25.04.2008

Autor*in

Gerald Mertens
Rückblick 18. IAMA-Konferenz 2008

Gut oder nur gut gemeint?

Ein Rückblick auf die 18. IAMA-Konferenz in Berlin
Über 450 Teilnehmer aus 37 Ländern zählte die International Artist Managers Association (IAMA) bei ihrer Jahreskonferenz vom 17. bis zum 19. April 2008 im Konzerthaus Berlin. Die großen international agierenden Konzertagenturen waren ebenso vertreten wie nationale und regionale Künstler-, Orchester- und Konzerthausmanager. "Reaching Out" lautete der vielversprechende Titel. Die Frage, wie neues und mehr Publikum für klassische Musik interessiert und in die Oper, vor allem aber ins Konzert gebracht werden kann, ist inzwischen eine globale und die Antwort darauf nicht nur für die Orchester und Veranstalter, sondern auch für kommerziell agierende Künstlermanager existenziell.

Die gute Nachricht vorweg: Trotz großer Veränderungen im weltweiten Künstler- und Konzertmarkt ist die Stimmung in der Branche auffallend positiv. Festivalleiter schlossen ihre letzten Spielplanlücken für 2009, die meisten Gespräche in den Pausen, aber auch während der verschiedenen Paneldiskussionen, auf den Fluren, in den Foyers und versteckten Nischen des Konzerthauses dienten der Künstlervermarktung für 2010 und 2011, teilweise darüber hinaus. Cornelia Schmid von der gleichnamigen Agentur aus Hannover beschwor denn auch in ihrer Eröffnungsrede die Zukunft der klassischen Musik als Live-Erlebnis und Kontrastprogramm gegen immer flachere Inhalte der Massenmedien und die neue Rolle der Musiker als Educatoren. Jochen Sandig vom RADIALSYSTEM, der recht erfolgreichen, privat finanzierten und vielfältig nutzbaren Veranstaltungsstätte in Berlin-Mitte, forderte ein Aufbrechen konventioneller Veranstaltungsrituale und machte drei wesentliche Zukunftsaufgaben aus: die Künstler-, die Publikums- und die Finanzentwicklung. Immerhin, darauf muss man erst einmal kommen. Dinge wie Daniel Barenboims Musikkindergarten seien wichtig und nachahmenswert, die Schwellenangst vor dem klassischen Opern- und Konzertbesuch sei immer noch zu hoch, angesichts sinkender öffentlicher Mittel sei mehr "Unternehmertum" gefragt ebenfalls keine überraschenden Erkenntnisse. Interessanter waren da schon die Forderungen, die Kreativität der Künstler noch stärker als Innovationspotenzial zu entdecken, anstatt sie nur managen oder zu buchen oder Kooperationen zwischen verschiedenen Kunstgattungen einzugehen und damit potenziell ein breiteres Publikum auch für die klassische Musik anzusprechen.

Die Diskussionsrunde zu der Frage, wie Educationprojekte (am Beispiel der Berliner Philharmoniker und des Concertgebouw Amsterdam) weiterentwickelt werden könnten, war eine glatte Enttäuschung: Details bereits bekannter Projekte wurden dargestellt, Zukunftsperspektiven blieben im Argen. Die Sängerin Anette Dasch berichtete über ihre große Motivation, vor dem Konzert oder nach Proben an einem Gastspielort auch noch eine Schulklasse zu besuchen und damit etwas für Education und Outreach (und natürlich auch für das Marketing) zu tun. Die Chance, gerade diese Idee gemeinsam mit Künstlern, ihren Managern und Veranstaltern einmal intensiv zu diskutieren und womöglich inhaltlich weiterzuentwickeln, wurde kläglich verspielt und das war jammerschade. Nur wenig weiter führte die zweite, von Karsten Witt moderierte Diskussion zur Frage, ob die Künstlermanager und promoter dem Markt folgen oder ihn führen würden. Die Antwort blieb offen. Während Jasper Parrott von der gleichnamigen, international agierenden Künstleragentur eher konservativ - und unter Szenenapplaus - den Künstler, seine Kunst und die lebenslange Entwicklung unter Fürsorge des Managers für die Künstlerkarriere beschwor, setzte Peter Schwenkow von der DEAG (Deutsche Entertainment AG) wie nicht anders erwartet die Position des knallharten Kaufmannes entgegen. Seine "shareholder" wollten den "return of investment" sehen. Das einzige was interessiere sei, wie man mit Lang Lang, Rolando Vilazon oder Anna Netrebko in der Berliner Waldbühne mit über 20.000 Plätzen den größten Profit erwirtschaften könne. Dafür müsse man dieselben Marketinginstrumente einsetzen wie im Rock- und Popbereich. Der von ihm neu vermarktete Starkult diene letztlich der ganzen Szene, kämen doch auch die Menschen ins Konzert, die man mit Klassik sonst nicht erreichen könne. Vertreter der Tonträgerindustrie warfen ein, dass auch sie unverändert einen erheblichen Anteil an der Entwicklung echter Klassikstars hätten und dass auch für die Industrie die professionelle Live-Vermarktung ihrer Künstler gegenüber dem CD- und Downloadgeschäft immer wichtiger werde.
Das dritte Forum befasste sich mit der Frage, wie heute Künstlerkarrieren erfolgreich entwickelt werden können. Laut Andreas Braun, Inhaber des gleichnamigen Konzertbüros aus Köln, war der Manager früher der Wegbereiter des Künstlers. Heute stünden Marketing und Promotion im Vordergrund, viele würden in jungen Jahren "verheizt", sie hätte immer weniger Chancen, in der "Provinz" erste Erfahrungen zu sammeln und daran zu wachsen. Andere Diskutanten bedauerten, dass die Spielräume für intensive Karriereplanung und betreuung enger geworden seien. Das müsse sich wieder ändern, indem Agenten und Veranstalter enger und nachhaltiger zusammenarbeiten.
 
 
v.l.n.r: Benedikt Stampa, Christoph Lieben-Seutter, Michael Becker, Pedro Halffter Caro, Rob Overmann
 
Das Schlussforum am dritten Tag schließlich beleuchtete die Situation und Rolle der Konzerthäuser, vor allem an Beispielen der im Bau befindlichen Elbphilharmonie, der Tonhalle Düsseldorf und des Konzerthauses Dortmund. Keiner der Manager hatte ein Patentrezept, jeder versucht vor Ort das Beste daraus zu machen. Ein unbefriedigender Abschluss einer Konferenz, die wesentlich mehr Impulse mit innovativen Praxisbeispielen von außen und Kontroverse hätte vertragen können, um wirklich neue Entwicklungen anzustoßen.
Nach der Konferenz ist vor der Konferenz die nächste findet vom 23. bis 25. April 2009 in der Philharmonie Luxemburg statt.
 
Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit der Zeitschrift "Das Orchester"
 

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