ist, und wie viel sie andererseits selbst schon einmal für eine Stunde bezahlt haben. Die Spanne reicht von 10,- Euro bis 200,- Euro, in Ausnahmefällen sogar darüber hinaus. Der Spielraum ist groß und bietet wenig Orientierung.
 
Also müssen wir die Gegenfrage stellen: Welchen Preis pro Stunde benötige ich, wenn ich davon leben will? Dazu muss ich meine Fixkosten auflisten, von der Miete über Telefon und Internet über die Sozialversicherung bis zu Erwerb und Erhaltung von Instrumenten, Noten und Zubehör. Nicht zu vergessen ist natürlich auch der Urlaub, den Selbständige ja in ihrer Arbeitszeit "ersparen" müssen. Zu der Summe kommt noch der Betrag dazu, den ich pro Monat gerne zur freien Verfügung hätte, z.B. für Freizeit, Kultur, Ausgehen oder Sparen.
 
Dem Endbetrag gegenüber steht die Zahl der Stunden pro Woche: Wie viele Schüler kann ich pro Tag unterrichten, wie viele Tage pro Woche arbeite ich? Wie viele dieser Stunden werden kurzfristig abgesagt (Schüler, die nicht geübt haben, fallen ja bekanntlich häufig minutenschnell wirkenden Krankheitserregern zum Opfer)? Wie viele Wochen im Jahr bleiben übrig, wenn ich die Schulferien abziehe, in denen ein großer Teil meiner Schüler nicht zum Unterricht kommt? Es wird schnell klar, dass ein Stundenpreis unter 30,- Euro kaum in Frage kommt.
 
Spätestens hier meldet sich bei vielen Instrumentallehrern das soziale Gewissen: Wie sollen sich das begabte, aber finanzschwache Schüler leisten können? Muss ich es denen nicht billiger geben? Auch diese Überlegung geht in die falsche Richtung. Denn erstens haben Instrumentallehrerinnen keine zuverlässigen Möglichkeiten, die tatsächliche ökonomische Lage ihrer Schüler zu beurteilen. Dies fällt mitunter selbst dem Finanzamt schwer, dem dafür wesentlich bessere Mittel zur Verfügung stehen.
 
Doch zum Glück ist diese Beurteilung nicht die Aufgabe von Instrumentallehrern, und sie steht ihnen auch nicht zu.
 
Und zum zweiten ist es einleuchtend, dass man von einer Berufsgruppe, die selbst im unteren Bereich der Einkommensskala rangiert, nicht die Vergabe finanzieller Sozialleistungen erwarten kann.
 
Nicht zuletzt gibt es noch andere für den Preis relevante Faktoren: Kommt die Lehrerin/ der Lehrer zum Unterricht auch ins Haus? Damit erhöht sich einerseits der Aufwand des Anbieters, andererseits ist dieser Service für viele Kunden sehr wertvoll, und sie sind daher gerne bereit, mehr zu bezahlen (man muss sich ja nicht gleich am Anfahrtspreis von Installateuren orientieren). Kann der Unterricht auch in einer Fremdsprache erfolgen? Und schließlich: In welcher Weise erfolgt die Bezahlung? Darum geht es im folgenden zweiten Teil.
 
Geld als Indikator für Beziehung
 
Beim privaten Musikunterricht fallen - anders als bei Musikschulen - der unterrichtenden Person zwei Aufgaben zu: - die Erteilung des Unterrichts, also die Förderung der künstlerischen und persönlichen Entwicklung des Schülers, kurz: Handeln mit Augenmerk auf die Interessen des Schülers, unter Zurücknahme der eigenen Interessen, - die Abwicklung des Geschäftsprozesses, das Einfordern und Kassieren des Honorars, unter Umständen auch diesbezügliche Mahnungen oder Verhandlungen, kurz: Handeln mit Augenmerk auf die eigenen Interessen, eventuell auch gegen die Interessen des Schülers.
 
Das bedingt einen Wechsel der Rollen vom Lehrer zum Geschäftspartner.
 
Dieser Rollenwechsel ist für beide Seiten schwierig, er erzeugt subtil unbehagliche Situationen. Wir überspielen und verdrängen dieses Gefühl in der Praxis, dabei sollten wir darauf hören und es als Ressource nutzen. Natürlich lässt sich der Rollenwechsel nicht vollständig vermeiden. Aber wer - wie die meisten Instrumentalpädagogen - sein Honorar in jeder einzelnen Stunde kassiert, gibt dem Unbehagen den größtmöglichen Raum. Damit wird auch die so wichtige Lehrer-Schüler-Beziehung ständig gestört.
 
Dabei lässt es sich bestens argumentieren, das Honorar für größere Zeiträume, für Semester oder zumindest Monate, abzurechnen. Denn künstlerische Lern- und Entwicklungsprozesse erfordern längere Zeiträume. Der "Verkauf" einer einzelnen Stunde ist somit eigentlich fachlich unrichtig und sinnlos. In diesem Punkt lässt sich die Dienstleistung Musikunterricht mit der Dienstleistung Fitness-Center vergleichen: auch körperliche Fitness ist nur durch längere Trainingsprozesse zu erreichen, das ist jedem klar. Daher akzeptieren auch alle Menschen widerspruchslos, dass der Zutritt zum Fitness- Center nur über den Erwerb einer Jahreskarte möglich ist.
 
Von den dort üblichen Verrechnungsmethoden können Instrumentallehrerinnen generell viel lernen: Als Entgegenkommen für den Kunden kann die Gebühr auch mittels Abbuchungsauftrag monatlich überwiesen werden. Wer die Jahresgebühr im Voraus bar bezahlt, erhält einen Rabatt. Damit man nicht die Katze im Sack kaufen muss, gibt es eine kostenlose Probestunde. Und natürlich sind all diese Konditionen sowie auch die Kosten schriftlich festgehalten, in einem übersichtlichen Informationsblatt für die Kunden. Damit gibt es klare Regeln, die für beide Seiten Erleichterung schaffen. Jeder weiß, worauf er sich einlässt, peinliches Nachfragen oder mühsames Feilschen erübrigt sich. Im Zweifelsfall kann man nachlesen. So entsteht eine wesentlich verbindlichere Beziehung als bei stundenweiser Bezahlung, was für Instrumentalunterricht auf jeden Fall sinnvoll ist.
 
Für die Schüler/ Kunden signalisiert eine solche Art der Verrechnung und Information die Seriosität und Ernsthaftigkeit des Unterrichtsangebots. Für die Lehrenden bringt es neben der Verbindlichkeit einen weiteren sehr wichtigen Vorteil: Das Risiko kurzfristig abgesagter Stunden bleibt dort, wo es hingehört, nämlich beim Schüler bzw. der Schülerin. Wenn damit die Hemmung steigt, die schon bezahlten Stunden bei Lustlosigkeit oder mangelnder Übung spontan abzusagen, so ist das auch für die Schüler von Vorteil.
 
Im umgekehrten Fall, wenn die Lehrerin oder der Lehrer durch Krankheit oder andere Gründe einmal verhindert sein sollte, kann man als besonders kundenfreundlicher Dienstleister auch die Vereinbarung einer Ersatzstunde anbieten. Muss man aber nicht, denn in Musikschulen oder anderen Bildungseinrichtungen ist das eher unüblich. Fazit: Let's talk about money!
 
Verschämtes Ausblenden der ökonomischen Seite des Instrumentalunterrichts beseitigt nicht das damit verbundene Unbehagen, sondern stört die Lehrer-Schüler-Beziehung. Eine angemessene Berechnung des Stundenpreises und klare Zahlungsmodalitäten mit sinnvollen Zahlungszeiträumen signalisieren für beide Seiten hohen Wert, Verbindlichkeit und Seriosität. Das ist der wichtigen kulturellen Rolle des privaten Musikunterrichts auf jeden Fall angemessen.
 

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