09.02.2023

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Holger Kurtz
ist selbständiger Kulturmanager für Digitales und unterstützt Kulturorganisationen bei der Umsetzung ihrer Digitalen Transformation - in Form von Beratungen, Workshops und freier Mitarbeit. Zu diesem Thema gründete er bereits den Fachblog KulturData. Zuvor war er als Online-Marketing-Manager für Konzertveranstalter in DACH tätig und studierte Kultur- und Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Theater München. Er sammelte praktische Erfahrungen in der Kulturberatung und im Online-Journalismus und ist Gründer des sarkastisch-klugen Blogs Musik - mit allem und viel scharf
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Wege ins Kulturmanagement

Kulturmanager für Digitales

Digitale Wege im und ins Kulturmanagement sind bisher noch mit überschaubaren Fußspuren versehen. Darunter sind jene von Holger Kurtz, der mit seinen Ideen, Beratungen und Projekten zeigt, welche beruflichen Chancen in der Digitalisierung des Kulturbetriebs stecken und wie diese genutzt werden können.

Themenreihe Berufsbild

Lieber Holger, während viele Kultureinrichtungen erst allmählich verstehen, dass sie sich umfassend mit "Digitalisierung" auseinandersetzen müssen, hast du schon lange den Weg ins Digitale gefunden. Warum hast du dich dafür entschieden? 
 
Aktiv entschieden habe ich mich eigentlich nie. Als ich Anfang der 2010er Jahre mit Freund*innen den Blog musik-mitallemundvielscharf.de gegründet habe, fingen wir direkt rein digital an. Dass wir dazu Cloud-Dienste, eine Webseite mit modernem Content-Management-System, Social Media, Podcasts und Videocalls einsetzen, war logisch. Ich musste mich dann in meinen ersten Jobs wieder ent-digitalisieren, um deren Prozesse zu verstehen. 
 
Im Masterstudium an der Hochschule für Musik und Theater München wurde mir klar, dass es schwer wird, besser im Kulturmarketing zu werden als ein 60-jähriger Marketingchef mit 30 Jahren internationaler Branchenerfahrung. Doch im Bereich Online-Marketing waren viele unerfahren (und desinteressiert). Diese Lücke habe ich dann versucht zu füllen.
 
Was hat dir bisher auf diesem Weg am meisten geholfen? Und was hätte ihn dir erleichtert?
 
Da ich der erste mit allgemeiner Hochschulreife in meiner Familie bin, war das Studium "Musikmanagement" an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken eine gespenstige Blackbox für mich. Kostenlose Praktika waren ein Luxus, den ich mir nur einen Monat leisten konnte (3-6 Monate werden aber oft gefordert) und Connections in die Kulturwelt hatte ich auch keine.
 
Dennoch gaben mir einige Menschen erste Chancen in der Kulturwelt, wie z. B. Friedrich Spangemacher vom Saarländischen Rundfunk, Martin Hufner von der Neuen Musikzeitung und Rod Schmid von livekritik.de. Das (bezahlte! omg!) Praktikum bei livekritik.de in Berlin stellte sich als großer Glücksfall heraus. Die Zusage hat mir nach dem Bachelor nicht nur Erfahrungen gebracht, sondern auch einen remote Nebenjob für das Studium in München. Das wäre ohne diese finanzielle Sicherheit undenkbar gewesen, denn das günstige Saarbrücken war schon ein Drahtseilakt gewesen trotz Nebenjobs und BAföG.
 
Während der Pandemie sind viele freischaffende und selbstständige Kulturakteur*innen in Festanstellungen gewechselt. Du hast genau das Gegenteil gemacht und bist seit Juli 2021 selbstständig. Wie kam es dazu? Und vor allem: Wie läuft es seitdem?
 
Ja, das klingt erstmal nach einer sehr schlechten Idee. Als im März 2020 der erste Lockdown kam, arbeitete ich als Online-Marketing-Manager für den privaten Konzertveranstalter MünchenMusik. Dank sehr guter Planung musste dort niemand ernsthaft um seinen Job fürchten, was gerade in privaten Unternehmen der Kulturbranche wirklich ein Privileg war. Dennoch wollte ich nach zwei Jahren weiterziehen und nach einem kurzen Stopp bei einer Data-Science-Firma, entschied ich mich, selbst zu gründen.
 
Da mein Vater selbstständig ist, hatte ich immer einen enormen Respekt vor den Herausforderungen einer Gründung. Doch dank des Zuspruches meiner Eltern und meiner Partnerin wagte ich diese Unsicherheit. Für ein Fazit ist es noch zu früh, aber wenn ich jetzt hochrechne, wie mein Umsatz am Ende der ersten 12 Monate ausgesehen hat, liege ich über der Prognose in meinem Business Plan. Doch leider ist 80 Prozent des Umsatzes außerhalb der Kultur entstanden - trotz 90 Prozent aller Projekte in der Branche. Dennoch genieße ich es, nicht mehr für Arbeitszeit, sondern für meine Arbeit bezahlt zu werden. Allerdings hatte ich in den ersten Sommermonaten fast keine Aufträge. Das hat mich dann wieder sehr an ein unbezahltes Praktikum erinnert, dass man sich leisten können muss.
 
Wie bist du mit dieser Startschwierigkeit umgegangen? Und wie schließlich an Aufträge gekommen?
 
Die Bundesagentur für Arbeit vergibt Förderungen zur Existenzgründung, um Gründer*innen durch die ersten mageren Monate zu bringen. Die ersten kleinen Aufträge habe ich über mein Netzwerk und über Content-Marketing erhalten. Der erste große Auftrag kam dann aber ehrlich gesagt aus dem Nichts. Warum sich die Firma für mich entschieden hat, kann ich auch sagen: Ich war kurzfristig verfügbar. Manchmal genügt das. Den Folgeauftrag habe ich dann aber erhalten, weil ich wohl auch ganz gut war.
 
Seit dem Wechsel in die Selbstständigkeit bezeichnest du dich als "Kulturmanager für Digitales". Was fällt dabei in dein "Stellenprofil" bzw. deinen Tätigkeitsbereich?
 
Als studierter Musikmanager (Bachelor) und Musik- und Kulturmanager (Master), der immer im Online-Marketing oder Online-Journalismus gearbeitet hat, lag die Bezeichnung nahe. Ich habe jedoch relativ schnell bemerkt, dass die Bezeichnung zwar stimmte - aber für einen Dienstleister zu generisch war. Außerdem bekam ich von Auftraggebern außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft das Feedback, dass sie sich nicht sicher sind, ob ich vom Schwerpunkt her passe. Nach einem Kennenlernen erübrigte sich die Sorge meist, dennoch habe ich mich entschieden, die Bezeichnung vorsichtiger zu verwenden.
 
Mein Tätigkeitsbereich umfasst digitales Performance-Marketing, also die datengetriebene Optimierung von Ticketverkäufen durch Online-Marketing. Um konkreter zu werden: Social Media Ads (Facebook, TikTok, Instagram etc.), Customer-Relationship-Management, (E-Mail), Suchmaschinenoptimierung (SEO), Suchmaschinenanzeigen (Google Ads) und Webanalyse (Matomo, Google Analytics). Das kann dann z. B. als "Upgrade" oder "Set-up" gebucht werden, sodass alle Kanäle aufeinander aufbauen und möglichst automatisiert sind.
 
Warum wird "digitales Kulturmanagement" immer wichtiger werden?
 
Ich habe mal einen Artikel verfasst, warum Kulturorganisationen mit der Digitalisierung fremdeln. Tina Lorenz hat dazu eine sehr gute Replik verfasst. Einig sind wir uns darin, dass Digitalisierung wichtiger wird und sogar als Mitarbeiter*innenfürsorge verstanden werden kann. Aber ich glaube auch heute noch nicht, dass es gravierende Änderungen im Kern geben wird. Agile Methoden eigenen sich nicht wirklich, wenn es kein unmittelbares User*innen-Feedback gibt und das Produkt nicht iterativ verbessert werden kann. Rein digitale Kommunikation würde an der (bisherigen) Kern-Zielgruppe vorbeigehen. Und von Einsparungen durch Skalierbarkeit profitiert niemand, weshalb Prozesse analog und händisch bleiben.
 
Ich glaube eher, dass neue Kulturorganisationen entstehen, die Digitalisierung als Fundament haben und daher auch ein digitales Kulturmanagement benötigen.
 
Was braucht das Kulturmanagement aus deiner Sicht, um sich künftig noch besser im Digitalen aufzustellen? 
 
"Mut!", wäre jetzt eine pathetische Antwort, die gut ankommen würde. Mut gibt es aber bereits genug in der Branche. Ein Beispiel: Die lokale Begrenzung von Kulturorganisationen wird durch Digitalisierung aufgelöst. Die VR-Stücke des Theaters Augsburg, der Livestream der Johannes Passion des Podium-Festival-Esslingen 2020 oder das rein digitale International Online Organ Festival 2022 gehen bereits mutig neue Wege. Sie blieben bisher jedoch meist Nebenprojekte. Die meisten Orchesterkonzerte, Ausstellungen oder Theaterstücke blieben analog. Ich meine das nicht wertend. Digital per se ist weder besser noch schlechter. Der Kulturgelder-Kuchen muss aber wachsen, sonst wird es ein Nullsummenspiel, bei dem digitale Akteur*innen nur gewinnen, wenn Analoge verlieren. Mein kleiner Beitrag dazu als Kulturmanager für Digitales ist es, die Eigenfinanzierung durch Online-Marketing-Methoden zu verbessern.
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Wege ins Kulturmanagement

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