18.12.2023

Autor*in

Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Jahresrückblick 2023

Nur gute Nachrichten zum Jahresausklang

Über Missstände im Kulturbetrieb zu meckern und diese sichtbar zu machen, ist zwar eine unserer redaktionellen Leidenschaften. Nach einem weiteren Jahr voller Negativschlagzeilen, alter und neuer Kriege sowie anderen Krisenmeldungen erscheint uns das zum Jahresausklang 2023 jedoch nicht sinnvoll. Stattdessen halten wir diesen Jahresrückblick positiv(er) und wie immer konstruktiv.
Gute Nachricht Nr. 1: Weniger Corona, mehr Bemühen ums Publikum  
 
Corona ist zwar nicht weg und sollte weiterhin ernst genommen werden, aber anders als in den vergangenen drei Jahren bestimmte das Thema 2023 unser redaktionelles und das Geschehen im Kulturbetrieb deutlich weniger, auch wenn die Nachwehen natürlich immer noch zu spüren sind: So haben wir in unserer gleichnamigen Themenreihe auf dem Portal lediglich vier Beiträge veröffentlicht. Sie alle eint, dass sie sich mit dem Publikum(-sschwund) beschäftigen - damit bekommt dieser nun die Aufmerksamkeit, die er verdient. Denn: Die Publikumskrise wurde nicht durch die Pandemie ausgelöst, sondern nur verschärft, was den Kulturbetrieb aus seinem Dornröschenschlaf geweckt hat. Wache Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen warnen vor dieser Krise bereits seit mehreren Jahren. Glücklicherweise gibt es u.a. durch das Institut für Kulturelle Teilhabeforschung oder dem Zentrum für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg immer mehr Forschungen, die zu diesen Entwicklungen nicht nur konkrete Zahlen ermitteln und veröffentlichen, sondern auch notwendige Handlungsempfehlungen daraus formulieren. Empfohlen sei an dieser Stelle auch Rainer Glaaps Publikumsschwund-Blog.
 
Es scheint also, als wäre der Ernst der Lage erkannt und mehr Einrichtungen würden ins Handeln kommen und neue Strategien für die Publikumsgewinnung und -bindung entwickeln. Dafür werden Kulturelle Bildung und Teilhabe notwendigerweise stärker auf die Agenda gesetzt. Projekte wie die Online-Karte von machmamit.de, auf der Kinder und Jugendliche für sie geeignete Kulturorte in ihrer Nähe finden können, sind lobens- und unterstützenswerte Entwicklungen. Gleiches gilt für Initiativen wie das frisch gegründete Studio Audience des Kölner Art Asyl e.V., das Kultureinrichtungen und -veranstaltungen bei Öffnungsprozessen unterstützt. Zudem versammelt es auf seinem Instagram-Account Good-Practice-Beispiele sowie Tipps und hilfreiches Wissen zum Thema. Prinzipiell gilt jedoch für solche Entwicklungen und Initiativen: Sie müssen finanziell besser ausgestattet werden - aber in diesem Beitrag wollen wir ja good vibes only, also lassen wir dieses Thema... Stattdessen empfehlen wir allen, die sich (noch stärker) mit der Besuchendenforschung beschäftigen wollen, unseren Leitfaden zum Thema.
 
Gute Nachricht Nr. 2: (Weiter-)Entwicklung digitaler Formate und Zukunft der Arbeit
 
Während Chat GPT Ende 2022 noch wie eine nette Spielerei wirkte, hat sich der Einsatz von KI allein in unserem Redaktionsalltag über den Verlauf des Jahres verstetigt - etwa für Social-Media-Posts, Brainstormings, das Erstellen von Beitrags- und Coverbildern oder das Transkribieren und Straffen von Interviews. Gerade für kleinere und mittlere Kulturbetriebe sind solche Zeitersparnisse hilfreich, besonders mit Blick auf den Fachkräftemangel. Sie machen Sie und uns als Arbeitskräfte keinesfalls obsolet, denn die entsprechenden Tools müssen natürlich von (Kultur-)Menschen verstanden und bedient werden. Dann eröffnen sie Möglichkeiten, schnell und einfach Ideen und Inhalte zu generieren und Arbeitszeit für andere Dinge freizumachen.  
 
Bereits angeteste Einsatzbereiche für KI sind beispielsweise das Kultur- und Tourismusmarketing, wobei sich hier auch ein Blick in andere Wirtschaftsbereiche lohnt. Auch für die Sammlungsarbeit und Kuration kann der Einsatz von KI eine hilfreiche Unterstützung und Arbeitserleichterung bieten, wie das Projekt "Training the Archive" am Ludwig Forum Aachen zeigt. Eine umfangreiche Bestandausnahme dazu hat zudem das nun endende Projekt "KI am Museum" vorgenommen und im Rahmen einer Tagung diskutiert. Es gibt also bereits zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz für fast alle Aufgabenbereiche im Kulturmanagement und auch für die Kulturkarriere. So können KIs wie ChatGPT beim Bewerbungsschreiben helfen, wozu es in unserem Leitfaden "Erfolgreich bewerben" einen kleinen Exkurs gibt. 
 
Daneben können weitere digitale Tools und Formate jenseits künstlicher Intelligenz den Kulturbereich und die Kulturarbeit bereichern - wenn sie denn sinnvoll eingesetzt werden, wie etwa in der (Gäste-)Kommunikation und dem Online-Auftritt der Einrichtungen, oder in der Besucherforschung und Angebotsgestaltung (s. dazu Beitrag im Juni-Magazin ab S. 20). Umso bedauerlicher ist die schnell sinkende Aufmerksamkeit an digitalen Kulturformaten sowohl beim Publikum als auch bei den Einrichtungen seit dem Wegfallen der letzten Coronaschutzmaßnahmen. Es kann sich dennoch lohnen, auch in Zukunft in hybride Formate zu investieren, denn inwieweit dieser Rückgang an geringerem Interesse oder der Qualität der Angebote liegt, lässt sich kaum sagen. Wie die Digitalisierung strategisch angegangen werden kann, zeigt die landesweite Plattform Schleswig-Holsteins und bietet damit ein Vorbild für häuserübergreifende Ansätze und die Bündelung von Ressourcen (s. dazu Beitrag im Juni-Magazin ab S. 10). Projekte wie Coding Da Vinci, das 2023 leider zu Ende ging, unterstreichen außerdem die Bedeutung transdisziplinärer Zusammenarbeit für sinnvolle und erfolgversprechende digitale Kulturformate
Gute Nachricht Nr. 3: Wachsendes Interesse und Bewusstsein für Nachhaltigkeit
 
Eine besonders positive Entwicklung ist das ungebrochene Interesse und wachsende Bewusstsein für Nachhaltigkeitsthemen im Kulturbereich. Das zeigt mit Blick auf die ökologische Komponente unsere umfangreicher gewordene Themenreihe "klimafreundlich", in der wir Beispiele und Ansätze aus allen Kultursparten und Aufgabenbereichen vorstellen konnten, weil es immer mehr davon gibt. Die soziale Nachhaltigkeit ist dieses Jahr glücklicherweise ebenfalls verstärkt im Kulturbetrieb betrachtet worden: So hat sich u.a. die KulturMut Convention im September mit Fragen rund um einen "faireren Kulturbetrieb für morgen" beschäftigt. Ebenso haben sich die Schwerpunkt-Autor*innen unserer Magazinausgaben zu "Leistung" und "Geschlechtergerechtigkeit" mit Fragen zur sozialen Nachhaltigkeit befasst. Dabei ging es neben sich verändernden Leistungsansprüchen und -gedanken auch um die ganz basale Frage danach, wer sich Kultur(-arbeit) überhaupt leisten kann - und möchte. 
 
Einige Barrieren und Diskriminierungen wie Rassismus und Sexismus haben bereits zu Beginn des Jahres die Autor*innen unserer Magazinausgaben zu "Postkolonialismus" und "Let’s Talk About Sex" sichtbar gemacht und gezeigt: Die Mauern des Schweigens werden endlich aufgebrochen, weil mehr Menschen (mit verschiedenen Diskriminierungserfahrungen) am Kulturmanagementdiskurs teilhaben, Teilhabe einfordern und Missstände anzusprechen. Dies war viel zu lange nicht der Fall, was diskriminierende und ausbeuterische Strukturen nur verstärkt hat. Ein besonders positives Beispiel fernab unserer redaktionellen Arbeit war in diesem Jahr u.a. die Podcastserie "Boys Club" von Pia Standera und Lena von Holt, die versucht hat, das aus Macht und Missbrauch bestehende System des Axel Springer Konzerns rund um die Julian-Reichelt-Affäre zu entwirren. Zudem haben Aktionen wie "Wie viel Macht 1 Euro" der Amadeu Antonio Stiftung in Zusammenarbeit mit Künstler*innen gezeigt, dass Solidarität das wirksamste Mittel gegen Machtmissbrauch und Einschüchterungsversuche ist. In diesem Fall: Solidarität mit den mutmaßlichen Opfern Till Lindemanns (und des Rammstein-Netzwerks), auf deren öffentlich gemachte Vorwürfe Lindemanns Anwälte mit Unterlassungsaufforderungen und angedrohten Strafanzeigen reagierten. Auf weitere Erkenntnisse zu dieser Causa, die die komplette Musikindustrie betrifft und bei der es nicht nur um rechtliche Strafbarkeit, sondern vor allem um Machtungleichheit geht, warte ich daher u.a. gespannt im 2024 erscheinenden Buch "Row Zero: Gewalt und Machtmissbrauch in der Musikindustrie" der Investigativ-Journalist*innen Lena Kempf und Daniel Drepper. 
 
Gute Nachricht Nr. 4: Personal rückt (stärker) in den Fokus
 
Seit Jahren schreiben wir bei KMN: Ein zukunftsfähiger Kulturbetrieb braucht Menschen mit progressiven Ideen, die nicht nur gern in der Kultur arbeiten wollen, sondern diese auch weiterdenken. Entsprechend haben wir in diesem Jahr in unserer Berufsbildreihe weitere Interviews mit Kulturarbeiter*innen versammelt, die genau das machen. Sollte Ihr Beruf noch nicht dabei sein und Sie ihn aber gern vorstellen wollen, schreiben Sie uns gern eine Mail! 
 
Damit diese Vordenker*innen in den Kultureinrichtungen bleiben, müssen die Häuser an ihrer Arbeitgeberattraktivität arbeiten. Das gilt umso mehr in Zeiten des Fachkräftemangels, für den die Autor*innen unseres Juni-Magazins verschiedene Lösungsansätze präsentiert haben. Da die Studienlage zum Personalmangel bisher sehr mau aussieht, haben wir für die Ausgabe zudem eine erste Nutzer*innenumfrage zum Thema durchgeführt, um eine Bestandsaufnahme zu machen, und ergänzend dazu unsere Stellenmarkt-Daten ausgewertet. So erschreckend einige dieser Ergebnisse auch sein mögen: Sie motivieren hoffentlich Entscheider*innen in Kultureinrichtungen und der Kulturpolitik dazu, Lösungen und neue, professionelle Ansätze für Personalthemen zu finden. Die in 2023 veröffentlichten Beiträge rund um unsere Personal-Reihe zeigen zumindest: Es tut sich etwas und der "Faktor Mensch" wird glücklicherweise immer ernster genommen.
 
Gute Nachricht Nr. 5: KMN feiert 20-jähriges Firmenjubiläum und wir haben 2024 viel vor
 
Bei KMN hatten wir dieses Jahr außerdem ein paar interne Gründe zu feiern: Zum einen natürlich unser 20-jähriges Firmenjubiläum, zu dem wir 2024 ein paar Überraschungen für Sie bereithalten. Zum Ende dieses Jubiläumsjahres planen wir zudem eine Sonderausgabe des KMN Magazins, in der es um Ihre Perspektiven auf Kultur Management Network gehen soll: Was verbinden Sie mit KMN? Haben wir Sie in der Vergangenheit zu Projekten, Schritten oder Veränderungen inspiriert? Waren wir Ihr Wegbereiter oder Begleiter*innen Ihrer Karriere? Und was bedeutet Kultur weiter denken für Sie? Berichten Sie uns über Ihre Gedanken und Erfahrungen mit KMN - in einem kurzen Statement oder einem längeren Essay, für eine Veröffentlichung oder als persönliche Nachricht. Wir freuen uns über jede Rückmeldung. 
 
Ebenso haben wir 2023 endlich wieder in vollständiger Besetzung gearbeitet und haben sogar weitere studentische Mitarbeitende in der Redaktion hinzubekommen: So konnten wir u.a. endlich unseren Podcast "Dienstags im Koi" launchen, dessen Konzeption und Produktion unser Kollege Olivier Marchal betreut. Und auch unsere Leitfäden konnten wir durch die Mitarbeit unserer Kolleginnen Sofia Unger und Susanne Eger in diesem Jahr um die Themen "Erfolgreich bewerben" und "Projektförderung" erweitern. Ganz viel Dank und Liebe geht natürlich auch an alle anderen (neuen und langjährigeren) KMN-Teammitglieder sowie insbesondere an all jene, die uns in diesem Jahr als Mitarbeitende verlassen haben und nun neue Wege eingeschlagen haben.
 
Insofern blicken wir voller Tatendrang und Motivation auf 2024, um Bestehendes und Angefangenes weiterzuentwickeln und neue Ideen umzusetzen. Falls Sie ein Teil davon sein und Autor*in werden möchten, finden Sie hier eine Übersicht zu unseren geplanten Beitrags- und Magazinthemen. Falls Sie dazu etwas schreiben wollen oder weitere Beitragsideen haben, schreiben Sie uns an redaktion (at) kulturmanagement.net. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen, liebe Leser*innen!
 
Abschließend wie immer: Sofern Sie können, nehmen Sie sich etwas Zeit zum Durchatmen. Aufgrund der aktuellen Weltlage brauchen vielerorts Menschen am Jahresende eine Pause - auch im Kulturbetrieb und bei uns in der Redaktion. Seien Sie also freundlich zueinander und bleiben Sie gesund. 
 
Das gesamte Team von Kultur Management Network wünscht Ihnen einen guten Rutsch in ein erfolg- und kulturreiches Jahr 2024! 

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